Klar gibt es beobachtbare Regeln oder Gewohnheiten, an die sich die Blicke halten, wenn sie die Welt abtasten. Schönes Beispiel übrigens, das mit Pupille vs. Möpse als konkurrierende Möglichkeiten der Blick-Verankerung, das bringt nämlich auch noch eine Menge philosophischer Senfgeber ins Spiel (die man hier wohl am Besten nicht in die Arena wirft).
Und klar, kann man das berechnen (nach Lust-, Wahrscheinlichkeits- und anderen Prinzipien), das ist ja die eigentliche Aufgabe der FOCUS-Redaktion. Aber die Frage ist doch, ob die Berechnung von Aufmerksamkeits-Verteilungen das gleiche sein soll wie eine Argumentation? Eine Argumentation ist zwar auch berechnend, aber viel rigider als eine grafische Fläche. Der Autor hat die Möglichkeit, auf einer genauen Reihenfolge zu
bestehen. Das hat die FOCUS-Redaktion nicht. Sie verlässt sich zu hundert Prozent darauf, dass die »Leser« mitziehen, während sie umherhüpfen. Während sich der Autor wahrscheinlich darauf verlässt, dass sie sich – auch wenn sie mal herumhüpfen – an die festgelegte, gespeicherte,
gesicherte Ordnung halten. Und Dramaturgie kann man eine Technik nennen, beim Leser den Eindruck zu erzeugen, er würde etwas verpassen, wenn er es nicht tut. Aber klar: darum, was der Autor will, geht es gar nicht, auch in dieser Diskussion hier. Und weil sich ohnehin keiner an die Ordnung hält, haben die Postmodernen oft genug versucht, Bücher herzustellen, die anders funktionieren – mit bescheidenem Erfolg allerdings. Und selbst ein Erfolg wie
Milles Plateaus von Deleuze und Guattari sieht im Schriftbild erstaunlich konventionell aus. Gottseidank halten sich da alle an Abstandsregeln bei Ellipsen in Klammern und auch an alles andere, wie es in den Stylefiles von LaTeX anscheinend sehr schön angelegt werden kann. Nebenbei: Oktober 2010 ist nach dreißig Jahren die erste vollständig gesetzte Ausgabe von Arno Schmidt's
Zettel’s Traum erschienen.
Natürlich ist der Witz, dass sie es trotzdem tun, die Leser: Alle hüpfen sie herum, und haben, wie du sehr richtig bemerkst, sogar Schnellesefähigkeiten erlernt, die das Hin- und Her-, und vor allem das Überspringen noch viel effektiver machen. Laut Paul Virilio geht die Evolution der Typografie sogar zielstrebig in Richtung auf immer mehr Geschwindigkeit, was mit einem immer effektiveren Auslassen vernachlässigbarer Informationen einhergeht.
Wsegween desien Txet zu lseen wineg Pborleme btereien slolte.
Klar, und ich weiß auch, dass man den Titel des Threads versteht, obwohl ich mich vertippt habe. Obwohl mein Umstieg auf LaTeX zum jetzigen Zeitpunkt wohl tatsächlich ein Unstieg geworden wäre.
Ich wollte ja aber auch gar keine Lanze für den Glauben an das Alphabet als das Maß aller Dinge brechen. Deswegen meinte ich ja auch »Schriftlichkeit« und nicht Buchstabentreue. Damit ist vor allem die sprach-logische Anordnung von Wörtern und Sätzen gemeint (und auch ein Argument ist im weitesten Sinne ein Satz, wenn auch manchmal ein langer). Auch ein Chinese wird Schwierigkeiten haben, einen Text zu lesen, in dem alle Zeichen nach Maßgabe ihrer Schönheit über das Blatt verteilt werden. Insbesondere dann, wenn ein Witzbold (oder ein Lyriker) anfängt, aus der Anordnung der Schriftzeichen auf dem Blatt menschliche Augen oder weibliche Brüste zu formen. Und auch der alphabetisierte Leser hat Schwierigkeiten zu verstehen,
gerade ich, dass diesen Autor der habe letzten Nebensatz gemeint, dass ich, der Autor, gerade diesen letzten Nebensatz gemeint habe, und damit zum Ausdruck bringen wollte, dass ich weiß, dass ein gutes Argument am
Ende eines Posts (oder am Ende irgend einer anderen Art von
Post, zum Beispiel eines Buches) immer am besten kommt.