„Ich war dabei“ – Günter Grass und die Waffen-SS

Zoë schrieb:

Mittlerweile verstehe ich, weshalb er mit einer so banalen Wahrheit so lange hinter dem Berg gehalten hat.
Es ist nicht nur so, dass ich Leute wie den Autor dieses Artikels oder Wolffsohn nicht mag.
Sie machen mir auch Angst.

Gruß
Rene
 
Zoë schrieb:
Ich finde es auch in der Tat bedenklich, wie sich der Antisemitismusdiskurs hierzulande entwickelt hat.

Für manche Menschen erscheint jeder Verweis auf antisemitische Tendenzen (oder auch manifesten Antisemitismus in Reinform) nur als Versuch seiner Instrumentalisierung (wahlweise auch des Holocausts) zum Zwecke eines mundtot-Machens ihrer welcherart auch immer gearteten Gegner. In einem solchen Klima ist es leicht Antisemitismus zwar als existierend anzuerkennen, aber immer weit von sich zu weisen.

Wie sagte doch Broder so schön? Einige Menschen erkennen Antisemitismus erst dann [an], wenn Schwarzuniformierte auf Juden schießen…


Woran erkennt man Antisemitismus?
 
und noch ein so blöde Frage...

wo beginnt Antisemitismus?
 
blipper schrieb:
und noch ein so blöde Frage...

wo beginnt Antisemitismus?

Ja, noch eine blöde Frage! Wo er aufhört haben wir aber nicht vergessen, oder?
 
elroy schrieb:
Dafür lehnst Du Dich aber ziemlich weit aus dem Fenster, wenn Du Sahms Artikel kritisierst.
elroy schrieb:
ntv/Sahm schrieb:
1971 schrieb Grass gemäß dem antisemitischen Prinzip, dass die Juden an ihrem Unglück selber schuld seien: "So hat Israel durch die schleichende Annexion der besetzten Gebiete den arabischen Staaten einen Vorwand für deren Angriff geliefert."
Wichtig war es dem Artikel in diesem Zusammenhang wohl auch darauf hinzuweisen, dass Israel-Kritiker, besonders Deutsche, grundsätzlich antisemtisch sind.
 
Zoë schrieb:
Dafür lehnst Du Dich aber ziemlich weit aus dem Fenster, wenn Du Sahms Artikel kritisierst.

Mag sein, aber beantworte doch einfach die Frage.
 
Zoë schrieb:
Ja, noch eine blöde Frage! Wo er aufhört haben wir aber nicht vergessen, oder?

"Aufhören" kann er dimensionsmässig schon mal gar nicht, da das meiners Erachtens nach keine messbare Grösse ist. Wo es enden kann, in dem Sinne, wenn man die Anfänge nicht bekämpft (wenn Du das meintest), das weiss ich.

Ich glaube, die Diskussion nimmt wieder die schon bekannte Richtung... :rolleyes:
 
quomodonam schrieb:
Und zack wird Günter Grass zum Antisemiten.:rolleyes:
Kein Wunder, dass er sich über Jahrzehnte in Schweigen über seine halbjährige Zugehörigkeit zur Waffen-SS als Minderjähriger in Schweigen gehüllt hat. Weil kübelweise Jauche über ihn geschüttet würde.
Meine vollste Zustimmung! All die Grass-Kritiker kommen jetzt aus den Löchern gekrochen und murmeln irgendwas von "haben wir ja schon immer gewusst".

Über die Entscheidung, sich im Alter von 17 Jahren nach elf Jahren nationalsozialistischer Indoktrination freiwillig zu den U-Booten zu melden und später der Waffen-SS zugeordnet zu werden, maße ich mir kein Urteil an. Mit mehr als 60 Jahren Abstand, aufgewachsen in Freiheit und wissend um das Vergangene, ist es leicht, so etwas zu verurteilen, aber wer kann schon aufrichtig von sich sagen, dass er damals ganz sicher anders gehandelt hätte?

Natürlich muss man sich darüber wundern, wie einer der größten Mahner gegen das Verdrängen und Ignorieren der eigenen NS-Vergangenheiten 60 Jahre lang zu seiner eigenen Vergangenheit schweigen konnte. Andererseits stimme ich Ralf Giordano zu, wenn er feststellt, dass Grass ja schon lange die Konsequenzen aus seiner damaligen Haltung gezogen hat.
Sein langes Schweigen wertet weder sein schriftstellerisches noch sein moralisches Lebenswerk ab. Man ihm zwar vorwerfen, seinen eigenen Ansprüchen nicht gerecht geworden zu sein, aber andererseits: Wer kann schon sagen, in seinem Leben alles richtig gemacht zu haben.

Sich jetzt, im hohen Alter als hochangesehener Schriftsteller und wohl wissend über die bevorstehenden Reaktionen, zu outen und mit dem Eingeständnis an die Öffentlichkeit zu gehen, nötigt mir Respekt ab.
 
elroy schrieb:
Mag sein, aber beantworte doch einfach die Frage.
Ich glaube ich habe meine Position bereits deutlich gemacht. Ich bin nicht die letzte Instanz die darüber entscheidet wo Antisemitismus beginnt oder nicht oder nur ein wenig - auf so einer skeptizisstischen Basis kann man alles anzweifeln und in Stücke reden. Ich kann aber 1.) sagen, wann ich mich persönlich angegriffen fühle, aber dies heißt 2.) noch lange nicht, daß es keine allgemeinen Grenzen gibt, die nicht überschritten werden dürfen. Ich schlage Dir vor, daß wenn Du Dich für Antisemitismus interessierst eine Buchhandlung aufzusuchen, um Dich mit zahlreichen interessanten Publikationen zu diesem Thema vertraut zu machen. Oder bemühe das Internet, dort gibt es Definitionen und Informationen sans arrêt und keine gleicht der nächsten - doch in einem Punkt sie sich wohl alle einig: Antisemitismus ist immer pauschaul, menschenverachtend und paranoid. Das Bewußtsein darüber und ein gewisses Gespür wachsen mit der Zeit.

Und noch etwas; Daß Grass
das klassische antisemitische Klischee mit Hinweis auf die alttestamentarische Rachsucht der Juden: "Aber dieses Auge um Auge, Zahn um Zahn der gegenwärtigen Politik schaukelt allen Zorn nur noch weiter hoch."
verwendet, macht ihn noch lange nicht zum Antisemiten, aber es macht ihn in diesem konkreten Fall zu jemanden, der ein antisemitisches Klischee verwendet. Dies mag nur ein Bruchstück, ein Fragment sein, aber es ist gleichsam auch ein interessanter Mosaikstein.
 
Zuletzt bearbeitet:
Vielzuviel Aufregung um nichts.
Ein 17 Jähriger, der sich zu Kriegende zu den U-Booten freiwillig melden wollte, hat ja nun definitiv noch nicht besonders viel im Kopf.
Dann kommt er zur Waffen-SS und wird beim ersten Feindkontakt verwundet.

Trotzdem hätte ein Schreiberling wie er, dass ganze schon viel früher einfach mal rauslassen müssen, schliesslich gibt es ja auch biographien über ihn...
 
Zoë schrieb:
Und noch etwas; Daß Grass [ein antisemitisches Klischee] verwendet, macht ihn noch lange nicht zum Antisemiten, aber es macht ihn in diesem konkreten Fall zu jemanden, der ein antisemitisches Klischee verwendet. Dies mag nur ein Bruchstück, ein Fragment sein, aber es ist gleichsam auch ein interessanter Mosaikstein.
Das mag so sein. Andererseits werden Klischees täglich gegen jede beliebige Gruppierung von Menschen verwendet. Es gibt Klischees gegen Schwule, Polen, Araber, Engländer, Kommunisten und eben auch gegen Juden. Manche dieser Klischees sind vollkommen an den Haaren herbeigezogen, andere beinhalten vielleicht einen wahren Kern, alle sind pauschal und werden einem einzelnen Menschen nie gerecht.
Ein gewisses Maß an Klischees ist, denke ich, durchaus normal einfach in der Natur des Menschen und wird sich daher auch nie verhindern lasen.
Wenn ein solches Klischee dann eben nicht pauschal einer ganzen Gruppe übergestülpt wird, sondern wie in Grass' Fall "der gegenwärtigen Politik" zugesprochen wird, hat das mit Antisemitismus meiner Ansicht nach nichts zu tun.
 
Zoë schrieb:

"Man sollte den USA dankbar sein für die Befreiung vom Nationalsozialismus ( was absolut stimmt ).
Wer die USA kritisiert ist antiamerikanisch und dumm."
Wolffsohn sehr aggressiv in den Debatten zum Beginn des Irakkrieges.

Wer Israel kritisiert ist antisemitisch.
Das ist sehr ideologisch, denn schließlich weiß ich zumindest für mich, dass ich die USA und Israel nicht nur respektiere sondern sehr mag.

Solche Leute unterstellen mir ein Weltbild, das ich nicht habe.
Man teilt ihre Meinung nicht und wird in eine bestimmte Ecke gestellt.
Das ist sehr verstörend.

Ich habe Angst davor, dass Menschen, die so denken, die Macht bekommen mir eine Meinung aufzuzwingen.
Denn ich glaube, das würden sie versuchen.

Gruß
Rene
 
delaney schrieb:
Ich kann gewiss nur am Rande erahnen, wie sehr diese Tatsache Grass sein ganzes Leben lang beschäftigt hat. Für mich macht ihn dieses späte Bekenntnis nur noch viel größer, als sein bisheriges Schaffen ohnehin bereits. Er hätte es schließlich auch für immer verschweigen können - stellt sich jetzt aber ganz bewusst dem wohl heftigen Medienecho - und beweist damit einen ganz großen Charakter.


Sehe ich genau so!
 
rpiel schrieb:
"Man sollte den USA dankbar sein für die Befreiung vom Nationalsozialismus ( was absolut stimmt ).
Wer die USA kritisiert ist antiamerikanisch und dumm."

die Amerikaner, die Europa befreit haben, sind aber nicht mehr die Amerikaner, die heute das Sagen haben. Ich finde es sehr billig, sich mit den guten Taten der Vorgänger sonnen zu wollen, und das als Rechtfertigung für alles mögliche zu verwenden.

Wir müssen den Chinesen dankbar sein, ohne Sie hätten wir kein Papier (und so vieles anderes nicht). Deswegen darf ich trotzdem da heutige China kritisieren.
 
rpiel schrieb:
... "... Wer die USA kritisiert ist antiamerikanisch und dumm."
Wolffsohn sehr aggressiv in den Debatten zum Beginn des Irakkrieges. ...

Hat er das wirklich so gesagt? Quelle?
 
Edit:

Sorry, möchte mich doch lieber heraushalten.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Leslie schrieb:
Hat er das wirklich so gesagt? Quelle?

Nicht so in einem Satz.
Das war irgendeine Diskussion im TV.
Jede Kritik wurde als in Deutschland heute opportuner Antiamerikanismus abgetan.
Wer der USA nicht folgt, dem fehlt der Überblick.

An den genauen Wortlaut kann ich mich natürlich nicht erinnern.
Wolffsohn ist unmöglich mit den Diskutanten umgegangen.
Deshalb war ich ja so bestürzt.

Gruß
Rene
 
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