Ich werde weiter ausgiebig testen solange es geht, alles mal zusammenschreiben und dann hier mein Fazit posten.
....was ich hiermit nachhole:
Bin am Ende meiner Evaluierungsphase angelangt und habe eine Entscheidung getroffen. Ich habe die letzten drei Wochen etliche Stunden sowohl mit Lightroom als auch Capture One verbracht und habe dabei alles mögliche auf Herz und Nieren geprüft. Wie ich ja schon geschrieben habe, ist das ganze für einen 10-jährigen Aperture-Veteran seit der Version 1.0 leider sehr ernüchternd. Da ich mir die größeren Releases von Lightroom immer mal wieder über die Jahre angeschaut habe (aber nie wirklich in der Tiefe), war mir das meiste an Defiziten von LR schon bekannt. Bei Capture One war ich dann doch schon ziemlich enttäuscht über das, was ich vorgefunden habe, da meine letzte Berührung mit C1 die Version 3.7 im Jahr 2005 war, bevor Apple die 1.0 von Aperture veröffentlicht hat. Ich dachte, dass man in 10 Jahren mehr aufholen kann.
Trotz allem hat die Übung mal wieder Spaß gemacht, weil man bei sowas immer viel lernt. Ich glaube, dass ich jetzt die einzelnen Tools sehr gut einschätzen kann. Meine Kritikpunkte sind auf
meine individuelle Arbeitsweise und
meine Prioritäten bezogen. Jeder sieht das etwas anders, das ist völlig normal. Was dem einen auf den Sack geht, ist dem anderen vollkommen egal.
Bezogen auf eure Empörung, was ich an Tatenlosigkeit bei Phase One und Adobe ausgemacht habe, folgendes:
Capture One:
- Abstürze ohne Ende. 3 Komplettabstürze innerhalb der ersten 45 Minuten nach Installation der Trial-Version (da konnte ich ja noch nicht viel gemacht haben). 2 weitere Vollabstürze zwei Tage später. Gerade vorhin beim Wechseln des Katalogs erneut. Gleich mal vorab: MacPro 2010, 12 Gig RAM, OS X auf SSD, 430 Gig Fotos/Libraries auf SATA-HD.
- Scheiß langsam. Zoom ins Bild und dann mit dem Hand-Tool hin und her zoomen: ruckel-zuckel. Aperture+Lightroom: absolut verzögerungsfrei. Malen von Masken bei Local Adjustments ist ein Geduldsspiel. Mit Magic Trackpad geht das gar nicht, mußte dafür extra meine alte Maus aus der Schublade holen. Auch hier: Aperture+Lightroom: geschmeidig
- Full Screen-Modus und generelles Window-Behavior: nicht so ganz OS X-konform, teils merkwürdig. Über den unzulänglichen Full Screen-Modus rege ich mich schon gar nicht mehr auf, das hat bis heute nur Apple kapiert, wie das geht (s.u.)
- C1 kennt kein Stacking. Man kann Versionen eines RAW's stacken, aber nicht mehrere verschiedene Bilder (automatisch über EXIF), die z.B. kurz nacheinander geschossen wurden. Bei meiner heutigen Fotografiererei nicht mehr soooo wichtig, aber zu meiner Motorsport-Zeit wäre das ein dealbreaker gewesen. Trotzdem: What. The. Fokk, Phase One?
- die Slideshow-Funktion hat soviele Features wie die Slideshows im Finder oder in der Vorschau: Null
- C1 hat zwar eine Lupe wie Aperture, man kann sie aber nicht einfach an einer Stelle fixieren wie bei Aperture: Man muß die Taste die ganze Zeit gedrückt halten, was irgendwie den Sinn der Lupe ignoriert (Anpassen des Bilds bei Betrachten von Details). Von der stark konfigurierbaren Lupe bei Aperture mal ganz abgesehen, man kann nix einstellen.
- Es gibt keine brauchbaren Metadaten-Overlays. Man kann unterhalb der Bilder eine Leiste einblenden, aber eben nur unterhalb (Bild wird kleiner) und nicht transparent darüber. Was noch mehr stört: man absolut gar nichts konfigurieren, obwohl aufgrund der Minischrift genug Platz wäre
- Local Adjustments nur
extrem eingeschränkt möglich. Wenn man von Aperture gewohnt ist, dass man
alles per Brush in das Bild reinpinseln kann und wenn man Bock hat, auch mehrmals übereinander (mehrere Kurven z.B.), dann steht man vor der Local Adjustments-Palette von C1 und fragt sich: wie bitte? Das ist alles? Einer meiner ersten Versuche war ein Color Key von Aperture nachzubilden, um die Qualität zu vergleichen. Stellte dann fest, dass man nicht mal B/W in das Bild auftragen kann (oder Farbe wegtragen, wie auch immer). Aber Aperture ist natürlich bei den Bearbeitungen schlechter, weil eine perspektivische Verzerrung fehlt, klar...
- Das ganze DAM ist mehr Anhängsel als integraler Bestandteil. Man merkt klar, dass das alles mit heißer Nadel gestrickt und angehängt wurde und das Programm seinen Ursprung als reiner Konverter hat (Sessions, Processing etc.). Man kann kein Smart Alben da anlegen, wo man sie gerne hätte. Man kann nicht frei auswählen, auf welche Quelle sich ein Smart Album beziehen soll. Die Liste an möglichen Filtern ist extrem eingeschränkt, man kann noch nicht mal filtern, welche Bilder schon bearbeitet wurden und welche nicht. Wenn man Folder anlegt, z.B. für mehrere "Projekte", dann kann man auf der Folder-Ebene nichts sehen, wenn man drauf klickt. Man muß jedes einzelne Projekt anklicken. Wenn ich in den User Collections (Alben etc.) was lösche, wird es
nur dort virtuell gelöscht. Um ein Bild endgültig aus dem Katalog zu löschen, muß man im Katalog auf "All Images" gehen. Bei 28.000 Bildern wie bei mir: Spinning Beachball, here we come (siehe erster Punkt). Das ist im Grunde, als hätte man in Aperture nur ein Projekt für alle Bilder. Phase One geht wohl davon aus, dass man sich mehrere Kataloge anlegt. Da man aber nicht katalogübergreifend suchen kann, ist diese Vorstellung ein Witz. Mit anderen Worten: man hat in Dänemark den Sinn einer datenbank-gebundenen one-stop-solution ala Aperture immer noch nicht verstanden.
- die Slider der Adjustments haben keine Pfeile links/rechts, mit denen man die Bearbeitung in kleinen Schritten vornehmen könnte. Man braucht extrem viel Fingerspitzengefühl, um genau den Wert zu finden, den man sucht. Das ist so eine der kleinen, feinen Funktionen, die man erst vermisst, wenn man sie nicht mehr hat.
- Keine Fotobücher. Ok, wohl eher nicht so zielgruppenrelevant für Phase One.
Lightroom:
- Develop/Library/Develop/Library/Develop/Library/Develop/Library.....gnnaaaaaa!!
- Kein richtiger Full Screen-Modus. Keine brauchbare und vernünftige Dual Monitor-Konfiguration. Immer wenn ich LR angeschmissen habe, konnte ich meinen zweiten Monitor zum Schlafen legen. Wird ein Bild bearbeitet, dann ist es immer fix im Develop-Modus angezeigt, mit den Panels links und rechts (die Position der Panels läßt sich noch nicht mal seitenmäßig tauschen, wenn man z.B. Linkshänder ist). Hat man sein Bild dann in "Vollbild" (natürlich kein Vollbild im Sinne von Aperture, irgendein Quatsch wird immer oben/unten wo auch immer angezeigt), dann wird bei Bearbeitung immer erst das (kleinere) Bild auf dem Hauptschirm verändert und mit einer Verzögerung von 1 Sekunde wird die Änderung auch auf dem zweiten Monitor nachvollzogen. Nach 10 Minuten dreht man durch. Es ist nicht möglich, auf einem Monitor nur die Thumbnails anzuzeigen und
von dort das Bild zu bearbeiten. Floating Windows? Nie gehört, wo gibts denn sowas. Nach all den Jahren hat sich bei Lightroom NICHTS getan an der Oberfläche. Das Programm fühlt sich für mich so an, wie
X-Copy auf dem Amiga: eine einzige, nicht konfigurierbare, monolithische Oberfläche. Platzverschwendung ohne Ende. Ich habe hier einen 23" und einen 24" Monitor vor mir und ich kam mir beim Bearbeiten von Bildern noch nie so eingezwängt vor. Lightroom wurde von Anfang an nur für einen Schirm programmiert und daran hat sich seit 2007 nichts geändert. Aber halt! Man kann sein eigenes Logo oben links einblenden und - extrem umsichtig von Adobe - die saugeilen "end marks" konfigurieren, die das Ende der Panel graphisch signalisieren! Halleluja, Adobe! Wenn man "customising lightroom interface" in Google eingibt, dann erscheint das ganz oben. Da sind die Prioritäten 1a verteilt.
- Keine managed Library. Überhaupt ist alles bei Lightroom sklavisch an der Folder-Struktur ausgerichtet. Die Folder-Struktur ist Lightroom heilig. Man will gar nicht den Anschein erwecken, man hätte hier dem User eine datenbank-orientierte Lösung vorgesetzt. Von der Philosophie von Aperture, den Finder zu
ersetzen und nicht nur zu ergänzen, ist man Lichtjahre entfernt. Das findet seinen Gipfel in folgendem Problem: man kann keine Bilder stacken, die in zwei verschiedenen Folder auf der HD liegen.
Erde an Adobe: es interessiert mich einen Schei**dreck, in welchem Folder die Bilder liegen. Ich dachte eigentlich, du kümmerst dich darum? Was, ich soll das selber machen? Ok, und dann schreibst du mir trotzdem noch vor,
wie ich das machen soll, damit ich arbeitsfähig bin? F-U.
- Das Lupenproblem von C1 hat Lightroom nicht, weil es gar keine Lupe hat. Man hat eine Zoomfunktion namens "Lupe" eingebaut, um feature parity auf dem Papier zu haben.
- Bestimmte Funktionen gibt es nur in bestimmten Modi. Ich möchte mal ein paar Bilder auf einen Schlag auf dem Bildschirm anschauen. Aperture+C1: einfach mehrere Bilder markieren und fertig, schon hab ich ein Collage auf dem Schirm. Lightroom? Ja nee, so einfach geht das nicht. Du mußt erst im "Library"-Modus sein, und da in den "Survey"-Modus gehen, dann geht das. Wir wollen doch nicht, dass du beim "Developen" abgelenkt wirst, gelle?
- Im Gegensatz zu C1 kann man hier die Metadata-Overlays ausgiebig konfigurieren, nur schade dass sie viel zu groß sind und das Bild unschön überlagern.
- Man mag es kaum glauben, aber es läßt sich nicht mal die Tastenbelegung ändern. Am Ende des Tages ist alles Gewöhnungssache, aber meine Fresse....
- Local Adjustments auch hier stark eingegrenzt
- Die Pfeile im Bearbeitungsfenster fehlen hier auch
Man kann es wie folgt zusammenfassen: C1 kaum DAM, gutes Interface. Lightroom kack Interface, ausgefeiltes DAM (aber mit der falschen Philosophie).
(Teil 2 folgt)