1984/2024 - die Steinzeit lebt

g4user

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Als der Mac zur Welt kam war ich Teil des 2. Jahrganges, der in der Oberstufe einen EDV-Kurs belegen konnte. Meine Schule war Teil eines Pilotprojektes und bekam für schmerzhaft viel Geld zwei „Schaub-Lorenz ITT 2020“-Rechner … Apple II-Clones! Unseren Basic-Spaghetticode speicherten wir zunächst auf Musikcassetten - ein sündhaft teures 5 1/4“ Diskettenlaufwerk kam im Laufe meines Kurses dazu.

Dass in dieser Zeit in Amerika eine Computer-Revolution begann ging an uns vorbei. Das berichteten vielleicht ein paar Spezialzeitschriften für Elektronikbastler.

Im Studium lernte ich dann verschiedene Betriebssysteme und Programmiersprachen - vor allem Unix. Wir schlugen uns Nächte um die Ohren um irgendwelche komplizierten Shell-Skripte zu entwickeln - in der Zeit hätten wir die damit automatisierte Arbeit auch von Hand erledigen können. Das war die Zeit meiner großen „Entfremdung“! Warum soll ich dutzende von Unixbefehlen mit Vor- und Nachnamen auswendig lernen und hochkomplex verknüpfen? In meiner Studentenbude stand mein Apple //c, der mir mit ProDOS alle Befehle in Menüs zeigte wo ich sie nur auswählen musste.

Kleiner Einschub: Ich war 1989 der erste an der Uni, der eine Präsentation zeigte wie sie heute üblich ist. Ich zeigte ein paar Charts in Blockgrafik über den schrankgroßen Videobeamer. Allein das stieß auf Verwunderung - man projizierte damals aufwändig erstellte Dias. Die Profs waren sich uneins: hat der da vorne ein kleines Terminal, mit dem er die Charts vom Schulrechner und SPSS holt - oder sind das vorgefertigte Grafiken - aber wie hat der das gemacht? Das Erstaunen war umso größer als ich erklärte, dass die „Schreibmaschine“ mit der ich angerückt war ein veritabler Rechner war (jener Apple//c). Die Charts hatte ich über Clarisworks erstellt … guck mal, wenn ich den Wert hier in der Tabelle ändere ändert sich auch sofort die Tortengrafik - alles live auf meiner kleinen Computerhandtasche. Da spielte sich irgendwas zwischen Erstaunen und Entsetzen in ihren Gesichtern ab.

Privat nutze ich ausschließlich Macs. Eine Ausnahme bildeten die 90iger als ich selbständig war. Buchhaltung gab es auf dem Mac nur für irgendwelche Agenturen und sauteuer. Da lief separat noch ein Windoof-Rechner.

Trotzdem wurde ich immer wieder damit konfrontiert, dass bestimmte Funktionen nur über die Shell zugänglich waren. Ich frage mich bis heute wieso? Wollte man sie für den normalen DAU unzugänglich halten oder hält man es nicht für notwendig sie grafisch umzusetzen, weil die „echten Experten“ sowieso lieber Zeichenketten tippen? Man weiß es nicht.

Aktuell beschäftige ich mich mit dem Thema Smarthome. Und wieder stürzen sie auf mich ein: Textwüsten wie YAML-Dateien oder unleserliche kryptische Javascript-Programme. Um meine abgefu…ten Tuya-Geräte zu flashen soll ich mir irgendwo Unix installieren und ellenlange Befehle eingeben ….

HALLO WELT! Es ist 2024. Vor 40 Jahren begann mit dem Mac die Computerrevolution. Und obwohl es - im übertragenen Sinne - inzwischen Messer und Sägen gibt schlagen wir nach wie vor Faustkeile mit denen wir arbeiten.

Dabei gibt es doch die Tools, um alles grafisch zu erledigen: kann sich noch jemand an das geile Hypercard erinnern?

Wir wissen inzwischen, dass es verschiedene Varianten des menschlichen Gehirns gibt. Manche Menschen denken abstrakt, andere sehr bildhaft. Aber dürfen wir die moderne Technologie nur denen vorbehalten, die abstrakt denken? Die nicht „rechnen“ müssen, weil sich das Ergebnis aus den Zahlen erschließt - die aber drei Minuten benötigen um den Inhalt eines Bildes zu erfassen und nicht in der Lage sind in Worten wiederzugeben was sie da gesehen haben, geschweige denn nach einem halben Tag noch die Autonummer aus Bild 17 wissen.

Moderne Technologien sind doch für alle Menschen da und sollten von allen genutzt werden können.
 
„clarisworks“ erinnert mich wie „digital darkroom“ und „pagemaker“ sowie „freehand“ auch an die mac-urzeit. 🤩
habe (designertypisch) seit 1985 nie etwas anderes genutzt, aber den programmierhintergrund nie gehabt und verstanden.
 
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