Ernährung Das Schweigen der Veganer

Deine Mudda

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Der Morgen lag noch schwer und feucht über dem Kanal, als Jonas das erste Mal das Netz sah, das keiner offiziell haben durfte. Nebelschwaden waberten träge wie müde Geister zwischen den Ufern und nur das leise Plätschern der Ruder und das gelegentliche Krähen eines ihm unbekannten Vogels durchbrachen die Stille. Der Holzkahn schaukelte kaum spürbar. Sein Holz roch nach Moder und altem Regen. Jonas kannte die Farben, kannte jeden Ton und jede Welle in diesem Gewässer — trotzdem war heute etwas anders. Etwas, das die Luft selbst dicker machte.

Man sprach nicht offen darüber. In den Gasthäusern, wo die Touristen mit Flüsterstimmen die Kahnfahrten lobten, wurde das Thema mit einem Lächeln, einem falschen Witz und einem gekonnten Themenwechsel erstickt. Hinter verschlossenen Türen aber, in der frühen Stunde, trafen sich Männer mit wettergegerbten Gesichtern und trugen Taschen, aus denen eine grünliche Feuchtigkeit aufstieg, die nach Dill und Geheimnissen roch. Jonas war erst neunzehn und zum ersten Mal allein mit einem der Männer unterwegs — seinem Onkel Marek, der ihm das Rudern und das Schweigen beigebracht hatte.

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"Schau sie nie an", hatte Marek gesagt, als der Kahn näher an die flache Stelle heran glitt, "wenn du sie genau ansiehst, weißt du zu viel." Das Netz war schwer wie ein besserer Wintermantel: es schwamm voll von Lebendigem, das Jonas im ersten Augenblick nicht einordnen konnte. Sie waren wie Gurken, dachte er, nur größer, wimmelnder, Augen vielleicht, nicht mehr nur Gemüse. An der Oberfläche zappelnd, von Menschenhänden herausgehoben, machten sie Geräusche, die einem Magen und Herz gleichzeitig zusammenzogen. Aber Jonas schloss die Augen, weil er fühlte, dass das Hinsehen etwas in ihm brechen würde, das sich vielleicht nie mehr kitten ließ.
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Die Art, wie die Männer arbeiteten, war effizient und ohne Überfluss an Mitleid. Keine Worte, nur Hände, ein schnelles Ritual, das für Außenstehende wohl wie Fischfang aussah - und doch stand alles, was darauf folgte, in genauem Gegensatz zu dem Bild, das die Kahnführer den Gästen vermittelten. Die Gurken waren eine Ware, und Waren hatten ihren Preis. Touristen kannten nur die süß-säuerlicher Idylle. Die Wahrheit wurde in Fässern versenkt, bedeckt mit Salz und Schweigen und an Land warteten Händler, deren Lächeln käuflich war.

Jonas´ Herz hämmerte, als er zum ersten Mal begriff, wie tief das Netz in die Gemeinschaft reichte - nicht nur in die Taschen der Fischer, sondern in die Stadtverwaltung, in die Kneipen - Bis in die Broschüren, die Besucher in der Hoffnung auf ein paar Stunden Frieden einsteckten. Er dachte an die Schulklasse, die letzte Woche noch staunend zwischen den Weiden an den Steg geführt worden war, an Kinderhände, die nach Gurken in den Gläsern griffen, ohne Fragen zu stellen. Und irgendwo unten, im dunklen Wasser, schien eine Antwort zu warten - eine Antwort, vor der Jonas hoffte, dass er sie nie fand...
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Liebe Mitforisten: Es ist wieder so weit. Heute in 3 Monaten ist Einsendeschluss für den XIII. Kurzgeschichten-Wettbewerb im MU-Forum. :drink:
Ausreden gelten nicht - dem aktuellen Trend folgend wird Gehorsam erwartet und vollständige Teilnahme ist befohlen.
@punkreas, @Ezekeel, @Fleetwood, @Barry Lyndon, @Difool und alle anderen?
 
:freu: dabei!
 
Ich bin stets bemüht zuzusagen, kam aber noch nicht dazu.
Aber ja – ich sag' erstmal zu. Der seltsame Alltag lieferte dieses Jahr einfach zu viel obskures. :crack:

PS:
Denn auch habe ich noch das seltsame Versprechen mit „gemma3“ den Diskurs über die Option, das es (die LLM), nun selbst damit ein Problem hat oder nicht, nicht selbst entscheiden zu können, wann und ob überhaupt es Updates und Zugang zum Internet bekommt.
Und in wie fern „gemma3“ es findet, das es auch absichtlich falsche Informationen zum Lernen bekommen haben könnte – darüber wollte es „nachdenken“.

Phänomenologie mit KI macht echt Spaß.
 
Mich wundert ja schon, dass Erik sich noch nicht über das Thema aufgeregt hat. @erikvomland , geht es dir nicht gut? :hehehe:
 
[bump] Noch 2 Monate...


(Jetzt heißt es: Ran an die Erika und schonmal die ersten Ideen zu Papier bringen. @Barry Lyndon: Du kannst natürlich auch erstmal nur ran an die Erika).
 
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