Das ist es ja auch, was nach meiner Einschätzung die Lage in GR so schwierig macht, es muss eben nicht einfach nur ein Sparpaket und Reformen durchgedrückt werden, sondern zugleich auch eine 'Mentalitätsänderung' hergestellt werden, die vor allem auch das Verhältnis von Bürger und Staat betrifft.
Ja, das Verhältnis von Bürger und Staat ist in Griechenland ein grosses Problem. Auf der einen Seite haben Generationen von Leuten darauf hin gearbeitet, einen sicheren Beamtenjob zu bekommen, auf der anderen Seite lehnt man alles staatliche instinktiv ab. Das ist natürlich historisch bedingt, und war in der Vergangenheit sicher vorteilhaft. So sagen sich die Leute, daß sie mit ihrem Geld besser umgehen können als der Staat, der es für irgendwas verschleudert was ihnen keinen direkt sichtbaren Vorteil bringt (was ja
gefühlt auch stimmt: es gibt in Griechenland viele "Reiche", während der Staat bettelarm ist; das verstärkt sich gegenseitig).
Und so etwas geht immer mit viel Widerstand einher, der wiederum nur mit viel Entschiedenheit der Politik aufgefangen werden kann. Deswegen ist es auch gut, das viel Druck gemacht wird, auch von der EU.
Deutschland ist übrigens auf dem besten Weg zu genau der gleichen Mentalität, siehe auch die Diskussionen hier; es ist ja nachgerade schick, dem Staat zu misstrauen - und wenn man die Möglichkeit hätte, würden die Leute lieber ihr Geld behalten als es über Steuern in die Rettung des Euro zu stecken. Es ist schon kurios, daß in Deutschland die gleichen Leute vehement eine Mentalitätsänderung der Griechen fordern, im eigenen Land aber genau in die entgegen gesetzt Richtung galoppieren.
Ob Druck das beste Mittel ist, um Dinge zu ändern, ist eine andere Frage. "Mentalität" ist ja nichts anderes als die Summe von Verhaltensweisen, um in einer gegebenen Umgebung zurecht zu kommen - und hat daher viel damit zu tun welche Verhaltensweisen gefühlt "belohnt" werden. Ändert man die Rahmenbedingungen, ändert sich ganz automatisch auch die Mentalität. Wenn es sich immer auszahlt, den Staat zu besche!ssen, dann tun die Leute das. Wenn Steuerehrlichkeit belohnt wird, lassen sie es.
Wenn der
Staat von der EU Druck bekommt, Reformen durchzuführen, ist das etwas anderes, nämlich eine Rechtfertigung für griechische Politiker, das zu tun was schon lange hätte getan werden müssen, aber sich nicht durchsetzen hat lassen. Insofern bin ich sicher, daß Papandreou und seine Mannen ganz glücklich sind, daß der Druck von aussen kommt.
Und was ich für sehr wichtig halte, ist, dass das griechische Parlament (endlich!) beschlossen hat, die Einkommen der Politiker zu senken, damit nehmen die mal ihre Vorbildfunktion wahr, und zeigen der Bevölkerung: Wir sitzen alle in einem Boot, und die Krise ist weder eine Krise der "da oben" noch der "da unten", sondern ganz Griechenlands, und dass diese Krise nur bewältigt werden kann, wenn alle Abstriche machen.
Das geht bei weitem nicht weit genug. So wie es jetzt geplant ist, verstärkt es bei der Bevölkerung nur den Anschein einer "Alibiveranstaltung". Wenn Papandreou und seine Minister bis zum Ende ihrer Amtszeit auf ihre Diäten verzichten würden (es ist ja nicht so daß sie es sich nicht leisten könnten!), hätte das eine viel stärkere Signalwirkung.
Auch die Immobiliensteuer scheint mir in dem Zusammenhang klug zu sein, weil dabei die Probleme der Trickserei und die Kontrollschwierigkeiten umgangen werden können: die Immobiliengröße steht fest und ist einfach ermittelbar, da kann man man wenig manipulieren.
Da zeigt sich wieder, wie schwer es Deutsche in Deutschland haben, sich die Situation in GR vorzustellen. Die Immobiliengrössen stehen natürlich
nicht exakt fest, genauso wenig wie zum Beispiel der Grundbesitz, sie sind mit legalen Mitteln auch nicht "einfach" ermittelbar (von korrupten Beamten schon gleich gar nicht, und die gibt es natürlich immer noch), und "da kann man wenig manipulieren" gilt in GR für gar nichts...