Zugunglück in Bad Aibling

MacEnroe

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Hallo,
nun ist es ja offiziell: Ein Bahnangestellter soll schuld sein. Er habe ein falsches Signal
(3 weiße Lichter „freie Fahrt“) gegeben.

Es wird aber nirgendwo erwähnt, warum das Sicherheits-System nicht funktioniert hat.
Es müssten doch automatisch die Züge gestoppt werden oder zumindest ein Notsignal
im Führerhaus aufleuchten. Warum ist das nicht geschehen?
Kann mich da jemand aufklären, der sich da besser auskennt?
 
Wieso wurden die Sicherungseinrichtungen ausgehebelt?
"Im Praxisbetrieb gebe es immer wieder Situationen, bei denen dies erforderlich ist, heißt es bei Bahnexperten."

Meine Meinung: Eine Sicherheitseinrichtung, egal ob nun die Sicherheitsschaltung bei der Bahn die ein Zusammentreffen von Zügen verhindert, oder der Funktransponder bei Flugzeugen sollte unausschaltbar sein.
 
Ich kenne mich nicht aus - in den Narichten haben sie aber gesagt das der Bahnangestellte dieses Notfallsystem durch sein Signal " übersteuert hat"
 
Das Sicherheitssystem hat funktioniert:

„DB Netz macht im Hinblick auf die Sicherheitstechnik keine Unterschiede zwischen ein- und mehrgleisigen Strecken. Das Netz wird flächendeckend durch das System "punktförmige Zugbeeinflussung" gesichert: Magnete im Gleisbett sind dabei mit den Signalen an der Strecke verkabelt, ein Gerät im Zug wiederum empfängt von den Magneten Signale. Steht ein Hauptsignal auf Rot, erhält der Lokführer ein Signal – er muss dann mit einer Taste bestätigen, dass er dies bemerkt hat, anderenfalls bremst die Technik im Triebwagen den Zug ab.“

Bad Aibling: Was wir über das Zugunglück wissen

Der Fahrdienstleiter hat die Möglichkeit neben ein rot stehendes Signal ein weiteres Signal zu schalten, welches dann neben dem roten Signal gleichzeitig angezeigt wird (glaube es sind drei weiße Leuchtpunkte). Sieht ein Lokführer neben einem rot stehenden Hauptsignal dieses vom Fahrdienstleiter im Stellwerk zusätzlich gegebene Signal, dann bedeutet das so viel wie: „Fahren Sie trotz des Rot zeigenden Signals weiter."

Heißt erst einmal, dass ein Lokführer bewusst über ein rot stehendes Signal fahren und die Zwangsbremsung umgehen kann, wenn er dies mit dem Drücken eines Knopfes anzeigt. Würde er den Knopf nicht drücken, setzt die Zwangsbremsung durch das Sicherheitssystem ein.

Vergleichbar ist das mit Ampeln, die über einen Grünpfeil verfügen. Obwohl die Ampel rot zeigt, kann man die Ampel bei einem Grünpfeil mit dem Auto überqueren.
 
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Danke, Fidefux!!

Anscheinend ist das Sicherheitssystem etwas „labil“ und spinnt ab und zu. Anders lässt
sich das in meinen Augen nicht erklären:

Wenn es 100% richtig anzeigen würde, und „Fehl-Meldungen“ des Systems nicht vorkommen,
dann hätte der Lokführer doch garantiert angehalten oder wäre zumindest höchst besorgt gewesen
und hätte noch lieber dreimal nachgefragt.

Und wenn das System nicht fehlerhaft wäre (und öfter mal falsch auslöst) dann würde man
es nicht so einfach mit einem Knopfdruck aushebeln können.
 
Also sagen wir es mal so: Es hat nicht an einem defekten Sicherungssystem gelegen, dass es zu der Kollision gab. Denn das System hat genau so funktioniert, wie es funktionieren sollte. Zur Kollision kam es wegen menschlichen Versagens, da der Lokführer die Information von einer höher gestellten Instanz (Fahrdienstleiter) erhalten hat, das Sicherungssystem bewusst zu übergehen.

Hier ist es aber nicht notwendig - meiner Meinung nach - dieses Umgehen des Sicherungssystems an der Eisenbahnstrecke komplett unmöglich zu machen, da es genügend Fälle gibt, in denen das notwendig ist. Es gibt rote Signale, die überfahrbar sein müssen, sei es, weil das Signal defekt ist, ein Zug rangieren muss usw.

Es scheint aber eher an einem zuverlässigeren Sicherungssystem im Stellwerk zu mangeln, da von hier aus die falsche Handlungsanweisung gegeben worden ist. Auch gibt es Kollisionswarntechniken (mit GPS), die teuer sind, in jeden Zug eingebaut werden müssten und wegen ihrer Kosten noch nicht flächendeckend eingesetzt werden. Ich hoffe, dass sich da jetzt etwas ändert!
 
Hier ist es aber nicht notwendig - meiner Meinung nach - dieses Umgehen des Sicherungssystems an der Eisenbahnstrecke komplett unmöglich zu machen, da es genügend Fälle gibt, in denen das notwendig ist. Es gibt rote Signale, die überfahrbar sein müssen, sei es, weil das Signal defekt ist, ein Zug rangieren muss usw.

Aber je öfter ich (als Lokführer) einen Roten Knopf drücke, um ein Sicherheits-System auszuschalten,
desto eher passiert doch so etwas.

Zumindest bei 100 kmh auf offener Strecke könnte man dieses „Ausschalten“ doch verhindern,
oder nicht? Denn da wird nicht rangiert.
 
Ja, es gibt mit Sicherheit Lokführer, die absichtlich über ein rot zeigendes Signal fahren und gleichzeitig diesen Knopf drücken, genauso wie es Autofahrer gibt, die bewusst über eine rote Ampel fahren.

Eine Zwangsbremsung bei dem momentan verwendeten Sicherungssystem bei einer aktiven Hinwegsetzung über das Haltsignal (Knopf drücken) wäre nur möglich, wenn man diese Funktion komplett im Zug selbst komplett abstellt. Heißt, wenn man dieses Knöpfchen abschafft/demontiert.

Mehr Infos dazu gibt es auch hier:

Zugunglück in Bad Aibling: So funktioniert der Verkehr auf eingleisigen Strecken - SPIEGEL ONLINE
Ursachenforschung in Bad Aibling - Das verhängnisvolle Ersatzsignal Zs1 | Bayern
 
Danke, da wird die Sache klarer. In den (gängigen) Medien ist das nicht erwähnt:

Möglicherweise hat der Fahrdienstleiter Zs1 gleich zwei Mal betätigt – anders ist nicht denkbar, dass gleich zwei Sicherungsmechanismen außer Kraft gesetzt wurden. Zum einen die so genannte Punktförmige Zugbeeinflussung (PZB), deren Wirkung der Lokführer bei einem Ersatzsignal zum Passieren des Ausfahrsignals unterbrechen kann. Das ist eigentlich nur erlaubt, wenn – was im Bahnverkehr tatsächlich nicht selten ist – ein Signal eine Störung hat. Eigentlich muss der Triebfahrzeugführer – wovon am Dienstag aber nicht die Rede war – durch Umlegen eines Kippschalters das Überfahren eines „Fahrt“ zeigenden Hauptsignals bestätigen.
 
Was mich in diesem Zusammenhang sehr nachdenklich stimmt, um nicht zu sagen erschreckt, ist die zwischen den Zeilen zu lesende Aussage, dass es sich wohl nicht um ein Ausnahmemanöver sondern um ein im Bahnwesen übliches Prozedere handelt. Wahrscheinlich wird es deutschlandweit täglich dutzendfach durchgeführt.
 
Zur Sache gibts eigentlich nur soviel zu sagen, als dass der Fahrdienstleiter dem Triebfahrzeugführer Ersatzsignal Zs1 (drei weiße Lichter in Form eines A (im HV-Signalsystem, bzw. ein weißes Blinklicht im Ks- oder Hl-Signalsystem)) gegeben hat. Für den Tf stellt sich anschließend gar nicht die Frage, warum der Fdl das gemacht hat, weil Letzterer das Freigeben der Strecke zu überwachen und dann zu verantworten hat.

EBA-ESO-Zs1.jpg
Aus der
»Zusammenstellung der Bestimmungen der Eisenbahn-Signalordnung 1959 (ESO 1959), einschließlich der gemäß ESO (4) genehmigten Signale mit vorübergehender Gültigkeit und der gemäß ESO (5) erlassenen Anweisungen zur Durchführung der ESO, gültig für das Netz der Eisenbahnen des Bundes (EdB).«
Hier in der Form vom 31.1.2014.


Warum der Fdl am Stellpult die Rotausleuchtung der Strecke (Belegung durch anderen Zug) nicht wahrgenommen hat, wurde zumindest öffentlich noch nicht erläutert.

Selbstverständlich bleiben viele Frage bisher, und möglicherweise für immer, unbeantwortet. Etwa dass beide auf den auch nur möglicherweise zu erwartenden Gegenzug (Strecken- und hier vor allem Fahrplankenntnis) hingewiesen hätten.

Dass auch haltzeigende Signale überfahren werden können müssen, ist durch die Notwendigkeiten im Betriebsablauf bedingt. Im Schienenverkehrswesen gilt Rot (alias Hp0 im deutschen Eisenbahnsprech) eben nicht immer als Halt (schon bei Rangierfahrten wird dieses über Sh1 (zwei weiße nach rechts steigende Lichter) für den definierten Rangierbereich aufgehoben). Und dann gibt’s auch noch Fahrbefehle und Sperrfahrten.

Da helfen, die infragekommenden Bedingungen im Hinterkopf behaltend, auch die Forderungen nach einer Unmöglichkeit des Gebens von Zs1 oder eines Fahrbefehls nicht. Es würde den tatsächlichen Betriebsablauf regelrecht lahmlegen.
 
dass es sich wohl nicht um ein Ausnahmemanöver sondern um ein im Bahnwesen übliches Prozedere handelt
In welchem Sinne »üblich«?
»Üblich« als etwas, das permanent stattfindet? Nein.
»Üblich« als dass es festgelegte Regularien über die Verwendung gibt EDIT: und die dann im Eintrittsfall auch angewendet werden? Ja.
 
In welchem Sinne »üblich«?
»Üblich« als etwas, das permanent stattfindet? Nein.
»Üblich« als dass es festgelegte Regularien über die Verwendung gibt? Ja.

Danke für die Auskunft, da wird es etwas klarer.

Vielleicht ist ja besser, dass man nicht alles weiss, was hinter den Kulissen so abgeht. Egal ob Bahn, Flugzeug etc.
 
Ja, es gibt mit Sicherheit Lokführer, die absichtlich über ein rot zeigendes Signal fahren und gleichzeitig diesen Knopf drücken, genauso wie es Autofahrer gibt, die bewusst über eine rote Ampel fahren
Nee. Nicht vergleichbar. Denn im Gegensatz zum Autofahrer wird die Handlung protokolliert – und bereits dem Fdl auffallen. Der Tf würde sich für sein Tun verantworten müssen.
 
Nee. Nicht vergleichbar. Denn im Gegensatz zum Autofahrer wird die Handlung protokolliert – und bereits dem Fdl auffallen. Der Tf würde sich für sein Tun verantworten müssen.

Das meinte ich ja: Dass der Lokführer ein „Halt“-zeigendes Signal überfährt, ohne dass der Fahrdienstleiter diesen Vorgang freigegeben gegeben hat. Der Vergleich mit dem Auto ist eher bildhaft gemeint - hier protokolliert natürlich niemand etwas. Außer vielleicht die Polizei, wenn sie gerade in Sichtweite ist ;)
 
Es ist erschreckend was die Medien so anrichten mit dem ahnungslosen Bürger in Sachen Eisenbahn! Einerseits verständlich ,denn das System ist sehr komplex und für einen Außenstehenden schwer zu verstehen. Ich kann das irgendwo nachvollziehen ,bin seit 42 Jahren Fahrdienstleiter bei der Bahn. Wenn Alles geht und keine Störung vorliegt ist die Bahn absolut sicher. Wenn zum Bsp die grüne Glühbirne am Lichtsignal defekt ist kann der Fahrdienstleiter es nicht auf Fahrt stellen. Da hat er zwei Möglichkeiten den Zug noch abfahren zulassen. 1. Er gibt dem Lokführer einen schriftlichen Befehl. Fernmündlich mit Name,Datum u Uhrzeit das er an dem haltzeigendem Signal vorbeifahren kann,oder er bedient das Ersatzsignal (das geht schneller) Das Ersatzsignal hat ein nicht manipulierbares Zählwerk .
Jede Nummer muß nachgewiesen werden und wofür. Datum u Uhrzeit. In diesem Fall hat er wohl total ausgeblendet das er der Fahrt auf der eingleisigen Strecke schon zugestimmt (elektronisch).Als er seinen Zug abfahren lassen wollte ging natürlich das Signal nicht auf Fahrt. Das hätte er hinterfragen müssen. Er hat das Ersatzsignal bedient und später seinen Fehler bemerkt(siehe Notruf --die hat er ja noch abgegeben.

Muß nochmal was loswerden, Thema Schranken. Da sind ja die Medien auch jenseits von gut und böse. Die böse Bahn!!! Hat von denen jemand schon mal in die StVO geschaut was da bei Andreaskreuz steht?.............

Nochmal zum Thema -: Wir sind Menschen, Menschen machen Fehler so traurig es ist
 
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Das Sicherheitssystem hat funktioniert:

„DB Netz macht im Hinblick auf die Sicherheitstechnik keine Unterschiede zwischen ein- und mehrgleisigen Strecken.

Was ja schon mal eine saudumme Idee ist... Selbstverständlich müsste eine eingleisige Strecke besser geschützt werden.
 
Das meinte ich ja: Dass der Lokführer ein „Halt“-zeigendes Signal überfährt, ohne dass der Fahrdienstleiter diesen Vorgang freigegeben gegeben hat.
Eisenbahnunfall-Untersuchungsstelle des Bundes (EUB) - Fachmitteilungen - Untersuchungen zum Bahnübergangsunfall in Remscheid Hbf aufgenommen
Hier liegt, nach Medienberichten, wohl der Fall vor, dass der Tf bei Abfahrt aus Remscheid Hbf iRi Solingen nach Überfahren des Hp0-zeigenden Asigs eine Zwangsbremsung erhalten, die Fahrsperre dann aber manuell ohne Rücksprache mit dem Fdl aufgehoben habe.
Auf dieser zweigleisigen Strecke wääääre wohl eisenbahnintern nix weiter passiert, da die (Diesel-)S-Bahn zu der Zeit der einzigen Streckenteilnehmer gewesen wäre, was der Tf allerdings dabei übersehen hat, ist die Koppelung mit der BÜ-Sicherung in der Folge der Strecke; sodass der BÜ ungesichert war und der Zug dann in einen querenden Pkw gerasselt ist.
 
Da helfen, die infragekommenden Bedingungen im Hinterkopf behaltend, auch die Forderungen nach einer Unmöglichkeit des Gebens von Zs1 oder eines Fahrbefehls nicht. Es würde den tatsächlichen Betriebsablauf regelrecht lahmlegen.

Inwiefern würde es den Bahnverkehr lahmlegen, wenn bei 2 Zügen auf offener Strecke,
die in geringem Abstand auf gleicher Teilstrecke aufeinander zufahren, der „rote Knopf“
außer Kraft gesetzt wäre?

In welchen Fällen fahren Züge „regulär“ im gleichen Abschnitt aufeinander zu?
 
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