JürgenggB schrieb:
Als Standard-Lebenssicherung kassieren diese Hartz IV und arbeiten nebenbei schwarz! Nennen dies dann freiberuflich – so mir am Montag bei einem Anruf eines „Freelancers” Grafik – auf meine Frage geschehen, wie er mit 25 Euro Stundensatz seine Kosten tragen könne. So geht es auch! Gruss Jürgen
Hallo Jürgen!
Gib dem Anbieter doch beim nächsten Anruf eine Chance, denn vielleicht sitzt er aufgrund eines schrecklichen Autounfalls im Rollstuhl und hat durch einen alkoholisierten Fernfahrer, der nachts am Steuer seines Lkw eingeschlafen war und somit den tragischen Unfall verursachte, seine Ehefrau und beide Kinder verloren, die den Unfall und das Feuer nicht überlebten. Und als der Mann 5 Wochen später in der Klinik aus dem Koma erwachte, erwarteten ihn die Hiobsbotschaften, das ihn sein Vermieter und Arbeitgeber kündigten, das er nie wieder gehen wird und nie wieder in dem Job arbeiten könnte, den er einst gelernt hat, als Tanzlehrer. Und als ob die vielen Schicksalsschläge noch nicht genug wären, sterben auch noch kurze Zeit später seine Eltern und Schwiegereltern aufgrund von Herzversagen, weil die Stromkonzerne eine Nachzahlung in doppelter Höhe erwarten. Dem Konsumterror vieler Unternehmen stets ausgesetzt, ergreifen auch die Geschwister die Flucht in den Freitod und schon steht der Mann allein auf sich gestellt, aber bedauerlicherweise nicht mehr auf eigenen Beinen und Füßen.
Und dann ruft dieser Mann vor lauter Verzweiflung bei Dir an und bietet seine Dienstleistungen als freiberuflicher Grafiker an. Kenntnisse, die lange Jahre über verborgen blieben und nun reaktiviert werden müssen, um sich gegenüber dem erbitterten Überlebenskamp nicht aufgeben zu müssen, den er mit einem Amt und seiner Umgebung austrägt. Und die einzige Bewaffnung, die ihm geblieben ist, sind sein Kopf, sein Mac (es soll Grafiker geben, die machen in beiden Dingen keinen Unterschied), ein Schreibtisch und ein mickriges Zimmer unter dem Dach, wo es im Sommer heißer wird, als es in der Hölle nicht sein kann. Und Du stellst sein Angebot in Frage, das ein latenter Schrei nach Hilfe ist? Er, der nur noch die Wahl hat, sich aufzugeben oder als Freiberufler den nächsten Sonnenaufgang erleben zu dürfen? Ein irdisches Schicksal, das selbst in größter Not und ein Leben lang gefangen in einem Rollstuhl sitzend, Ideen für eine Kampagne für Einlegesohlen hat, auch wenn niemand erfährt, dass dies ebenso schrecklich wie geschmacklos ist?
Gut, man muss sich nur lange genug einreden, das jeder Mensch, der sich anbietet und unter Wert verkauft, diesen oder anderen Hintergrund mit sich bringt, um für sich selbst rechtfertigen zu können, sich am Schwarzmarkt zu beteiligen, aber die Wahrheit ist vermutlich weniger dramatisch und emotional verpackt. Trotzdem reden sich das genug Agenturen ein, denn wie sonst ist es zu erklären, das sie einen Haufen Freiberufler am Laufen bzw. am Rollen haben, obwohl die Kunden und Projekte seit Monaten ausbleiben? Das kann nur funktionieren, wenn diese „freien“ Mitarbeiter von argen Schicksalen gebeutelt sind – oder einfach nur stinkendfaule Parasiten sind, die auf Kosten einer Gesellschaft leben und stets am Staat vorbei wirtschaften, mit tatkräftiger Unterstützung vieler Unternehmen.
Vielleicht war der Anrufer ein Student (und Verbrecher), der zwar BAföG bezieht, aber lieber Schwarzgeld verdienen möchte, um seine Wochenendabenteuer finanzieren zu können, weniger die Studienkosten. Das ist moralisch zwar ebenso in Frage zu stellen, wie Anbieter, die ebenfalls von öffentlichen Mitteln getragen werden und schwarz arbeiten, aber solange alles „billiger“ zu haben ist, machen selbst jene Behörden keine Rückzieher, in ihren Ausschreibungen nur die jeweils „billigsten“ Anbieter und Preise zu berücksichtigen, obwohl sie doch die moralische Verpflichtung hätten, dem entgegen zu wirken.
Was dem Staat Recht ist, ist dem Bürger billig.
Ja, auch ich lasse meinen Pkw schwarz lackieren, denn besser als akute Korruption ist latentes Handgeld für den guten Zweck. Der wirtschaftliche Schaden, der durch Schwarzarbeit in unserem Land so oft beziffert wird, erscheint gering im Vergleich zu irrsinnigen Steuergeschenken und Projekten, die Milliarden an Steuergeldern verpulvern. Schwarzarbeit macht Sinn, weil Bürger (und Unternehmen) davon profitieren. Auch die Regierung! Berücksichtigt man die Bauvorhaben öffentlicher Träger, wäre Berlin ohne Schwarzarbeit und anderer dubioser Machenschaften nicht das, was Berlin heute ist. Gilt auch für jede andere Stadt auf dieser Welt. Stets der billigste Anbieter erhält den Zuschlag.
- Sterling (The Return)