Es ist schon erstaunlich, wie skeptisch man in einem so technikaffinen Forum der Elektromobilität gegenübersteht. Ich bin mir nicht sicher, ob der Grund in der uns Deutschen immer wieder als typisch zugeschriebenen Bedenkenträgerschaft liegt oder ob hier die Merkelsche Politik des Aussitzens und Bloss-nichts-Veränderns ihre Früchte trägt. Sagt es mir!
Wie mancher weiss wohne ich schon viele Jahre in Norwegen. Dieses Land ist nun nicht gerade als Quell von Innovationen bekannt, Einheimische behaupten sogar augenzwinkernd, die grösste norwegische Erfindung der letzten 100 Jahre sei der Käsehobel. In Norwegen kann es zuweilen ganz schön kalt sein (okay, in meiner Ecke nicht so, dafür ist es ganz schön nass), die Winter sind lang und in weiten Landesteilen auch ganz schön dunkel. Das Strassensystem ist weit ab vom deutschen Standard, wir haben hier sagenhafte 500 und ein paar zerquetschte Kilometer Autobahn bei knapp 100 000 km Gesamtwegenetz (Deutschland knapp 700 000 km bei ungefähr vergleichbarer Flächengrösse). Wer schon mal hier war und sich abseits der grossen Städte bewegt hat weiss, dass man hier oft genug noch einspurig mit Ausweichstellen unterwegs ist und das die Strassenbeläge oft genug in zweifelhaftem Zustand sind. Das Geländeprofil ist mitunter wirklich anspruchsvoll, in vielen Fällen muss man Fähren benutzen.
Fahren in Norwegen bedeutet Strecke machen. Die grossen Ballungszentren liegen weit auseinander und auch im Pendlerverkehr rechnet hier niemand nach Entfernung sondern nach Zeit, man ist also verhältnismässig viel und lange im Auto unterwegs. Abseits der Städte ist ein ernstzunehmendes Leben ohne Auto zudem kaum möglich.
Gefahren wird hier ständig mit Licht und die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 80 km/h (okay erwischt, auf 55 km darf man 90 km/h fahren, auf 217 km sind 100 km/h und auf ganzen 161 km sogar atemberaubende 110 km/h erlaubt, das ist aber nur was für Adrenalinjunkies
).
Warum schreibe ich das alles? Nun, in diesem Land am Rande Europas, mit all seinen Widrigkeiten und Tücken, mit seiner zum Teil ausufernden Bürokratie und seinen nicht gerade entscheidungsfreudig bekannten Entscheidungsträgern funktioniert die Elektromobilität! In den Städten (nein, es hängen keine Verlängerungskabel aus den Fenstern), auf dem Dorf und auch in der hintersten Pampa, von der es hier reichlich gibt. Es gibt den politischen Willen dazu, es gibt die Technik, es wird gemacht und es funktioniert.
Ladestationen gibt es allerorten, am Strassenrand z.T. in Verbindung mit Laternen, in Einkaufszentren, auf Parkplätzen, in vielen Firmen, in Parkhäusern etc. Naja, und natürlich auch an Tankstellen, es gibt grosse reine Ladeanlagen an zentralen Plätzen aber auch an vielen normalen Tankstellen gehören Ladestationen längst zum Standard. Eine halbe Stunde laden verbindet man dann mit Pullerpause, Käffchen und Pølse. Viele laden natürlich auch zuhause.
Der Erfolg beruht eigentlich auf drei Säulen:
1. Der staatlichen Förderung (Die gab es allerdings schon lange vorher, eigentlich um das einheimische Projekt "
Think" auf die Füsse zu bringen. Hat nicht geklappt, war trotz allem nur ein Elefantenrollschuh.)
2. Der Verfügbarkeit von Elektroautos, die die heutigen Ansprüche der Kunden hinsichtlich Komfort, Sicherheit und Qualität erfüllen. Dass hinter Tesla ein Visionär wie Elon Musk steht, hat die Sache natürlich noch weiter gefördert. Aber auch die fleissigen japanischen Ingenieure und selbst die Franzosen haben sich ordentlich reingekniet, BMW ist ebenfalls mutig genug, ausgetretene Pfade zu verlassen um den Anschluss nicht zu verlieren. Und auch VW und Mercedes liefern, wenn auch nur angepasste konventionelle Fahrzeuge.
3. Der Verfügbarkeit regenerativer Energie, hier Wasserkraft, zum günstigen Preis.
2. und 3. sind meines Wissens auch in Deutschland verfügbar, es mangelt wohl an 1.
Fazit: Man muss nur wollen und einer Sache eine Chance geben bzw. ihr ggf. auch auf die Sprünge helfen. Beim iPhone hat's ja auch geklappt.
Bevor jetzt Fragen kommen: Nein, wir haben bisher noch kein Elektroauto. Wir benötigen zum einen grosse Transporter mit Anhängerkupplung und setzen privat auf Land Rover mit Allradantrieb und natürlich ebenfalls Anhängerkupplung. Das kann heute so noch kein Elektroauto bieten. Aber wenn wir den Kleinlieferwagen (Renault Kangoo) ersetzen müssen, steht als Nachfolger ein Elektroauto durchaus in der engeren Wahl. Hier kann auf Anhängerbetrieb verzichtet werden.