Was mir in diesem Thead bei vielen Beiträgen fehlt, ist der sachliche Inhalt. Mit "ist totaler Mist" und "wieso, geht doch prima" kann man doch keine anständige Diskussion führen.
Wir haben die App gestern ausprobert. Meine Frau hat fast die ganze Probeausgabe gelesen und meint, das wäre mindestens genauso bequem wie mit einer echten Zeitung. Na gut, sie ist technisch eher unbedarft und nimmt die ganzen ergonomischen Feinheiten nicht so bewusst wahr -- aber es stört sie eben auch nicht.
Um konkret zu werden: Blättern funktioniert mit Wischen, also ganz intuitiv. Die Darstellung im Hoch- wie im Querformat ist übersichtlich und gut lesbar. Sowohl die Textgröße als auch die Helligkeit lassen sich leicht und intuitiv anpassen. Letzteres ist wichtiger, als ich erst dachte: Während sie las, habe ich ferngesehen, und währenddessen wurde es draußen langsam dunkel. Irgendwann fing das iPad im Augenwinkel an, unangenehm zu blenden. War aber kein Problem, weil man die Helligkeit ensprechend drosseln konnte.
Fazit also erstmal positiv. Ob wir auf dem iPad regelmäßig den Spiegel lesen werden, bleibt abzuwarten, aber vor allem, weil wir es sonst auch nicht regelmäßig tun. Dazu kommt die Frage nach Archivierung, Markieren, Herausreißen/Kopieren einzelner Artikel, um sie getrennt abzulegen oder auch mal an jemanden weiterzugeben. Eine Nutzung von Zeitschriftteilen am Rechner wäre auch nützlich. Hier hoffe ich aber zum Beispiel auch auf die Druckfunktion. Vieles am iPad wartet geradezu darauf...
Womit wir beim ersten großen Kritikpunkt wären: Die Integration von Zeitschrifteninhalten in das Medium iPad bietet viele neue Möglichkeiten, die bislang fast vollständig ignoriert werden, jedenfalls von der Spiegel-App. Meiner Meinung nach ist hier noch viel zu tun, vor allem müssten die Macher mehr Phantasie und Flexibiliät beweisen. Daraus könnte ein entsprechender Mehrwert entstehen. Den gibt es bislang nicht, und so zahlt man für nicht mehr (aber auch nicht weniger) als eine reine Lesemöglichkeit. Die kann man kostenlos ausprobieren, und dementsprechend weiß jeder, was er kriegt. Auch schonmal nicht schlecht.
Technisch gibt es ein paar Kleinigkeiten, die mich stören. Da ist zum Beispiel der Blättermechanismus: Die neue Seite schiebt sich (von rechts) über die alte, was dazu führt, dass man während des Blätterns nicht die alte Seite zuende lesen kann. Das würde besser funktionieren, wenn die alte Seite sich mit nach links schieben würde, wie es etwa bei der Bildbetrachtung gemacht wird. Kleine Änderung, großer Effekt.
Dann kann man nur zwischen zwei Textgrößen wählen. Da würde ich mir mehr Spielraum wünschen, nach oben wie nach unten. Auch wenn die Vorauswahl zugegebenermaßen gut funktioniert.
Was mir ebenfalls fehlt, ist eine Anzeige, wo genau in der Zeitschrift ich mich befinde. Einmal falsch gewischt, hat man schnell die Stelle verloren. Bei einer Papierzeitschrift ist das kein Problem, weil man das immer im Gefühl hat. Hier könnte ich mir einen Scrollbalken oder etwas ähnliches vorstellen, mit dem man schnell in der ganzen Zeitschrift navigieren kann. Dinge wie ein Zurück-Button könnten auch helfen. Kurz: Die ganze Navigationsergonomie funktioniert zwar im Prinzip, könnte aber wesentlich eleganter ausfallen. (Mag sein, dass es einiges von dem, was ich beschreibe, irgendwo schon gibt. Ich habe das iPad gerade nicht hier.)
Wir sehen also, es gibt noch viel Potenzial, aber man darf auch nicht verkennen, dass das Gerät gerade nagelneu ist. Wenn der Verlag im Kontakt mit seinen Nutzern bleibt, bin ich mir sicher, dass sie bald die meisten Schwächen ausmerzen werden. Bis dahin funktioniert es aber schon recht gut.