Nur noch Grossstadt (nicht bezahlbar) / Land (schlecht bezahlt)? Wohin treibt es euc

iPhill, in deinem Beitrag #119 sind die Zusammenhänge ein bißchen schief, z.B. über die Landwirtschaft. Aber in einem Punkt hast du recht: Die meisten Arbeitsplätze auf dem Lande hingen früher direkt und indirekt von der Landwirtschaft ab. Um 1900 konnte ein Landwirt 4 Menschen ernähren, vor 50 Jahren schon 17 – und heute sind es 140 Menschen. Damit sank natürlich auch die Zahl der landwirtschaftlichen Arbeitsplätze auf einen Bruchteil. Ein weiterer großer Teil der Arbeitsplätze auf dem Land, nämlich in den Manufakturen, Handwerksbetrieben oder Kleinunternehmen, ging durch die "Globalisierung" verloren. Alte regionale Wirtschaftskreisläufe wurden durch großräumige, globale erstetzt. Auch der Stiefel des Bauern wird heute nicht mehr von einem Schumacher in der Kreisstadt genäht, sondern in China zusammengeklebt. Mit den Arbeitsplätzen gehen auch die Menschen.

Durch diese Entwicklungen schießt der Altersdurchschnitt der ländlichen Bevölkerung noch schneller hoch als im Rest der Republik. Manche Regionen werden damit komplett abgekoppelt, vergreisen und veröden. Während dort immer mehr Wohnraum leersteht, wird der Wohnraum in den Ballungsgebieten immer knapper und teurer.

Das Problem der Abwandrung in die Ballungsgebiete ist schon lange bekannt und wird auch schon lange diskutiert. Im Prinzip haben das alle europäischen Staaten. Deswegen sollten eigentlich EU-Mittel, die bislang in landwirtschaftliche Subventionen geflossen sind, zu einem Teil in die Förderung der ländlichen Räume umgeleitet werden. Warum das nicht klappt, ist ein anderes Thema.

Und nicht alle ländlichen Regionen sind davon betroffen. Manche prosperieren, haben sogar positive Wirtschaftsentwicklungen und steigende Geburtenzahlen. Diese blühenden Regionen können auch mitten in einem ansonsten öden Großraum liegen. Oder sie profitieren von einer Metropole in der Nähe, von einer Unistadt und dergleichen mehr.

Die Frage ist nicht, wo das Leben "besser" ist, auf dem Land oder in der Stadt. Sondern, ob diejenigen, die gern auf dem Land leben würden, dort auch Arbeit finden. In vielen spezialisierten Berufen ist das nicht der Fall. War es früher aber auch nicht, Arbeitsplätze für hochqualifizierte Kräfte waren schon immer in den Städten konzentriert. Und auch auf dem Land macht mindestens ein Drittel der Schüler Abitur. Die gehen fast alle zum Studieren weg und kommen nie mehr wieder, obwohl manche es sehr gerne würden. Die kehren dann als Rentner zurück.

Manchmal sind sie aber auch bereit, ins Risiko zu gehen, es als Selbstständiger oder Freiberufler zu versuchen. Oder einen Kompromiss zu finden zwischen Wohnen auf dem Land und Arbeiten in der Stadt. In meinem eigenen Bekanntenkreis gibt es einige Leute, die eine Art Zwischenlösung für sich entwickelt haben: Drei Tage in der Stadt, zwei Tage Home-Office. Oder 40 Stunden in der Stadt bis Donnerstag abends, dann gleich nachhause. Und mancher Handwerksbetrieb von hier wickelt Aufträge auf weit entfernten Baustellen ab, auch in den Städten, um zu überleben. So ist leider auch ein immer grösserer Teil der ländlichen Bevölkerung immer mehr auf Achse.

In letzter Zeit sind zwei Studien veröffentlicht worden, die für Menschen, die nach einem Platz zum Leben & Arbeiten auf dem Land suchen, hilfreich sein können: Der "Zukunftsatlas" des Prognos-Institutes, der die wirtschaflichen Entwicklungschancen der deutschen Kreise und Kommunen untersucht, und der "Glücksatlas" der deutschen Post. Letzterer hat festgestellt, dass in manchen unterentwickelten Landkreisen überdurchschnittlich viel Menschen glücklich sind.
 
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Das aber, glaube ich, wird sich ändern. Bei mir in der Firma (Großunternehmen im IT Bereich) kannst Du zu 100% Homeoffice machen, wenn du willst. Hier entscheide ich, wo und wie ich arbeite. Und ja, Homeoffice ist für die Firma ein gutes Geschäft. Ich arbeite länger tendenziell, bin entspannter, da ich den scheiss Fahrtstress nicht habe und brauche rechnerisch nur vielleicht einen 1/4 Büroplatz. Das einzige, was ich brauche, ist ein funktionierender Breitbandanschluss von mindestens 6 Mbit/s., ok, ich selbst habe in der einen Wohnung 50 und in der anderen 20Mbit/s. Dafür kann ich meinen Arbeitsort festlegen, wenn ich denn wirklich will.

Dennoch fahre ich natürlich auch öfter ins Büro, allein schon, um die Kontakte zu den Kollegen nicht zu verlieren. Wenn ich aber wollte, könnte ich auch an ein Haus an die Ostsee in Meck-Pom ziehen, sofern es da Internet gibt. Klar, und da würde es sich mit meinem Gehalt ganz gut leben lassen. ;) Nur habe ich da keine Infrastruktur. Dann zwar Geld, kann es aber nicht wirklich ausgeben. Halt wie früher dort. So in der DDR. ;)
 
Dann zwar Geld, kann es aber nicht wirklich ausgeben. Halt wie früher dort. So in der DDR.

warum sollte man in Greifswald, Lübeck, Wismar, Rostock oder Stralsund nicht genau so sein Geld ausgeben können wie in Rosenheim?
 
warum sollte man in Greifswald, Lübeck, Wismar, Rostock oder Stralsund nicht genau so sein Geld ausgeben können wie in Rosenheim?

Nun, in den Städten natürlich schon. Aber wir sprachen ja vom platten Land, unabhängig davon, ob West, Ost, Süd oder Nord. Es gibt Flecken, da ist das nächste wirklich gute Restaurant 100 km entfernt.
Dafür kann ich dann, ohne zu fahren, schon mal kein Geld ausgeben. Sprich: Ich könnte zwar auf dem flachen Land leben und arbeiten, sofern Internet vorhanden, aber die Freizeit dann dort jedenfalls nicht für kostenintensive Dinge nutzen.
Was nützt es mir, wenn ich zwar 1000 EUR im Monat an Miete und Lebenshaltungskosten spare, aber keinen wirklichen Freizeitwert habe, das Geld auch auszugeben. Klar, wenn man natürlich naturbegeistert ist, ok. Aber mir reicht ein Stadtpark oder ein Biergarten. Oder mal den Garten hier zum Grillen.

Insofern hast Du es schon ideal getroffen: In einer der schönsten Städte Deutschlands zu wohnen und dort noch (relativ) geringe Lebenshaltungskosten zu haben - und das bei hohem Freizeitwert. Ja, Dresden Stadt könnte ich mir auch sehr gut vorstellen.
 
um noch mal auf den Threadtitel zurückzukommen: Es gibt durchaus bezahlbare Großstädte in Deutschland. Dazu muss man nur bereit sein, sich an den sächsischen Dialekt zu gewöhnen :) Dresden oder Leipzig sind, was Wohnraum angeht, mehr als bezahlbar, die Lebenshaltungskosten sind niedriger als im Westen und es gibt eine wachsende Wirtschaft die für Fachkräfte durchaus mit dem Westen vergleichbare Gehälter zahlt. Der Supermarkt bei mir um die Ecke hat täglich ausser Sonntag von 08:00 bis 22:00 geöffnet und die Dresdener Innenstadt hat die selbe Einzelhandelsverkaufsfläche wie die Münchener. Das kulturelle Angebot von Dresden oder Leipzig ist in einer westdeutschen Stadt mit einer halben Million Einwohnern nicht zu finden und im Gegensatz zu München (wo ich 30 Jahre gelebt habe) gibt es hier noch eine Subkultur. Man munkelt, dass die Berliner nach Leipzig fahren wenn sie mal wie früher Party machen wollen. Dresden ist eine der grünsten Städte die ich kenne und für Barock- und Gründerzeitliebhaber architektonisch ein Zuckerstück. Kita Plätze sind hier kein grosses Problem und sächsische Schüler stehen bei deutschlandweiten Vergleichen an der Spitze. Ich wohne 200 Meter von den Elbauen entfernt in einem Villenviertel und kann bis in die sächsische Schweiz schauen. Für den Preis meiner Wohnung hier (knapp 170m2 mit 35m2 Dachterasse und 12m2 Balkon) hätte ich München in einem halbwegs netten Viertel ein 30m2 Einzimmerappartement kaufen können. Mein Arbeitsplatz ist leider immer noch in München aber dank home office bin ich in der Regel nur 2-3 Tage in der Woche dort. Und bis zum Ruhestand ist es ja nicht mehr lang :)

Du sprichst mir aus der Seele, dem ist nix hinzufügen...

Wenn dir irgendwann im Frieda mal einer zuzwinkert - ich bin's ;)
 
ich bin fast täglich im Frida an der Tolkewitzer Strasse - wohne ja gleich um die Ecke - aber meisten deutlich vor 22:00. Halte in Zukunft nach mir zuzwinkernden Kunden Ausschau :)
 
ich bin fast täglich im Frida an der Tolkewitzer Strasse - wohne ja gleich um die Ecke - aber meisten deutlich vor 22:00. Halte in Zukunft nach mir zuzwinkernden Kunden Ausschau :)

Wohne auch gleich da um die Ecke, kaufe allerdings nur max. 2 mal die Woche da ein. Schon witzig, wie klein die Welt ist. Als du Wohnort nahe Elbauen und Supermarkt mit Öffnungzeiten 8:00 - 22:00 schriebst, wusste ich gleich, der Frieda in Striesen ist gemeint ;)
 
Ich könnte zwar auf dem flachen Land leben und arbeiten, sofern Internet vorhanden, aber die Freizeit dann dort jedenfalls nicht für kostenintensive Dinge nutzen.
Du hast keine Kinder, einen Job, der dir die freie Wahl deines Lebensmittelpunkts lässt, und enorm viel Geld zur freien Verfügung. Das sind jede Menge Privilegien auf einen einzigen Haufen. Die nutzt du für ein Leben in zwei Städten und der Autobahn dazwischen – kann man machen. Vermutlich wäre jemand mit deinen Bedürfnissen für eine Dorfgemeinschaft auch keine Bereicherung, schon von der Kommunikation her. Es wäre sicher schwierig, Themen für einen höflichen Smalltalk zu finden, geschweige denn gemeinsame Interessen. Selbst unsere beiden FDP-Mitglieder sind sehr ländlich geprägt, bei ihnen würdest du dich auch nicht wohlfühlen. Ich kann dir auch nur den Rat geben, das Land zu meiden. Für dich käme nur Sylt in Frage, die haben da alles, was du brauchst. Und die Nordsee kannst du dir da von ein Restauranttisch aus anschauen. :)
 
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Dafür kann ich dann, ohne zu fahren, schon mal kein Geld ausgeben. Sprich: Ich könnte zwar auf dem flachen Land leben und arbeiten, sofern Internet vorhanden, aber die Freizeit dann dort jedenfalls nicht für kostenintensive Dinge nutzen.
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Ein Haus an der Ostsee und keine Moeglichkeit, die Freizeit fuer kostenintensive Dinge zu nutzen? Du brauchst ein Boot, vorzugsweise natuerlich ein Segelboot. Wirst nicht glauben, wie kostenintensiv das sein kann. Ich weiss, wovon ich spreche. Ist halt nur ein bisschen weiter oben und die Nordsee, aber sonst... :hehehe:
 
Ein Boot! Natürlich! Dafür kann man eine Unmenge Geld ausgeben. Aber: Die frische Luft. Auch wenn man nicht fährt (wie so viele), sitzt man doch irgendwie oft draussen und wird nicht bedient.

Ich glaube, das Hauptbedürfnis von Stadtmenschen wie Lars ist, dass sie qualifiziert bedient werden wollen.
 
Das "Lustige" ist, dass ich in einer Facebook-Gruppe für "Mescheder" bin, und jedesmal, wenn jemand äußert, dass die Stadt doch tot sei und nichts los sei gleich von allen Seiten Contra kommt, doch, natürlich ist da was los, wie könne man so etwas behaupten, in der Stadt sei es doch auch scheiße...


... von den Mietkosten (und den Wohnungskosten) her sehe ich ja ein, dass die Lebenshaltungskosten in der Stadt höher sind.
Dafür braucht man hier nahezu zwingend ein Auto (kann ich mir nicht leisten), da der ÖPNV ein Witz ist und teuer obendrein. Der Standardpreis für einen Döner liegt bei 3,50 (ich würde in einer Großstadt sicher keinen für 1 Euro kaufen, aber für 2,50 bekommt man schon etwas vernünftiges), der einzige Elektronikladen im Ort ist ein "Electronic Partner" mit Apothekenpreisen, und ich kann mir vorstellen, dass Lebensmittel in der Stadt tendenziell auch günstiger sind, da es mehr Konkurrenz gibt..
 
Du hast keine Kinder, einen Job, der dir die freie Wahl deines Lebensmittelpunkts lässt, und enorm viel Geld zur freien Verfügung. Das sind jede Menge Privilegien auf einen einzigen Haufen.
Na ja - ob man ein Leben ohne Kinder so pauschal als Privileg sehen möchte, sei mal dahingestellt... ;)
 
Na ja - ob man ein Leben ohne Kinder so pauschal als Privileg sehen möchte, sei mal dahingestellt... ;)
Finanziell ist es de facto ein Privileg. Ein Kind aufzuziehen bedeutet den Gegenwert eines Einfamilienhauses.

Mental ist das natürlich was anderes. Aber da sehe ich auch mein eigenes Leben als privilegiert an. Mit einem kinderlosen Stadtbewohner in fester Anstellung möchte ich auf gar keinen Fall tauschen. :eek:
 
Na ja - ob man ein Leben ohne Kinder so pauschal als Privileg sehen möchte, sei mal dahingestellt... ;)

Das ist Ansichtssache, sicher. Ich empfinde es als Privileg, mich nicht um solche Rotzer kümmern zu müssen. Da sind mir Hunde lieber. Kosten deutlich weniger und man ist nicht so gebunden. ;)
ABER: Jeder soll selbst entscheiden, was für ihn Glück bedeutet. Wenn es Kinder sind, ja warum denn nicht? Für mich ist es was anderes. Und es ist gut so, dass wir verschieden sind.
 
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