Mir gefällt die "Frisur" meiner Nachbarin auch nicht, aber ich würde nicht ihren Friseur fragen, weshalb er diese Schandtat an ihr vollzogen hat oder ihm gestatten, dass er glaubt, seine Arbeit mir gegenüber rechtfertigen zu müssen, denn das ändert nichts an ihrem aktuellen Erscheinungsbild. Die Tatsache Opfer zu werden, setzt einen Täter voraus. Der Markt ist voller Anbieter, die selbst für die Lagerung von Schweinejauche im Wohnzimmer noch sachliche Argumente aus irgendwelchen Ratgebern finden würden, in denen exakt beschrieben steht, wie toll sich Schweinejauche lagern lässt. Am Ende ist und bleibt es jedoch Schweinejauche und ein tolles Begleitheft zu einer Oper verhindert auch nicht, dass einige Zuschauer einschlafen. Die absurde Idee, man könnte den Kunden Schweinejauche als Gold verkaufen, denken sich nur Werbeagenturen aus, aber letztendlich entscheidet der Auftraggeber darüber, wofür er bezahlt und was zum Himmel stinkt. Da kann die Lehre der Ästhetik noch so sehr bemüht und bedient werden; falls der Kunde GRÜN sagt und die Agentur sagt BLAU, dann reichen Erkenntnisse und Quellangaben nicht aus, damit auch der Kunde BLAU sagen wird. Und in diesem Fall hat der Kunde BLAU gesagt, auch wenn sich ein paar Agenturen über das Ergebnis GRÜN ärgern.
Ich vertraue auf die Selbstregulierung durch den Markt, denn in der Praxis gibt es kein BESSER oder SCHLECHTER sondern nur ein ANDERS und darüber entscheiden die Kunden, nicht die Anbieter. Erlaubt ist stets, was gefällt. Erst recht, wenn Kunde dafür bezahlen soll! Wer was anderes in Fragen der Gestaltung praktiziert, war zu lange in der Ausbildung und wird vergessen haben, den Kram von der Uni und Fachhochschule beiseite zu schieben, denn der Faktor Kunde war während des Studiums nie ein Kriterium für die Bewertung! In der Praxis dagegen entscheidet nur er über Erfolg oder Niedergang und den Wert einer Sache, die man für ihn leistet. Wäre es anders, dann würden alle Schweinejauche verkaufen wollen, die nicht mal in der Lage sind, ein Schwein von einem Rind zu unterscheiden. Zugegeben, für Kunden spielt der Unterschied keine Rolle, aber wenn dieser ausdrücklich betont, ein Schwein haben zu wollen, dann sollte man selbst die Unterschiede kennen, um am Ende nicht wie eine dumme Sau dazustehen. Aber das ist KEIN Argument für ein Schwein, denn das muss stets dem Kunden gefallen.
Meine Meinung zu dem Logo der Hausverwaltung (auch wenn mich niemand danach fragt):
Es erfüllt seinen Zweck. Es wurde vom Kunden abgenommen. Er hat gezahlt. Alle Beteiligten sind zufrieden. Was will man mehr? Etwa die Kritiker bedienen, die in dem Ergebnis irgendwelche "Normen" in der Gestaltung suchen und die selbst das Muster auf dem Toilettenpapier ausmessen, um für ihren Seelenfrieden den goldenen Schnitt zu entdecken? Willkommen in der Praxis, liebe Kollegen. Dafür interessieren sich nicht mal Unternehmen, die es sich leisten könnten, darauf zu achten. Natürlich freut es mich immer wieder, wenn die akademische Herleitung und Begründung zu einem Entwurf viel Zeit in Anspruch nimmt und der Kunde bei der Präsentation trotzdem mit dem Kopf schüttelt und dankend ablehnt, obwohl man die "unerschütterlichen" Gesetze von Farbe und Raum richtig interpretierte und diese zur Anwendung brachte, um zu dem einem, dem wahren Ergebnis zu kommen. Doch der Kunde winkt ab, denn es gefällt ihm nicht. Natürlich. Wer dann mit seinem Latein am Ende ist sollte sich freuen, denn danach ist endlich ALLES möglich und es wird Zeit, die ausgelatschten Pfade zu verlassen, die Agenturen und andere Anbieter stets als Orientierung und Regelwerk betonen. Und wie so oft im Leben, liegen sie mit ihren "professionellen" Ergebnissen ebenso falsch bei ihren Kunden, wie die Leistungen eines Schülers, der ohne das geballte Hintergrundwissen über Gestaltung spontan einen Treffer landen kann. Nicht in diesem Fall, aber vielleicht beim nächsten Mal.
- Sterling