walfrieda
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Dürfen tun sie es... Gut finde ich es nicht, vor allem nicht, wenn ein Bundespräsident das vorschlägt.
Nach Gauck ist das hier der 1. Schritt...
"Mehr Europa heißt nämlich nicht nur Mehrsprachigkeit für die Eliten, sondern Mehrsprachigkeit für immer größere Bevölkerungsgruppen, für immer mehr Menschen, schließlich für alle! Ich bin überzeugt, dass in Europa beides nebeneinander leben kann: Beheimatung in der eigenen Muttersprache und ihrer Poesie und ein praktikables Englisch für alle Lebenslagen und Lebensalter."
Das ist mit grossem Abstand das vernünftigste, was ein Bundespräsident in den letzten 25 Jahren gesagt hat. Man muß miteinander reden, um sich über Wünsche, Gedanken und Ängste austauschen zu können - und eben nicht nur die Elite, die das jetzt ja schon tut, sondern auch die breite Bevölkerung. Dazu muß man eine gemeinsame "Verkehrssprache" haben, die einfach jeder im Kulturkreis versteht, so daß keiner von der Diskussion abgeschnitten wird. Es macht in der heutigen Welt einfach keinen Sinn, wenn man sich nur und ausschließlich in seiner Muttersprache verständigen kann. Wie will ein Deutscher mit einem Italiener, Schweden oder Polen diskutieren, wenn er nur Deutsch und der andere nur seine Muttersprache spricht? Oder bist du tatsächlich der Meinung, es gäbe nichts grenzüberschreitendes zu besprechen? Wollen wir nicht alle mehr Demokratie in Europa? Wollen wir uns da nicht zusammenschließen und gemeinsam über Vorstellungen und gegebenenfalls Aktionen reden?
Man sieht ja in Europa heute, wie "sprachlos" die Leute sind, und was das für Probleme generiert. Die Griechen zum Beispiel demonstrieren für eine Besteuerung der Reichen und für eine Bekämpfung der Korruption, mit Transparenten auf Griechisch, und die Bildzeitung schreibt drunter daß sie zu faul zum Arbeiten sind und gegen ihre Entlassung demonstrieren. Und warum kann die Bildzeitung (und andere, auch "seriöse" Zeitungen) das? Weil sie genau weiß, daß sowieso kaum einer der Leser versteht was auf den abgebildeten Transparenten zu lesen ist. Ich sage immer: Würden die Griechen ihre Anliegen in Englisch auf die Transparente schreiben, hätten der Rest von Europa eine komplett andere Sicht auf die Wirklichkeit in GR. Das gleiche gilt für Portugal - und kann morgen für Deutschland gelten, wenn die deutsche Bevölkerung für irgendetwas wichtiges demonstriert, die Medien im Ausland daraus aber eine ganz andere Story basteln, weil deren Leser die Transparente auf Deutsch nicht verstehen...
Es geht nicht darum, seine eigene Muttersprache aufzugeben. Wer, der eine Fremdsprache lernt, hat das denn je getan? Es geht darum, daß man zusätzlich zur Muttersprache eine möglichst (welt)weit verständliche zweite Sprache spricht.
... um eine gemeinsame Sprache in einem europäischen Einheitsstaat zu erreichen:
"Mit einer gemeinsamen Sprache [er bezieht sich auf Englisch, F.] ließe sich auch mein Wunschbild für das künftige Europa leichter umsetzen: eine europäische Agora, ein gemeinsamer Diskussionsraum für das demokratische Miteinander." (Gauck)
Ein gemeinsamer Diskussionsraum hat aber auch gar nichts mit einem "Einheitsstaat" zu tun.
Kultur und Sprache hängen eng miteinander zusammen und sind voneinander abhängig. Verdrängen wir das eine, verdrängen wir das andere auf Dauer gleich mit.
Niemand "verdrängt" doch die deutsche Sprache, wenn er zusätzlich eine weitere Sprache lernt. Woher kommt denn diese unbegründete Angst? Ein grosser Teil der Kultur wird ohnehin weiterhin in der Landessprache stattfinden.