Walfrieda: Mich würde interessieren, wo du die Gründe dafür siehst, dass zwei Familien mit zwei Parteien ein eigentlich demokratisches Land in ihre Fänge bekommen können.
das ist eigentlich recht einfach zu erklären. In Griechenland läuft sehr vieles über die Schienen "Vertrauen" und "soziale Kontrolle". Hier heißt es "das ist ein guter Mensch", wenn einer aus einer anerkannten Familie kommt, der "man" vertraut. Die Idee, die eigentlich nicht so schlecht ist, ist die, daß einer aus einer solchen Familie vernünftig erzogen wurde und, wenn er über die Stränge schlägt, von der Familie zurückgepfiffen wird. Das ist im täglichen Leben genauso wie in der Politik. Wenn jemand einen Job sucht, wird er oft von jemandem empfohlen der die Familie kennt, mit den Worten er sei ein "καλό παιδί" (kalo pädi, Betonung jeweils auf dem letzen Buchstaben), ein "gutes Kind". Sprich, jemand der ok ist, der aus einer vertrauenswürdigen Familie stammt, von dem recht sicher ist daß er ein soziales Netz hat das ihn im Problemfall auffängt und ihn eben auch "zurechtstutzt" wenn er Probleme macht. Schließlich hängt am Einzelnen und seinem Verhalten auch der Ruf der Familie. Das Ganze sieht oft nach Vetternwirtschaft aus (was es im Prinzip oft auch ist), hat aber seine Ursache darin daß man nur Geschäfte macht oder Beziehungen aufbaut, dem man in diesem Sinne vertraut. In der Politik ist es dann so, daß man jemanden wählt der aus einer Familie kommt, wo ein Verwandter (Vater, Onkel...) schon etwas geleistet hat, das man gut findet.
@walfrieda, Danke für deine Berichte. Klinkt ein bisschen nach der DDR.
nein, das kann man gar nicht vergleichen. Griechenland ist ein extrem freiheitliches Land. Manchmal zu freiheitlich, in dem Sinne daß jeder macht was er will. Ich sag immer, es ist kein Zufall daß "Chaos" ein griechisches Wort ist.
Das macht das Leben in Griechenland sehr angenehm, aber es erfordert natürlich daß man seinen Perfektionismus an der Grenze über Bord wirft. Hier läuft vieles siga-siga (wörtlich "langsam-langsam" oder "sehr langsam", gemeint ist etwa "immer mit der Ruhe" oder "mach keine Hektik"). Eigentlich kennen Griechen nur zwei Modi, "siga-siga" oder "ela-ela" (wörtlich "komm-komm", gemeint ist "zackzack"). Öffentliche Arbeiten, zum Beispiel im Strassenbau, sind 90% siga-siga, die letzten 10% der Zeit dann ela-ela, damit man fertig wird...
Des weiteren scheint ja für Griechenland zu gelten, das dort den Politiker gegenüber durchweg Misstrauen entgegengebracht wird (wohl auch zurecht) und auch in wirklich Breiten Teilen der Bevölkerung den Demonstranten Sympathie entgegengebracht wird.
Ich schaue daher nicht sprachlos, sondern interessiert rüber und bin gespannt, ob sich dort grundlegendes ändert.
es wird sich sicher etwas ändern. Es ist kaum zu erwarten daß die Regierung das übersteht. Die Frage ist, ob dann nur die andere Familie drankommt (Giorgos Papandreou mit seiner Partei PASOK), oder ob die Bevölkerung etwas anderes durchsetzt - es ist allerdings schwer sich da etwas tragbares vorzustellen. Genau das Fehlen von wählbaren Alternativen ist ja einer der Gründe für die Unzufriedenheit der Bevölkerung. Man darf auf jeden Fall gespannt sein. Ich bin vor allem auch gespannt, ob/wann die EU sich einmischt (die über die Vergabe von Fördermitteln natürlich einiges an Einfluß hat) und die Verbesserung einiger Dinge anmahnt, wie zB im Bildungssystem oder in der Korruptionsbekämpfung.