Ich glaube, du siehst noch immer nicht ganz den Punkt, den ich eigentlich betonen möchte. Hier geht es nicht um läppische 2,40€ oder darum, dass der Entwickler eines äußerst beliebten Programms ein zweites Mal den Kaufpreis verlangt, sondern ich sehe das viel mehr in Hinblick auf die Bedeutung des App Stores für die digitale Distribution im Allgemeinen.
Digitale Distribution ist wohl in Sachen Software die Zukunft - dafür braucht man kein Hellseher sein. Tatsache ist aber auch, dass dieser Ausspruch schon seit Jahren bemüht wird, alle auf den schon lange angekündigten Siegeszug warten und dieser von den Verbrauchern aber nicht angenommen wird. In Sachen Musik hat iTunes damals eine Vorreiterrolle eingenommen und durch seine Preispolitik legalen digitalen Download salonfähig gemacht. Ich denke, dass der AppStore diese Erfolgsgeschichte und diesen ("gesellschaftlichen") Durchbruch auch in Sachen Software darstellen kann. Und um das zu erreichen versucht Apple mit einer gewissen Strategie die Hemmschwelle von Kunden, die aktuell bei digitaler Distribution noch sehr weit oben angesetzt ist (kein haptischer Erwerb; was passiert, wenn ich das Programm unabsichtlich lösche?; was ist bei Datenverlust?), zu vermindern. Dazu wird das Preisniveau stark gedrückt (im Vergleich zu Windows Mobile z.B. - was ich auch sehr gut finde) und andererseits gratis Updates quasi vorgeschrieben. Die Hemmschwelle fällt nun einerseits aufgrund des Preises (Oh, nur 79Cent - naja, wenn das weg ist, ists auch egal!), andererseits aufgrund der Kontinuität und gefühlten Sicherheit, die gratis Updates ausstrahlen (Super, ich kauf das jetzt einmal und muss mir danach nie wieder Sorgen um Updates machen!). Apple überwindet mit dieser Politik also die Hemmschwelle und gewöhnt den Konsumenten dadurch an digitale Distribution. Der Konsument bemerkt nach dem Kauf, dass die ganzen befürchteten Probleme ausbleiben, dass auch digitale Distribution "Sicherheit" bietet und nimmt ihm so die Angst vor dem Ganzen. Das führt dazu, dass der Kunde beim nächsten Kauf von Software übers Internet vielleicht sogar schon zum teureren Produkt greift, weil seine Hemmschwelle durch die Käufe im AppStore geringer wurde. D.h. jeder Programmierer, der auf digitale Distribution setzt, profitiert langfristig vom AppStore.
Einerseits finde ich diese Herangehensweise sehr gut, durchdacht und auch konsumentenfreundlich, andererseits aber auch wichtig, weil wir irgendwann ein Angebot brauchen, das digitale Distribution salonfähig macht. Und der AppStore hat gute Chancen durch Apples Strategie und Popularität dieses Angebot zu sein.
Das Problem von solchen behelfsmäßigen Pseudo-Bezahl-Updates wie jetzt das von Tweetie 2 untergraben Apples langfristige Strategie - im ersten Moment kommt es zwar dem Entwickler zugute, weil er JETZT viel Geld verdient, langfristig gesehen wirft er aber der (gesellschaftlichen) Entwicklung von digitaler Distribution als ernstzunehmenden Vertriebskanal Steine in den Weg, was wiederum dazu führt, dass ihm langfristig gesehen Einkünfte entfallen.
Das Problem, das ich gerade bei Tweetie sehe ist die Tatsache, dass es extrem gehypt/populär ist. Die Chancen, dass sich Tweetie also trotzdem gut verkauft, sind sehr hoch. Das ist für sich gesehen kein Problem (ich gönne es dem Hr. Brichter durchaus - er hat immerhin ein recht gutes Produkt erschaffen und soll ruhig dafür entlohnt werden), wenn andere Entwickler (von oftmals schlechteren Programmen) aber sehen, dass die Masse bereit ist, auch für Updates zu bezahlen, macht das Beispiel Schule und wir haben nur noch Bezahlupdates für jeden Mist und App-Namen, wo standardmäßig eine zweistellige Zahl dahinter steht. Natürlich werden die Leute irgendwann dann kein Geld mehr für diesen Mist zahlen, der Ruf und die Wahrnehmung des AppStores wird aber darunter leiden und seine Vorreiterrolle gefährdet sein, was wiederum im Endeffekt für die Entwickler selbst negative Auswirkungen hat.
Mir ist wie gesagt klar, dass Softwareentwicklung Geld kostet und ich bin auch der Meinung, dass gute Updates Geld kosten dürfen. Jedoch dreht sich das bei der hiesigen Diskussion nicht allein darum, sondern muss in einen etwas größeren Kontext gesetzt werden. Auf diesen aber zu pfeifen und mit der Attitüde "Hinter mir die Sintflut!" kostenpflichtige Updates rauszuwerfen, wo die Leute noch nicht dafür bereit sind, weil es keine Akzeptanz und keine Rahmenbedingungen (verbilligte Updates) gibt, ist ziemlich egoistisch.
Und wieso ich der Meinung bin, dass man Softwarepreise für Telefon und Desktop nicht vergleichen kann, ist einfach: Für mich haben die Geräte selbst einen anderen Stellenwert im Workflow. Am Handy KANN ich nicht so effizient "arbeiten" wie am Desktop, die Programme SIND in den meisten Fällen schlechter (weniger Features), weil die Hardware zu schwach ist und man nicht mehr verwirklichen kann. Apps für mobile Geräte sind für mich in erster Linie zum größten Teil Spielzeug, in zweiter Linie allerhöchstens Unterstützungen. Am Desktop sind die gleichen Programme aber möglicherweise Vollzeitbeschäftigungen und "Nahrungsmittelgarant". Bestes Beispiel ist die Photoshop-App. Außerdem kommt noch die Nutzungsdauer dazu, die in den meisten Fällen bei den Desktop Applikationen um ein vielfaches höher sein dürfte.
Bei Apps, die per se mehr oder weniger nur Spielerei sind (Twitter Clients), entsprechen die iPhone Preise meiner Auffassung nach sehr viel mehr ihrem tatsächlichen Wert als die Desktop Pendants. Tweetie am Mac ist HOFFNUNGSLOS überteuert, schlicht und ergreifend. Und mit dieser Auffassung stehe ich nichtmal alleine da. 5-7€ für Tweetie am Mac sowie 2-5€ für Tweetie am iPhone wären für mich persönlich eine vernünftige Preisgestaltung. Aber am Desktop gabs eben nie solch eine preistreibende Konkurrenz wie am AppStore, weswegen das allgemeine Preisniveau (oft ungerechtfertigterweise) viel höher liegt und die Preissensibilität der Kunden auch erst bei dementsprechend höheren Beträgen zum tragen kommt. Warum sollten die Entwickler das also nicht ausnutzen?