Online-Journalismus

jenso

unregistriert
Thread Starter
Dabei seit
12.11.2006
Beiträge
419
Reaktionspunkte
55
Vor ein paar Tagen habe ich meinen Beitrag gezeichnet, schaut Ihr doch bitte einmal hier:

https://krautreporter.de/das-magazin

„Krautreporter“ ist ein Zusammenschluß von kundigen Reportern, die ein (m.M.n.) sehr notwendiges Projekt anschieben wollen, nämlich einen seriösen Journalismus, der NICHT von Werbegeldern abhängig sein soll und daher auch NICHT auf Click-Ranking-Suchmaschinen-Daten schielt.
Man möchte eine werbefreie und nur von den eigenen Lesern finanzierte, unabhängige Berichterstattung betreiben.

Dazu ist Geld erforderlich und so griff man die Idee des crowd funding auf: die zukünftigen Nutznießer (hier: Leser) investieren ein wenig vorab. In diesem Falle wird um Zeichnung von 60 €uro gebeten. Das Geld wird nur dann eingezogen, wenn die angestrebten Zahlen erreicht werden, andernfalls zahlt keiner der Unterstützer irgendwas.

„Kraut“ ist natürlich nur ein kleines Wortspiel wegen der dahinterstehenden crowd und des deutschen Beinamens.
 
Die benötigen 15000 Mitglieder, die jeweils 60 EUR/Jahr zahlen. Macht unter Strich 900k EUR Einnahmen. Dort sind 28 Journalisten abgebildet. Die arbeiten dann für 32k brutto im Jahr? Oder machen die das neben ihrer echten Arbeit? Und was ist mit weiteren Kosten?
 
Mal ganz davon abgesehen, dass man ja noch andere Einnahmequellen erschließen kann (durch Kooperation mit anderen Seiten, Werbung usw.), wären 32k Brutto im Jahr als festes Einkommen für einen Journalisten der Jackpot. Die Branche besteht fast nur noch aus Freiberuflern als Content-Zulieferer für mehrere Seiten, bei denen sie pro Zeile/Artikel bezahlt werden. Und da kommen sie, auch wenn sie top im Geschäft sind, noch nicht mal auf 15-20k Brutto im Jahr allein durch das Schreiben von Artikeln. Die haben eigentlich alle noch andere Jobs parallel (sprechen auf oder moderieren irgendwelche Konferenzen, machen Mediaberatung usw.).
 
Wenn Ihr Euch getrost deren Seite noch einmal etwas genauer ansehen mögt: die Verwendung der eingesammelten Gelder wird aufgedröselt.

Werbung aber soll ja gerade (wegen der Unabhängigkeit der Veranstaltung) NICHT gemacht werden, Einnahmequellen solcher Art entfallen.

Ich finde die Sache weiterhin sehr unterstützenswert und habe daher auch noch ein paar Mitgliedschaften verschenkt – dabei stoße ich aber auf persönliche Leistungs-Grenzen, bedauerlicherweise.
 
Na, so schlecht ist die Stellungnahme ja auch nicht: immerhin gibt es dort auch Selbstkritik.

Ob Du/wir nun Minderheitler sind oder nicht: die Karte sollte zum Einsatz kommen – und zwar binnen der nächsten 8 Tage! Andernfalls platzt die schöne Idee (dann hat zwar niemand etwas bezahlt, aber zugleich eine Hoffnung weniger…).
 
Das klingt alles nicht sehr überzeugend. "Seriöser Journalismus" muss nicht unbedingt guter Journalismus sein, auch wenn guter Journalismus meistens seriös ist. Für mich macht guter Journalismus in erster Linie aus, dass die Artikel (oder Reportagen, Porträts usw.) gut recherchiert sind und dass die behandelten Themen dann vom Journalist im Artikel so dargestellt werden, dass sie für den Nichtkenner verständlich aber immer noch möglichst präzise sind. Das ist gerade bei komplexen Themen sehr, sehr schwierig und ich habe großen Respekt vor Leuten, denen das bei komplexen Themen gelingt. Dazu zählen für mich übrigens auch gute Lehrer, aber das nur nebenbei. Die müssten meiner Meinung nach auch sehr gut bezahlt werden, denn Wissensvermittlung ist alles andere als einfach, insbesondere wenn sie sich an Leute richtet, die ganz unterschiedliches Vorwissen zum Thema haben.

Von daher ist guter Journalismus immer zu begrüßen und zu unterstützen (wir haben eindeutig zu wenig davon). Ob die "Krautreporter" dazugehören weiß ich nicht, die Internetseite liest sich nicht wirklich so:

Jeden Tag mit vier ausführlichen, möglichst multimedialen Beiträgen von tollen Autoren. Emotional, relevant, journalistisch.

Multimedial hin oder her, "wenn der Inhalt misst ist, nützt mir auch die schönste Verpackung nichts". "Relevant und journalistisch" sind nicht unbedingt die wichtigsten Eigenschaften, die die Beiträge der Autoren erfüllen müssen (siehe oben), der Inhalt muss stimmen, gut aufbereitet sein und verständlich in Artikelform gebracht werden. "Emotional" ist so ziemlich das letzte was ein ordentlicher Artikel sein sollte. Denn ein emotional schreibender Autor neigt nicht selten zu Übertreibungen, einseitigen Darstellungen oder einfach falschen Darstellungen.
Ähnlich schlimm wird es, wenn die Autoren "gute Geschichten erzählen" wollen. Geschichten können auch Fiktion sein und Fiktion hat im Journalismus nichts zu suchen.

Dass das ganze dann ohne Werbung stattfindet ist nur ein schwacher Trost.

PS: Google-Analytics verwenden die Krautreporter aber schon, sie füttern also zumindest Google mit Statistiken ihrer Kunden. Wirklich schön ist das nicht.
 
PS: Google-Analytics verwenden die Krautreporter aber schon, sie füttern also zumindest Google mit Statistiken ihrer Kunden. Wirklich schön ist das nicht.

Danke, das hatte ich mir auch gedacht.
Aus meiner Sicht eine gute Idee aber noch mit Schwächen in der Umsetzung. Und damit keine 60 Euro für etwas Wert, was man aktuell gar nicht einschätzen kann.

Das alte Problem besteht immer noch: Beweist euch erst einmal damit wir sehen wo ihr steht und wie ihr tickt. Danach kommt die Unterstützung ….
 
PS: Google-Analytics verwenden die Krautreporter aber schon, sie füttern also zumindest Google mit Statistiken ihrer Kunden. Wirklich schön ist das nicht.

Ich schrieb ja schon "andere Einnahmequellen ... (durch ... Werbung usw.)". Als Antwort kam sofort "Werbung aber soll ja gerade ... NICHT gemacht werden". Bei Werbung denken alle sofort an nervige Banner oder sponsored links, die auf der Seite eingeblendet werden, aber Werbung ist längst mehr als das und viel raffinierter. Es lässt sich auch Geld damit verdienen, wenn auf einer Seite zum Beispiel im Hintergrund Analysetools mitlaufen, die dann Auswirkungen auf das Surfverhalten bei anderen Seiten haben - etwa wenn man das nächste Mal über Google sucht. Und es ist dabei auch gar nicht immer erforderlich, dass man Links oder Treffer anklickt. Und genau das macht Krautreporter mit Google Analytics ja bereits. Von wegen "keine Werbung".
 
So, die Krautleute kann man ab sofort auch per Paypal bezahlen – vielleicht mögen es nun ja doch noch Einige „riskieren“, eine gute unkonventionelle Sache zu unterstützen.
 
Mal ganz davon abgesehen, dass man ja noch andere Einnahmequellen erschließen kann (durch Kooperation mit anderen Seiten, Werbung usw.), wären 32k Brutto im Jahr als festes Einkommen für einen Journalisten der Jackpot. Die Branche besteht fast nur noch aus Freiberuflern als Content-Zulieferer für mehrere Seiten, bei denen sie pro Zeile/Artikel bezahlt werden. Und da kommen sie, auch wenn sie top im Geschäft sind, noch nicht mal auf 15-20k Brutto im Jahr allein durch das Schreiben von Artikeln. Die haben eigentlich alle noch andere Jobs parallel (sprechen auf oder moderieren irgendwelche Konferenzen, machen Mediaberatung usw.).

Man sollte hier weder Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbrutto verwechseln noch die weiteren Kosten des Projekts vergessen. Mir ist es vollkommen rätselhaft, wie man mit 900.000 € 28 hungrige Mäuler auch nur teilweise durchfüttern will. Wenn jeden Tag 4 Geschichten veröffentlicht werden, ist jeder Journalist einmal pro Woche mit einer Geschichte dran. Wenn es Co-Produktionen gibt natürlich entsprechend weniger.

Für mich klingt die gesamte Seite leider wenig nach dem, was ich unter Journalismus verstehe - nämlich vor allen Dingen gute Recherche. Würden Sie das anbieten, wäre es nämlich ein lockerer Full-Time-Job, jede Woche eine größere Story abzuliefern. Wenn man natürlich nur einmal die Woche über den letzten Besuch im Pub berichtet, kann man das auch an einem Vormittag machen. Dann wiederum kann ich die Zahlen nachvollziehen. Aber zumindest die Schlagworte bei Krautreporter sind ja durchaus anders: relevante Informationen, Hintergründe, Recherchen, Reportagen werden da genannt. Das geht nicht mit einer Halbtagsstelle und damit auch nicht mit dem Geld. Aber vermutlich soll mit der Summe auch kein Jahr durchfinanziert werden, sondern es wird auf einen steilen Abonnenten-Anstieg nach Going-Live spekuliert.

Aber mir geht es da wie offenbar einigen Anderen auch: den Anspruch ohne Werbung zu agieren um wirklich Unabhängig sein zu können finde ich sehr gut. Aber irgendwie passt bei der öffentlichen Präsentation wenig zusammen. Einerseits die großen tiefschürfenden Ansätze, dann aber Begriffe wie Emotion, Geschichten erzählen, etc. Ja was denn nun? Vielleicht sollten die Macher sich erst die Frage stellen was genau sie wollen und dann noch einmal loslegen.
 
Man sollte hier weder Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbrutto verwechseln noch die weiteren Kosten des Projekts vergessen. Mir ist es vollkommen rätselhaft, wie man mit 900.000 € 28 hungrige Mäuler auch nur teilweise durchfüttern will.
Das war ja sowieso von Anfang an nur eine Milchmädchenrechnerei als Reaktion auf einige vorherigen Beiträge, denn durch Krautreporter werden keine festen Stellen geschaffen, Krautreporter muss für die Autoren keinen Krankenversicherunganteil bezahlen, keine Geräte anschaffen, keine Büroräume mieten und so weiter. 900.000€ sind für ein Onlinemagazin ein Batzen Geld. Keine Seite in Deutschland, die nicht in irgendeiner Form an bestehende, alte Strukturen gekoppelt ist (Spiegel Online, DW usw. etc. pp.), dürfte vergleichbar ausgestattet sein (die deutsche Huffington Post vielleicht, aber das ist eine andere Geschichte - die bezahlen den Autoren nämlich gar nichts).

Die Themen liegen auf der Straße - die Autoren von Krautreporter müssen sie nur aufgreifen und anhand der verfügbaren Quellen eine Haltung zu den Geschichten finden. Krautreporter wird wohl kaum eigene Korrespondenten in andere Länder schicken oder Autoren Undercover arbeiten lassen, um große Skandale aufzudecken. Bei 28 Autoren schreibt dann jeder einen Artikel pro Monat und bekommt dafür 500€ Honorar. Die meisten Autoren schreiben ohnehin für andere Auftraggeber und können bei Krautreporter ihre Themen frei wählen ohne redaktionellen oder kommerziellen Druck und werden sogar noch gut bezahlt. Ich kann mir so ein Modell durchaus vorstellen.
 
Das war ja sowieso von Anfang an nur eine Milchmädchenrechnerei als Reaktion auf einige vorherigen Beiträge, denn durch Krautreporter werden keine festen Stellen geschaffen, Krautreporter muss für die Autoren keinen Krankenversicherunganteil bezahlen, keine Geräte anschaffen, keine Büroräume mieten und so weiter. 900.000€ sind für ein Onlinemagazin ein Batzen Geld. Keine Seite in Deutschland, die nicht in irgendeiner Form an bestehende, alte Strukturen gekoppelt ist (Spiegel Online, DW usw. etc. pp.), dürfte vergleichbar ausgestattet sein (die deutsche Huffington Post vielleicht, aber das ist eine andere Geschichte - die bezahlen den Autoren nämlich gar nichts).

Die Themen liegen auf der Straße - die Autoren von Krautreporter müssen sie nur aufgreifen und anhand der verfügbaren Quellen eine Haltung zu den Geschichten finden. Krautreporter wird wohl kaum eigene Korrespondenten in andere Länder schicken oder Autoren Undercover arbeiten lassen, um große Skandale aufzudecken. Bei 28 Autoren schreibt dann jeder einen Artikel pro Monat und bekommt dafür 500€ Honorar. Die meisten Autoren schreiben ohnehin für andere Auftraggeber und können bei Krautreporter ihre Themen frei wählen ohne redaktionellen oder kommerziellen Druck und werden sogar noch gut bezahlt. Ich kann mir so ein Modell durchaus vorstellen.

Na ja, dann verstehe ich den Ansatz aber nicht so ganz:

1. Bei 4 Artikeln pro Tag schreibt jeder - wie schon vorgerechnet - nicht einmal im Monat, sondern einmal pro Woche einen Artikel. Wenn dafür jedesmal tatsächlich 500 € springen, sind also im Monat 56.000 € zu wuppen. Da bleibt nicht mehr viel für den Rest.
2. Wenn die Journalisten nicht angestellt sind - wie frei sind sie dann wirklich? Schließlich bleiben sie ja auch abhängig von den anderen Auftraggebern. Wie ist es da mit Interessenskonflikten, etc.?
3. Wie viel fundierte Meinung ist denn tatsächlich zu Themen zu bilden, wenn man keine vernünftige Zeit für Recherche und Meinungsbildung hat? Ich bin zwar kein Journalist, aber wenn ich fundiert auch zu einem "Thema auf der Straße" Stellung nehmen wollte, müsste ich mich tiefer einarbeiten.

Wenn allerdings "Thema auf der Straße" nur meint, dass man entweder über die neue Frisur vom Nachbarshund schreibt, oder aber ohne größeres Faktenwissen seine Meinung zur nächsten Wahl rausposaunt, kann ich auf ein weiteres unqualifiziertes Magazin wiederum verzichten. Was mir Geld wert wäre, ist der differenzierte, überlegte, abwägende Blick auf aktuelle und wirklich relevante Themen unserer Zeit. Das geht aber nicht mit 4 Stunden Aufwand pro Artikel.
 
Ob Du/wir nun Minderheitler sind oder nicht: die Karte sollte zum Einsatz kommen – und zwar binnen der nächsten 8 Tage! Andernfalls platzt die schöne Idee
Sei froh, dass ich den Thread hier nicht als Werbung verbucht und gelöscht hab. ;)

Das inhaltliche Ziel, nicht von Werbung abhängig zu sein, wäre dann zwar erfüllt, aber so bleibt wenigstens die Erkenntnis, dass das Ansinnen irgendwie paradox ist. :augen:
 
aktualisiert sich die zahl der unterstützer immer um mitternacht oder wie ist das? sonst seh ich ja schwarz.
 
Zurück
Oben Unten