Nein, ich halte das sogar für ausgesprochen fatal. Dir ging es aber (vornehmlich) um die Demokratie, die du mit den Grundrechten in einen Topf geworfen hast. Und die Demokratie sehe ich nicht verletzt dadurch, dass führende Politiker Grundrechte faktisch außer Kraft setzen (lassen), solange das Volk nichts dagegen hat und ganz offensichtlich diese Politiker wiederwählen will.
Ein ganz schön schwieriges Problem, finde ich! Man müsste sich Gedanken darüber machen, was hier der "Primärschlüssel" sein soll: Die Demokratie oder die Grundrechte. Wählen wir die Demokratie, so können die Grundrechte bis zur Bedeutungslosigkeit hin ausgehöhlt werden - wenn das Volk es will. Wählen wir die Grundrechte, so müssen wir die Demokratie so weit einschränken, dass auch demokratisch legitimierte Entscheidungen nicht durchgesetzt werden können, wenn sie die Grundrechte auch nur berühren.
Hier in diesem Fall fürchtet ganz Deutschland die außenpolitischen und vor allen Dingen wirtschaftlichen Konsequenzen, die ganz sicher eintreten und sehr deutlich spürbar sein würden, würde dem Grundrecht auf Privatsphäre mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zur Durchsetzung verholfen. Man stellt also die Demokratie über die Grundrechte. Und ich fürchte, es geht auch nicht anders. Denn gegen die Mehrheit kann niemand Politik machen.
Es gibt drei Lösungsansätze: Bildung, außerdem noch Bildung, und schließlich Bildung. Das Volk muss die Grundrechte kennen, ihre Bedeutung erfassen und sie leben. Es muss IT endlich begreifen. Vorher wird das nix!
Dein Beitrag vermittelt den Eindruck, als wolle der Mond uns erklären, wie Kernfusion funktioniert. Warum verkehrst Du den Staatsbegriff – und bläst ins gleiche Horn wie die Bundesregierung? Du rätst eine Bildungsinitiative an, während Du darlegst, dass Du den grundlegenden Rahmen der Demokratie selber nicht verstanden hast.
Oder betreibst Du bewusst eine hintersinnige Aufgliederung, wie sie auch von der Bundesregierung verwendet wird, um das Wahlvolk zu täuschen? So, als stünden sich beispielsweise Freiheit und Sicherheit gegenüber, so stelltst Du Grundrechte und Demokratie gegenüber. Dies ist Manipulation. Bist Du Teil eines Astroturfing-Unternehmens oder nur selber bereits der allgemeinen Volksverdummung aufgelaufen?
Zur Demokratie.
Es besteht hinsichtlich des Begriffs wie des politischen Vollzugs der Demokratie ein bedeutsamer, aber (gezielt) weit verbreiteter Irrtum. Dieser Irrtum wird von der etablierten Politik indes konsequent vorangetrieben und ausgenutzt.
Altgriechisch 'kraten' bedeutet nicht 'herrschen'. "Kraten" heißt bei Platon im Rückblick auf weitere Kontexte "Den Wagen ziehen" oder "Das Sagen haben". Richtig heißt es also: "Das Volk hat das Sagen", nicht aber: "Herrschaft der Mehrheit".
Zum Volk gehört indes jeder Mensch – und nicht nur eine Mehr- oder eine Minderheit, die Herrschaft ausübt oder erdulden müsste. Das Verständnis, in einer Demokratie herrsche die Mehrheit oder die Macht der selben, ist also ein korruptes, nicht aufgeklärtes Verständnis von Demokratie. Denn die Demokratie soll der Verwirklichung der allgemeinen Freiheit, nicht aber einer Herrschaft dienen. Die Politik hätte – wenn sie ihrem Auftrag nachkäme – nicht Herrschaft zu verwirklichen (auch nicht einer Mehr- oder Minderheit), sondern die Staatsrechtsprinzipien zu vertreten und zu verwirklichen: der Poltiker wäre also nicht Interessenvertreter, sondern Anwalt des Rechts und des Gemeinwohls.
Indes ist die politische Bildung von einem grundlegend problematischen wie missbrauchten Verständnis von Staat wie von Recht geprägt: der Staat wurde zum Herrschaftsinstrument umfunktioniert, in dem Politiker ihre Interessen verwirklichen. Dies ist bereits ein grundlegendes Verbrechen am Staat.
Die wenigsten PolitikerInnen, noch weniger BürgerInnen, reflektieren indes ihre fatale Schieflage allein schon hinsichtlich ihre Staatsbegriffes. Dabei rührt dieses Verständnis auf die neo-liberalistische Definition von Staat zurück, in der eine Volksgemeinschaft allein betriebswirtschaftlichen Zielen wie blanker Macht-Verwirklichung zu dienen habe. Die neo-liberalistische Umformung hat im Grunde den Staatsbegriff und das Verständnis von Demokratie schleichend umgeformt.
Das Gemeinwohl wurde faktisch abgeschafft. Es hat sich allein partikulären Interessen zu unterstellen und soll selber nicht mehr Ziel des Staates sein. Faktisch soll sich damit der Staat selber abschaffen, also in die Hand von Privatiers überantwortet werden (also von Reichen und Mächtigen), worüber zuletzt auch seine Legitimation abgeschafft wird.
Nur: was ist denn der Staat – und was meinen zum Beispiel "die Märkte" und neo-liberalistische Politiker, wenn sie davon sprechen, staatliche Regulierung müsse abgebaut werden, ja, der Staat müsse weichen und staatliche Einrichtungen müssten privatisiert werden?
Hier wird der vollständige Zynismus der neo-liberalistischen Politik ersichtlich. Denn wenn der Neo-Liberalismus und viele Politiker "weniger Staat" fordern, dann sollte man sich das übersetzen: Denn der Staat - das sind die Bürger!
Der Staat ist das Verwaltungswesen und das Organ des bürgerlichen Willens und der bürgerlichen Freiheit. In ihm wird das bürgerliche Miteinander organisiert und reguliert. Angriffe gegen die Bürger sollen abgewehrt, nicht eingeleitet werden. Solidarisch sollen die Bürger vertreten und gefördert werden. Entsprechend fordert die gegenwärtige Polit-Generation also mehrheitlich die Zurückdrängung der Bürgerschaft, also der Menschen in ihrer solidaren Übereinkunft – und die komplette Aufhebung des Schutzes der Bürger! Oder anders gesagt: Man fordert die Abschaffung des Gemeinwohls und der verfassungsgemäßen Macht, die allein vom Volke ausgehen soll und von ihm allein nur legitimiert sein kann.
Es sollte also niemanden verwundern, wenn Sozial- und Bildungsabbau in vollem Gange sind – und wir mittlerweile vor den Ruinen des Solidar-Staates stehen. Es sollte nicht verwundern, wenn "privatisiert" wird, dass es eigentlich "Enteignung" heißen sollte. Es sollte auch nicht verwundern, dass Grundrechte-Bruch zur Norm geworden ist. PRISM ist nur ein Sympom eines Gesinnungsputsches, der längst vollzogen worden ist – ein Putsch gegen die bürgerliche Verfassung. Nichts anderes wollten die Vertreter des Neo-Liberalismus erreichen. Sie haben es verfasst, angekündigt und ausgeführt. Die heutigen Missstände sind keine Unfälle oder missliche Entwicklungen – sie waren niemals anders gewünscht.
Die neo-libeberalistische Agenda zielt dabei vor allem eines ab: Tiefe Gräben zwischen Arm und Reich – und die Aufhebung der solidaren Demokratie, also die Aufhebung der Verfassung der Bürgerschaften, also des Rechts und letztlich damit der Grundrechte. Ganz kurz gesagt: man hat den bürgerlichen Staat geputscht, um die Bürger dem Mutwillen und letztlich despotischer Verfügung weniger Akteure zu überantworten.
Der Bürger, der der Souverän ist, wird vom Tyrannen, der die Hochfinanz darstellt, entmachtet. Im Vollzug können wir es jeden Tag miterleben: indem wir als Untertanen und nicht als Bürger behandelt werden; indem wir als generalverdächtig gelten und nicht als freie, unbescholtene Menschen; indem wir ökonomischen Interessen untergeordnet werden und nicht die ökonomischen Interessen unserem Lebensglück.
Eine Bildungsinitiative wäre gewiss zu begrüßen. Dann aber, bitteschön, angesichts einer Bildung, die nicht irreführt.
Demokratie und Verfassung gehören indes zusammen. Die Demontage der Verfassung war und ist dem entgegen ein Verbrechen unserer Politgeneration, das seit Jahren von Staatsrechtlern angemahnt wird – und vollständig übergangen wird.
Unser Staat ist längst in seinen innersten Kerninhalten erschüttert. Denn jene, die für uns den Staat organisieren und verwalten sollten – die Politik – haben sich gegen uns und ihren Auftrag gewendet. Denn nicht das gemeinsame Glück und das Wohlergehen der Menschen im Staat, also das Gemeinwohl, sind Fokus des Verständnisses der gegenwärtigen Polit-Generation. Das Gemeinwohl wurde vom Bruttosozialprodukt und partikulären Interessen ersetzt. Indes sagt das Bruttosozialprodukt nichts über das Wohlergehen und das Glück der Menschen aus – genau so wenig, wie das Erreichen partikulärer Interessen.
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