Ok, dann will ich auch mal.
Im habe im ersten Berufsleben eine Ausbildung bei einer größeren Chemiefirma in Kr-Uerdingen gemacht (Stammsitz: Läwogüsn).
Es war Donnerstag morgen und ich 17 Jahre jung. Am Mittwoch Abend pflegte ich in meine Stammkneipe zwecks des wöchentlichen "Taxi-Tachs" einzukehren, bei dem das 0,3 Pils für geschmeidige 1,20DM kredenzt wurde.
So machte ich es auch in dieser, verhängnisvollen Woche. Das kühle Blonde mundete und so dauerte der Mittwoch Abend dann doch bis zum Donnerstag Morgen gegen 3 Uhr. Dumm nur, dass sich eine dieser unmenschlichen Frühschichten anschloss.
Kaum zwei Stunden geschlafen machte ich mich per nicht motorisierten Zweirad auf den etwa sechs Kilometer langen Weg. Wer nun meint, diese (Tor-)Tour hätte meine Lebensgeister geweckt, der irrt! Mühsam finde ich die richtige Waschkaue, die richtige Etage und tatsächlich Spind Nummer 327. Der Blaumann ist rasch, wenngleich nicht mühelos, über den noch zittrigen Leib gestülpt. Nun geht es treppab in Richtung Arbeitsplatz. Auf etwa halben Wege drückt es von innerhalb des Blaumanns und ich suche, obwohl praktisch schon fast verspätet, eines der im Treppenhaus befindlichen stillen Örtchen auf.
Am Urinal angekommen und mich langsam von Druckgefühl befreiend, werde ich nicht nur entspannter, sondern auch ein wenig wacher. Ich öffne also meine Augen einen weiteren Millimeter und erblicke mein jugendliches und doch zerfurchtes Antlitz im Spiegel. Unrasiert, die Frisur wüst in alle Himmelsrichtungen zeigend muss ich mich erkennen. Während ich mir mit der Linken versuche die Haare notdürftig zu richten, leite ich mit der rechten die flüssige Notdurft in Richtung der weißen Keramik.
Just in diesem Moment trifft mich ein Blitz der Erkenntnis: Ist es wirklich Usus, Spiegel oberhalb von Urinalen anzubringen? Innerlich verneinte ich diese Frage und richtete meinen Blick zögerlich in Richtung meiner im Moment entlastend tätigen Männlichkeit. Zu meinem Erschrecken musste ich feststellen, dass diese weiße Keramik tatsächlich landläufig nicht als "Urinal" sondern als "Waschbecken" bekannt war.
So blickte ich auf, in den Spiegel. Ein erschrecktes Gesicht, eine Hand in der Wuschelfrisur, die andere am besten Stück und mit großen Augen des Erschreckens sich selbst betrachtend verharrte ich für eine Sekunde.
Genügend Zeit für die Leiterin des uns betreuenden Labors die Türe zu öffnen, ein kurzes "zweite Etage Damenklo" in meine Richtung zu rufen, die Türe fast wieder zu schließen, sie wieder zu öffnen, auf das Schauspiel in und um das Waschbecken herum mit einer kurzen Kopfbewegung und einem neckischen Blick zu deuten und ein knappes "ich hoffe, du spülst ab" hinterher zu hauchen.
…
Nach Beendigung der Ausbildung studierte ich und machte etwas ganz anderes.