Und das ist gut so. Niemand hat das Recht, sich auf Kosten der Allgemeinheit auszuruhen.
Dieses Recht nimmt sich aber so gut wie niemand heraus. Sozialmissbrauch ist nur bei Bild und RTL ein Thema. Wie sollte ein Mensch auch etwas wollen, das er nicht wollen kann - es sei denn, er weist eine therapiebedürftige Gemütsstörung auf? Isoliert sein will niemand, und gerade unsere heutige Gesellschaft definiert sich über Arbeit und Leistung.
Und wenn der Job, meist mangels beruflicher Qualifikation, eben nur wenig mehr als H4 einbringt, hat man dennoch die gesellschaftliche Pflicht, seinen Lebensunterhalt selbst zu erarbeiten, wenn man dazu in der Lage ist. Alles andere ist Schmarotzertum!
Selbst unter diesen traurigen Bedingungen liegt die Sozialmissbrauchsquote bei max. 1%. Die bösen Schmarotzer, vor denen du dich so fürchtest, spielen keine Rolle.
Es ist mir schon klar, dass du die Schuld am beschämend niedrigen Verdienst von Poor-Workern den Opfern selbst zuschieben musst, um deine Position rechtfertigen zu können. Die haben sich ja früher nicht richtig angestrengt und daher heute keine bessere Qualifikation vorzuweisen, also selber schuld.
Aber das ist blanker Unsinn. Einerseits deshalb, weil man kaum davon ausgehen kann, dass jeder jederzeit - erst recht in jungen Jahren - die Folgen seines Handelns bzw. Nicht-Handelns zu überblicken in der Lage ist; die Schuldfrage ist also alles andere als geklärt.
Andererseits werden diese Arbeiter ja durchaus gebraucht, wie man täglich erleben kann. Was ihre Arbeit wert ist, bestimmt aber nicht allein der "Markt", sondern maßgeblich auch der, der die Regeln macht, der Staat. Hätte man stets nur die Unternehmer bestimmen lassen, was sie für Arbeit bezahlen, würdest du jetzt sicherlich nicht im Warmen sitzen und einen unverschämt hohen Lebensstandard genießen, sondern dich mit den unvergleichlich schlechteren Rahmenbedingungen einer stagnierenden Wirtschaft arrangieren müssen. Denn so weit wäre der Kapitalismus nie gekommen, er wäre an sich selbst zugrunde gegangen. Nur weil es Gewerkschaften gab und Regeln, die die Arbeitnehmer schützten, konnte der Kapitalismus weiterlaufen und all den technologischen Segen hervorbringen, der dir lieb und teuer ist.
Was ist ein Hermes-Fahrer wert? Wenn man ihn für fast umsonst bekommen kann, so gut wie nichts, und dafür sorgt ja die Agenda 2010. Ob man auf ihn auch locker verzichten könnte, ist aber eine andere Frage, die keinesfalls geklärt ist. Neoliberale sind der Ansicht, dass Hermes unverzüglich pleitegehen würde, und ganz Deutschland mit dazu, falls man dem Poorworker auch nur nen Euro mehr bezahlen würde. Ich würde es aber gerne mal darauf ankommen lassen. Wie will Hermes den Fahrer ersetzen? Oder geben die ihr Geschäft auf, weil sie weniger Profit machen? Kann ich mir eigentlich nicht vorstellen.