Alternativen zum Tiefensee-Vorschlag

Leslie schrieb:
Es geht hier doch nun wirklich um Leute, die aus eigener Kraft überhaupt gar nichts auf die Reihe bringen können oder wollen. Bequem ist natürlich, den Staat oder irgendwelche Selbständigen verantwortlich zu machen.

So so, dass ist ja spannend. Neulich habe ich auf Slashdot gelesen, dass bei manchen IT Unternehmen schon Leute mit 35 als "zu alt" gelten.

Und jetzt sag mir mal, warum der entlassene 50 jährige "gar nichts auf die Reihe bringen" kann. Mit jedem Jahr, dass die Leute in Arbeitslosigkeit verbringen, sinken ihre Chancen auf einen Arbeitsplatz zusätzlich.

Leslie, ich wünsche Dir, dass Du nie in die Situation kommst. Denn natürlich gibt es Leute, die dem Staat lieber auf der Tasche liegen. Deine pauschalisierung finde ich aber unerträglich.

Alex
 
Leslie schrieb:
Die Alternative ist nicht "korrekt bezahlen", sondern "gar nicht bezahlen".

Aber das ist eben nicht so.

Rein theoretisch sollen die 1€ Jobber Tätigkeiten für die Allgemeinheit ausführen, die sonst nicht oder nicht ausreichend getätigt würden.
Ein Beispiel wäre Schulwege sichern. Oder im Altersheim mit den Leuten Schach spielen und spazieren gehen.

Soviel zur Theorie. Fakt ist aber, es werden existierende Arbeitsplätze vernichtet oder nicht neu geschaffen, da 1€ Jobber mit diesen konkurrieren. Um nochmal das Beispiel mit dem Altenheim zu bemühen. Die 1€ Jobber machen eben nicht ein "Goddie" oder "On the top job", sondern arbeiten in der Küche oder in der Pflege und ersetzen dort Festangestellte.

Die Städte benutzen 1€ Jobber zur Parkpflege, aber eben nicht um z.B. die Blumenvielfalt zu vergrössern, sondern um dem Blumendienst Maier einzusparen und herkömmliche Parkpflege zu verrichten.

Hast du den kleinen aber feinen Unterschied verstanden?
 
Wetcat schrieb:
Die Städte benutzen 1€ Jobber zur Parkpflege, aber eben nicht um z.B. die Blumenvielfalt zu vergrössern, sondern um dem Blumendienst Maier einzusparen und herkömmliche Parkpflege zu verrichten.

Das ist dann aber eindeutig nicht gesetzeskonform. Es wäre einmal konkret zu prüfen, ob die Arbeit nicht zu den kommunalen Pflichtaufgaben gehört und früher wirklich vom Maier und nicht von ABM-Kräften gemacht wurde.

Und wenn aufgrund der Vielzahl der Einzelverstöße festgestellt wird, dass es sich da um ein grundsätzliches Problem handelt, soll man die Ein-Euro-Jobs eben modifizieren oder abschaffen.

Mir kann aber niemand erzählen, dass die vielen konkurrierenden Ein-Euro-Jobber der Grund für die hohe Arbeitslosigkeit sind.
 
below schrieb:
So so, dass ist ja spannend. Neulich habe ich auf Slashdot gelesen, dass bei manchen IT Unternehmen schon Leute mit 35 als "zu alt" gelten.

Ja und? Ich bin auch zu alt, um mich als Offizier bei der Marine zu bewerben. dann mache ich eben woanders etwas anderes, ist doch kein Problem.

below schrieb:
Und jetzt sag mir mal, warum der entlassene 50 jährige "gar nichts auf die Reihe bringen" kann.

Sage ich ja gar nicht, ich könnte Dutzende Gegenbeispiele nennen. Und selbst wenn es im Einzelfall tatsächlich doch so sein sollte und jemand aus eigener Kraft wirklich überhaupt nichts auf die Reihe kriegt: Dann kann er immer noch Hartz IV beantragen und einen Ein-Euro-Job annehmen.
 
Wetcat hat absolut Recht: Die 1€-Jobs ersetzen Vollzeitstellen.
Die Begründung für ihre Einrichtung war, dass sie Langzeitarbeitslosen eine Wiedereingliederung ermöglichen sollen. Das tun sie in manchen Fällen auch, aber erstmal werden oft andere Erwerbstätige auf die Strasse gesetzt. Unter dem Strich gibt es keine zusätzlichen Arbeitsplätze.

Auch Wegus hat Recht: Bei den Lohnnebenkosten kann man sich kaum leisten, irgendjemand einzustellen. Ich hätte z.B. Arbeit für 1-2 Leute, stelle sie aber wegen der Nebenkosten nicht ein und lasse lieber Aufträge sausen.

Schon lange gibt es die Forderung, die Sozialbeiträge auf steuerliche Finanzierung umzustellen, statt sie an eine Lohn/Gehalt zu koppeln. Das wäre ein gerechteres System, weil die gesamte Gesellschaft beteiligt wird, auch die Freiberufler, Beamten etc., und wird auch von vielen Staaten praktiziert.
 
@Spoege: Sehe ich genauso, zumal ja die Auswirkungen doppelt negativ sind. Durch Nicht-Einstellung werden nicht nur im Einzelfall keine Sozialabgaben abgeführt, sondern der potentzielle Kandidat kostet sogar noch etwas für die Sozialkassen, wodurch dann die (Noch-)Beschäftigten wiederum mehr zahlen müssen.

Und vierzig Prozent vom Bruttolohn sind definitiv nicht akzeptabel, zumal ja damit sowohl für den Arbeitgeber als auch für den Beschäftigten das Ende der Fahnenstange längst nicht erreicht ist.
 
Leslie schrieb:
Und selbst wenn es im Einzelfall tatsächlich doch so sein sollte und jemand aus eigener Kraft wirklich überhaupt nichts auf die Reihe kriegt: Dann kann er immer noch Hartz IV beantragen und einen Ein-Euro-Job annehmen.

Wie soll man denn aus eigener Kraft noch Arbeit bekommen ?? Die Industrie schönt ihre Zahlen durch Personalabbau, Firmen gehen ins Ausland und die Politik grinst nur blöd und zuckt mit den Schultern....

So einfach ist das heute nicht mehr Arbeit zu bekommen!

Das habe ich am eigenen Leib erfahren! Bahlsen hat seid dem Jahr 2000 immer still und heimlich bis 2006 ca 500 Leute abgebaut (Werk3 Barsinghausen bei Hannover) ! Sei es durch verlagerung der gelegten Mischung nach Polen. durch Kaizen und Porsche Consulting (BVP - Betrieblicher Verbesserungs Prozess) oder durch Stellen die einfach nicht mehr besetzt wurden nach dem der Arbeitnehmer in Rente ging !

Nach der Entlassung wird man erst mal in so genannte "Auffanggesellschaften" gesteckt mit einer kleinen Abfindung und so ist man auch erst mal aus der Arbeitslosenstatistik raus ! und danach ??

Den Zeitungsartikel aus der Lokalzeitung hab ich mal angehängt:

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Es macht so keinen Spaß mehr, vor allem weil keine Besserung in Sicht ist...
Edit: Ich bin immer noch Arbeitslos !!
 
entschuldigung, du bist 28: mach halt noch mal ne Ausbildung (ich habe mit Mitte 30 ein Studium gestartet-verheiratet und mit 2 Kindern)

edit: das ist jetzt weder populistisch, noch böse gemeint, sondern ein ernsthafter Tipp
 
Die 1-Euro-Idee find ich persönlich sehr gut, aber die Umsetzung ist Katastrophal!
Grundidee war ja, die Leute im Arbeitsmarkt zu halten und Ihnen dafür eben einen kleinen finanziellen Anreiz zu bieten. Dass aber die 1€-Stellen oftmals eine Vollzeitstelle ersetzen ist mit Sicherheit nicht im Sinne des Erfinders und muss schnellstmöglich geändert werden.

Fakt ist aber auch, dass es sehr schwer ist einen neuen Job zu finden, gerade bei Jugendlichen und älteren Personen.
Schuld daran sind meiner Meinung nach mehrheitlich die unglaublich hohen Lohnnebenkosten sowie der zu starre Kündigungsschutz.
 
minilux schrieb:
entschuldigung, du bist 28: mach halt noch mal ne Ausbildung (ich habe mit Mitte 30 ein Studium gestartet-verheiratet und mit 2 Kindern)

edit: das ist jetzt weder populistisch, noch böse gemeint, sondern ein ernsthafter Tipp
Das würde ich auch gerne machen aber versuch mal mit einem Hauptschulabschluss und inzwischen 29 einen Ausbildungsplatz zu bekommen...
 
Details zum Stellenangebot - Mitarbeiter/in Produktionsbereich Dragierung/Filmcoating (Bäcker/in)
Referenznummer: 10000-1003577237-S (direkte verlinkung funktionierte nicht)

Fand ich recht passend. Schau dir das mal an. Ist leider 167km entfernt. Aber da musst du mit 28 wohl durch.
 
Zuletzt bearbeitet:
frankyfly schrieb:
sowie der zu starre Kündigungsschutz.

Das ist zwar jetzt etwas off-topic, aber wenn ich mich richtig erinnere hat bisher noch keine Lockerung des Kündigungsschutzes (die es in Deutschland ja schon gegeben hat) den erhofften (versprochenen) Effekt für den Arbeitsmarkt gebracht.

Alex
 
Karijini schrieb:
Was ist an dem Kündigungsschutz so schlimm?

- Wegen der Sozialauswahl werden ältere Arbeitnehmer nicht mehr eingestellt.
- Die Unternehmen warten länger mit einer Neueinstellung, bis diese unvermeidbar ist oder sich ein besseres Risiko-Chancen Verhältnis ergibt
- Internationale Unternehmen investieren lieber in Staaten, in denen der Kündigungsschutz flexibler ist.
- Weniger Lohnwettbewerb, da die Wirtschaftlichkeit der Unternehmen geschwächt wird
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Um eins klar zustellen, ich bin für eine Lockerung des Kündigungsschutzes, nicht für dessen Abschaffung. Der Kündigungsschutz bringt natürlich auchn viele Vorteile für Arbeitnehmer und Arbeitgeber.

Gerade aber die strenge Sozialauswahl erschweren es einem Arbeitgeber, einen älteren Arbeitnehmer einzustellen, da dieser im Fall der Fälle sehr schwer kündbar ist.
 
frankyfly schrieb:
- Wegen der Sozialauswahl werden ältere Arbeitnehmer nicht mehr eingestellt.
...

Das meine ich gar nicht böse oder rethorisch: Hast Du Daten, die eine Wirksamkeit des gelockerten Kündigungsschutzes belegen?

Alex
 
below schrieb:
Leslie gibt Dir sicher gerne Tips.

Alex

Mal abgesehen davon, dass ich solchen Sarkasmus in diesem Falle unangebracht finde:

Wir hatten über Harz IV und 1-Euro-Jobs diskutiert. Wer mit unter dreißig Jahren entlassen wird, ist anschließend im Durchschnitt keine drei Monate arbeitslos und bezieht so lange Arbeitslosengeld I. Dieser Zeitrahmen ist im obigen Beispiel ja auch erst um einen Monat überschritten. Erst nach einem Jahr (und eine so lange Arbeitslosigkeit halte ich im Falle des obigen Beispiels nun wirklich für unwahrscheinlich) greift Harz IV. Und selbst dann kann man sich immer noch nebenbei einen 400-Euro-Job suchen, statt einen 1-Euro-Job anzunehmen.
 
below schrieb:
Das meine ich gar nicht böse oder rethorisch: Hast Du Daten, die eine Wirksamkeit des gelockerten Kündigungsschutzes belegen?

Alex

Leider muss ich da sagen: Nein.
Allerdings hat die ifo dazu einmal eine Studie gemacht, in der ein Zusammenhang zwischen starrem Kündigungsschutz und der damit verbundenen Erhöhung der Beschäftigungschwelle (ist aber glaube ich schon etwas älter) nachgewiese wurde.

Weiterhin muss ich Dir aber (leider) zustimmen, dass bei der letzten Lockerung des Kündigungsschutzes keine Besserung am Arbeitsmarkt zu verzeichnen war.

Ich bin aber trotzdem der Meinung, dass eine Lockerung des Kündigungsschutzes als Teil einer Reform durchaus positive Folgen haben könnte.
 
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