"Jonas seine Pizza"

Nur um das klarzustellen. Ich komme aus Ostwestfalen. Genzugenommen aus OWL, das ist nahe an Hannover, daher spricht man auch bei uns vorwiegend Hochdeutsch. Dass es auch andere Dialekte gibt, ist mir wohl klar, möchte ich auch nicht abstreiten oder ändern. Mittlerweile wohne ich in Berlin, da höre ich ohnehin noch ganz andere furchtbare Sachen. Mir wurde allerdings noch nie gesagt, dass der Ausdruck "Jonas seine Pizza" korrekt sei.
Angenommen, ich hätte das früher in einer Deutschklausur geschrieben, dann hätte mein Deutschlehrer mir das Ding um die Ohren gehauen. Da frage ich mich doch, wie die Grammatik korrigieren können, wenn es kein richtig oder falsch gibt.

Es gibt Lehrbücher für die Schulen. Übrigens, auch Lehrbücher für Schulen wandeln sich.

Es gibt jedenfalls keine staatlich festgeschriebene Grammatik der Deutschen Schriftsprache. (Unsere linksrheinischen Nachbarn haben IMHO sowas für das Französische). Genauso gibt es natürlich den Duden, aber das ist auch wie bekannt ein sich entwickelndes Werk.
 
Genauso gibt es natürlich den Duden, aber das ist auch wie bekannt ein sich entwickelndes Werk.
Ich habe allerdings den Eindruck manche erwarten, dass sich Sprache heutzutage in Echtzeit zu wandeln hat - nach dem Motto:

Wenn ich heute schon 3x "nen" statt "einen" geschrieben habe hat das gefälligst im Duden Berücksichtigung zu finden! :D
 
Man kann es sich auch kompliziert machen. Einfach dagegen ist, festzustellen, daß "falsch" das ist, was von keinem deutschen Muttersprachler als richtig angesehen wird: "Der Haus ist grosser" zum Beispiel. Während in vielen Sprachen das Adjektiv beim (Hilfs-)Verb "sein" dem Substantiv in Geschlecht und Anzahl folgen muß, ist das im Deutschen grammatikalisch schlicht und einfach falsch. Eben in dem Sinne, daß es kein deutscher Muttersprachler so verwenden würde. Genauso ist falsch, das falsche Geschlecht zu verwenden ("der" Haus statt "das" Haus). Das ist auch nicht verhandelbar im Sinne, daß es im einen Dialekt so heißt und im anderen anders.
 
Ich habe allerding den Eindruck manche erwarten, dass sich Sprache heutzutage in Echtzeit zu wandeln hat - nach dem Motto:

Wenn ich heute schon 3x "nen" statt "einen" geschrieben habe hat das gefälligst im Duden Berücksichtigung zu finden! :D

"nen" statt "einen" ist ok ("Ich kauf mir nen Computer"), aber "nen" statt "ein" ("Das ist nen Computer von Apple") ist grauenvoll - liest man aber leider auch hier immer mehr...
 
um ein bestimmtes Milieu bzw. einen bestimmten Bildungsstand
Aha. Demnach haben alle Ruhrpottler einen niedrigen IQ? Denn das ist hier Dialekt.:mad:

Damit ist diese Konstruktion wohl einzig im etwas rückständigen Standarddeutsch
Gleiche Kerbe.

Und von Schriftsprache war am Anfang des Threads nicht die Rede.
 
Da fällt mir doch gleich der schwäbisch-türkische Kultfilm "Dei Muddr sei Gsicht" ein :D
 
Natürlich ist sie grausam. Jeder Verlag merzt so eine Formulierung aus …
:suspect: Auch du verwechselst wieder Schreiben mit Sprechen.

Wir haben es doch mit drei Ebenen zu tun:

(1) Gesprochene Sprache
(2) Verschriftete gesprochene Sprache
(3) Schriftsprache

Letztere ist u.a. im Interesse allgemeiner Verständlichkeit in der einen oder anderen Weise normiert. Die deutsche Schriftsprache versucht, Regionalismen zu vermeiden (obwohl sie selber historisch eben nur bestimmten mittel- und oberdeutschen Regionalvarianten entstammt) und nimmt neue Regionalismen nur sehr zögerlich auf.

Deren Aufnahme ist, nachdem es erstmal eine Schriftsprache gibt, von so ziemlich den gleichen Faktoren des Sprachwandels abhängig, wie bei der gesprochenen Sprache. Sie wird aber durch ernannte (etwa »Duden«) oder selbsternannte (etwa »Verein für Dt. Sprache«[SUP]1[/SUP]) Institutionen der Sprachpflege (eigentlich Schreibpflege) gebremst.

Der TE hingegen fragt zur gesprochenen Sprache (siehe Log#1).
Hier hat jede(r) schlicht zu akzeptieren, dass er/sie, der/die gewöhnlich in einem bestimmten Mundart-/Dialekt-Gebiet sprachsozialisiert wurde, damit Leben muss, dass es im im Vergleich zu anderen Sprachen riesigen deutschen Sprachraum nunmal mehr als nur seine/ihre Varietät gibt.

Warum denn sei jene grammatikalische Konstruktion »grausam«?
Doch wohl nur, weil dir gegenüber irgendjemand mit zugebilligter, nicht infragegestellter Kompetenz behauptet hat, es sei grausam. Und dieser ganz offenbar völlig verkennt, dass sie in einem für einen einzelnen Menschen ebenso riesigen Sprachraum zwischen Antwerpen und der niederdeutschen Tiefebene tägliche Praxis, im niederländischen Teil des niederländisch-niederdeutschen Sprachkontinuums sogar schriftsprachlich ist.
:cool:
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[SUP]1[/SUP] Wobei dieser bei der Lexik bereits an der gesprochenen Sprache ansetzt.
 
Regionale Dialekte oder Spaß- bzw. Schusselformulierungen haben in der Schriftsprache nichts verloren.
Der heutige Threadtitel "Welche HD für im Auto?" ist auch so ein Beispiel.
Stimmt zwar grundsätzlich.
Aber immer daran denken, dass die Schriftsprache ebenfalls nur aus lokalen Varietäten hervorgegangen ist, die zufällig und/oder gestützt von politischen Entwickungen zur Schriftsprache erhoben wurden. Nach dem Motto: »wir haben schon eine oder zwei Genitiv- oder Possessiv-Konstruktionen, wir brauchen keine dritte«.

Und jetzt das Spezielle:
Dieses Forum gehört m.E. zur Kategorie der verschrifteten gesprochenen Sprache (widrigenfalls hätte so mancher Forensiker hier in Unkenntnis von Fachbegriffen Schwierigkeiten, seine technischen Probleme zu Tastatur zu bringen). Besagter Threadtitel ist nur ein Reflex auf diesen Umstand.
 
Zuletzt bearbeitet:
In den Oberdeutschen … Dialekten/Sprachen ist diese Genitivkonstruktion allerdings auch vorhanden. Aus erster Hand kenne ich es aus dem Südfränkischen, das zwischen Heidelberg und Karlsruhe gesprochen wird. Damit ist diese Konstruktion wohl einzig im etwas rückständigen Standarddeutsch nicht vorhanden …
Zur Klarstellung:
Ich wollte nicht zwingend behaupten, dass andere Sprachgebiete diese Konstruktion nicht haben; wohl aber, dass es dies im niederländisch-niederdeutschen Sprachkontinuum sicher gibt und im Niederländischen (und so nebenbei Afrikaans) auch schriftsprachlich ist.
 
… Angenommen, ich hätte das früher in einer Deutschklausur geschrieben, dann hätte mein Deutschlehrer mir das Ding um die Ohren gehauen. Da frage ich mich doch, wie die Grammatik korrigieren können, wenn es kein richtig oder falsch gibt.
Wie gesagt: Deutschklausur: Schriftsprache, nicht gesprochene Sprache.

Richtig und falsch gibt’s nur sprachsynchron im Vergleich zur jeweils angewendeten Sprach- oder Schreibnorm. Diachron lösen sich richtig und falsch schnell in Wohlgefallen auf.
 
… Genauso ist falsch, das falsche Geschlecht zu verwenden ("der" Haus statt "das" Haus). Das ist auch nicht verhandelbar im Sinne, daß es im einen Dialekt so heißt und im anderen anders.
Sprachsynchron und für praktische Anwendungsfälle ist das nachvollziehbar.

Deine Argumentation wird aber schnell trüb, wenn innerhalb derselben Sprache diachron/historisch oder bei nah verwandten Sprachen sogar synchron verglichen wird.

Oder wie konnte »der Krake« zu »die Krake«, »der Schneck« zu »die Schnecke« oder (jetzt wird’s bildungsnah) »der Sphinx« zu »die Sphinx« mutieren? Oder bei nah verwandten Sprachen dt. »das Auto«, im ndl. aber »de auto« und nicht »het auto«, wo wohl das Sprachgefühl (vielleicht nach frz. Vorbild) beim Auto zum Utrum (oder nach frz. Vorbild Femininum) geführt hat.
 
Zuletzt bearbeitet:
Der TE hingegen fragt zur gesprochenen Sprache (siehe Log#1).

Nein, das denke ich nicht, weil es sinnlos wäre.

Es geht logischerweise um korrektes Deutsch, an das sich auch z.B. Nachrichtensprecher
in Deutschland nicht nur beim Schreiben, sondern auch beim Sprechen halten.

Die genannte Formulierung ist dabei falsch. Und darum geht es.
 
Gängig ist folgende Unterscheidung:

1) Die Standardsprache (= Hochsprache), die

- eine allgemein verbindliche Sprachform ist,
- kodifiziert ist
- und die größte kommunikative Reichweite hat

Sie wird im öffentlichen und offiziellen Raum genutzt (z. B. von Staat, Schulen, Behörden, Gesetzestexten oder in Nachrichtensendungen). Obwohl diese Hochsprache als kodifiziert gilt, existiert im Deutschen keine Einigung darüber, welche Wörter, grammatischen Formen oder welche Aussprache zu dieser Hochsprache gehört. Man muss sich nur die Tagesthemen, die 10vor10 (Nachrichtensendung in der Schweiz) oder die Zeit im Bild (Nachrichtensendung in Österreich) ansehen, um das zu erkennen.

2) Die Substandardsprache (= Umgangssprache), die

- ein großer und heterogener Bereich verschiedener Sprachvarietäten ist,
- von dialektalen und standardsprachlichen Einflüssen geprägt ist
- und regionale Färbungen hat

Diese Umgangssprache wird von den meisten Menschen in Deutschland genutzt – sowohl im privaten als auch öffentlichen Raum.

3) Die Nonstandardsprache (= Dialekt), welche

- kleinräumig gebunden ist mit einer begrenzten räumlichen Geltung und
- dessen orthographische und grammatischen Regeln nicht offiziell normiert sind

Der Dialekt hat die geringste kommunikative Reichweite.

Die genannten drei Sprachformen lassen sich nicht hierarchisch voneinander abgrenzen, auch wenn es auf den ersten Blick so aussieht, sondern die Übergänge zwischen den Formen sind überlappend, eine Form geht in die andere über. Deswegen spricht man von einem Kontinuum. Dieses Kontinuum wird besonders deutlich, wenn man den Sprachgebrauch in Norddeutschland mit dem in Süddeutschland vergleicht. Während die Umgangssprache in Norddeutschland eher an die Standardsprache angelehnt ist, ist die Umgangssprache in Süddeutschland eher an Dialekten angelehnt.

Die Aussage „Jonas seine Pizza“ kann man allen drei Sprachformen (sowohl Dialekt, Umgangssprache als auch Hochsprache) zuordnen. Toleriert wird die Form am ehesten im Dialekt und in der Umgangssprache –*in der Hochsprache aber weniger. Deswegen neigt man dazu zu sagen, dass diese Aussage falsch sei, obwohl es keine festgelegten Regeln gibt, mit denen man das begründen könnte.
 
Hallo fa66,

Ich bin Sprachwissenschaftler. Aber kein Deutschlehrer.

bei diesem Satz ist mir eine Träne aus dem Auge gekullert.

Ich habe in der Schule gewagt in Druckbuchstaben zu schreiben.

Ich wollte auch zuerst mit links schreiben.

Ich habe Mundart nie richtig "lernen" dürfen!

Im Saarland werden Frauen sächlich bezeichnet!?

Deine Mikrotypographie verbessern und Deutsch lehren - bitte - bitte!!!

Gruß Andi
 
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