Klarnamenpflicht bei Macuser

… Apropos Nachnamen: Entstehen heutzutage eigentlich noch neue und wenn ja, wie und warum?
… Zum Beispiel durch Eindeutschung ausländischer Bürger. durch Änderung zweifelhafter Namen.

In Maßen entstehen neue Nachnamen schon noch. Wie Jürgen schon schrieb: etwa bei Einbürgerungen. Zwar würden lateinischschriftliche Namen im Grunde übernommen und solche aus anderen Schriftsystemen nach Transkriptionstabellen latinisiert, trotzdem geschieht das bisweilen richtig unsystematisch:

Da heißt, bzw. schreibt sich eine nunmehr deutsche griechenlandstämmige türkische Bundestagsabgeordnete Giousouf. Wird gerne mal in den Nachrichten ['ʤusuf] anstelle ['jusuf] ausgesprochen, weil die Schreibung vermutlich irrigerweise dem Italienischen zugeordnet wird. Yusuf (also in türkeitürkischer Schreibung) heißt sie aber nicht, da griechisch Γιούσουφ (sie kommt nunmal aus Griechenland und nicht der Türkei) bereits buchstabengetreu griechisch und nicht lautlich nach Transkriptionstabelle Jus(s)uf übertragen wurde.

Oder mal urdeutsch: Da gibt es diese unzähligen Namen mit <hs> etwa Grohsmann, Preuhs. Die haben in relativ junger Zeit (so ab den 1920ern, spätestens aber seit der Schriftreform von 1941) erst ihre historisch gesehen falsche Schreibung bekommen. Weil nämlich irgendein (Standes-)Beamter beim Schreibmaschinenverschriftlichen von handschriftlichen Geburts-, Heirats- oder Sterberegistern die (handschriftliche!) Schreibung Groſsmann, Preuſs (bei der das <ſ> wie ein Sütterlin-/Kursive-<h> ausgeformt ist) nicht mehr verstanden hat.

Und selbst die Verfasser jener handschriftlichen Register müssen bereits 50 bis 100 Jahre zuvor <ſs> und <ſʒ> durcheinandergeworfen haben. Erstere Schreibung sollte <ſſ> am Silben- bzw. Wortende (also nach Kurzvokal) ersetzen, letztere stimmloses nach Langvokal im Silbenanlaut kennzeichnen (vgl. Fluſs < Fluſſes/Flüſſe, aber Fuſʒ < Fuſʒes/Füſʒe).

Als sich dann die Nicht-Unterscheidung von <ſs> und <ſʒ> durchgesetzt hatte (vermutlich wegen der immerschon gewesenen Nichtunterscheidung in Fraktur (dort nur das Ess-ʒett) – wohingegen Groteskschriften, die <ſ> und <s> unterschieden, zumindest anfänglich auch <ſs> und <ſʒ> unterschieden), ging auch bei den Handschreibern das Wissen darüber verloren und benutzen <ſs> und <ſʒ> eins wie das andere (bzw. gewöhnlich immer nur eins von beiden).

In den 1990ern dann gab es Verwaltungsanweisungen dahingegen, diesen »Fehler« wieder zu korrigieren. Was bei Pass- oder Personalausweisneuausgaben dann dazu führte, dass sich Familien Grohsmann und Preuhs in der nun normalisierten Schreibung Großmann und Preuß ihrer Identität beraubt fühlten. Da es die »falschen« Schreibungen aber immer noch gibt, nehme ich an, dass die Ämter ihre Normalisierungsbestrebungen nicht lange fortgesetzt haben.
 
Zuletzt bearbeitet:
Junge Junge. Was man nicht alles wissen kann.

:thumbsup::upten:
 
In Maßen entstehen neue Nachnamen schon noch. Wie Jürgen schon schrieb: etwa bei Einbürgerungen. Zwar würden lateinischschriftliche Namen im Grunde übernommen und solche aus anderen Schriftsystemen nach Transkriptionstabellen latinisiert, trotzdem geschieht das bisweilen richtig unsystematisch:

Da heißt, bzw. schreibt sich eine nunmehr deutsche griechenlandstämmige türkische Bundestagsabgeordnete Gioussouf. Wird gerne mal in den Nachrichten ['ʤusuf] anstelle ['jusuf] ausgesprochen, weil die Schreibung irrigerweise dem Italienischen zugeordnet wird. Yusuf (also in türkeitürkischer Schreibung) heißt sie aber nicht, da griechisch Γιούσσουφ (sie kommt nunmal aus Griechenland und nicht der Türkei) bereits buchstabengetreu griechisch und nicht lautlich nach Transkriptionstabelle Jussuf übertragen wurde.

Oder mal urdeutsch: Da gibt es diese unzähligen Namen mit <hs> etwa Grohsmann, Preuhs. Die haben in relativ junger Zeit (so ab den 1920ern, spätestens aber seit der Schriftreform von 1941) erst ihre historisch gesehen falsche Schreibung bekommen. Weil nämlich irgendein (Standes-)Beamter beim Schreibmaschinenverschriftlichen von handschriftlichen Geburts-, Heirats- oder Sterberegistern die (handschriftliche!) Schreibung Groſsmann, Preuſs (bei der das <ſ> wie ein Sütterlin-/Kursive-<h> ausgeformt ist) nicht mehr verstanden hat.

Und selbst die Verfasser jener handschriftlichen Register müssen bereits 50 bis 100 Jahre zuvor <ſs> und <ſʒ> durcheinandergeworfen haben. Erstere Schreibung sollte <ſſ> am Silben- bzw. Wortende (also nach Kurzvokal) ersetzen, letztere stimmloses nach Langvokal im Silbenanlaut kennzeichnen (vgl. Fluſs < Fluſſes/Flüſſe, aber Fuſʒ < Fuſʒes/Füſʒe).

Als sich dann die Nicht-Unterscheidung von <ſs> und <ſʒ> durchgesetzt hatte (vermutlich wegen der immerschon gewesenen Nichtunterscheidung in Fraktur (dort nur das Ess-ʒett) – wohingegen Groteskschriften, die <ſ> und <s> unterschieden, zumindest anfänglich auch <ſs> und <ſʒ> unterschieden), ging auch bei den Handschreibern das Wissen darüber verloren und benutzen <ſs> und <ſʒ> eins wie das andere (bzw. gewöhnlich immer nur eins von beiden).

In den 1990ern dann gab es Verwaltungsanweisungen dahingegen, diesen »Fehler« wieder zu korrigieren. Was bei Pass- oder Personalausweisneuausgaben dann dazu führte, dass sich Familien Grohsmann und Preuhs in der nun normalisierten Schreibung Großmann und Preuß ihrer Identität beraubt fühlten. Da es die »falschen« Schreibungen aber immer noch gibt, nehme ich an, dass die Ämter ihre Normalisierungsbestrebungen nicht lange fortgesetzt haben.

Interessant.

Das wären aber eher neue Formen bestehender Namen.

Gänzlich neue Nachnamen scheinen dennoch nicht zu entstehen. Irgendwie finde ich das verblüffend. Die meisten Nachnamen entstanden ja wohl im Kern vor Jahrhunderten, und nun, trotz Bevölkerungsexplosion, bleibt alles - bis auf Veränderungen, Einbürgerungen, Doppelnamen etc. eher alles beim Alten. Durch Heirat müssten eigentlich, bei Übernahme eines Namens, sogar viele wieder wegfallen (wobei sich das ausgleichen könnte)

Dann dürfte es in Zukunft wohl kaum einen Hans Astronaut, eine Maja Analyst oder einen Heribert Dolmetscher geben ...

Oder eine Silvya Spion ... :eek:
 
… Gänzlich neue Nachnamen scheinen dennoch nicht zu entstehen. Irgendwie finde ich das verblüffend. Die meisten Nachnamen entstanden ja wohl im Kern vor Jahrhunderten, …
Im deutschen Kontext trifft das wohl zu; aber gerade das (Türkei-)Türkische zeigt ja, dass Nachnamen im Zusammenhang mit der Westorientierung ab Mitte der 1920er Jahre (gewissermaßen in historischer Zeit) spontan erfunden wurden, d.h. die Leute mussten sich selbst einen Namen suchen.

Da sind dann alle auch aus dem Deutschen bekannten Bildungsmuster dabei (am Beispiel von Kabarettisten, Politikern, Fernsehschaffenden):

Berufe- oder Tätigkeiten: Somuncu (je nach Lesart) »Rundbrot-« oder »Schraubenmuttern-Macher« (dass sein Ahn Bäcker war, erscheint mir plausibler als dass dieser Dreher gewesen wäre, aber wer weiß?);

Eigenschaften und Zuschreibungen: Çevikkollu »flinkarmig«; Demirel »Eisenhand«; Topal »hinkend« (vgl. lat. Claudia, »die Hinkende«); Özdemir »reines Eisen«; Dağdelen »bergdurchbrechend«; Deligöz »verrücktes Auge«;

Tiere und Pflanzen: Doğan, Şahin beides »Falke«; Erdoğan »männlicher Falke«; Gül »Rose«; Atalay »Kavallerie«[SUP]1[/SUP]

Orte: Karadeniz »Schwarzes Meer«; Kızıltepe »roter Hügel«

oder Satznamen: Sevindim »es hat mich erfreut«; Coşar »er gerät in Begeisterung«; Yanar »er brennt«; Hakverdi »er hat Gerechtigkeit gegeben«

und natürlich zu Nachnamen unfirmierte Vatersnamen auf -oğlu (3.Pers. Poss. von oğul »Sohn«).

So eine landumspannende Suche nach dem eigenen Nachnamen ist fürs Deutsche nicht mehr zu erwarten; die Ausnahme sind Einzelfälle, wo jemand einen evtl. abschätzig klingenden Namen ändern lässt: wo sind die Hitlers et al. geblieben? oder wo sich jemand einen anderweitig ungewöhnlichen Name »normalisieren« lässt. Aber die werden jetzt wohl nicht einen auffälligen Namen durch einen neuen auffälligen ersetzen.

Und nicht zu vergessen die Länder ohne Nachnamen. Etwa Island, das nur Vatersnamen kennt. Falls die mal auf die Idee kommen sollten, sich nach europäischem Muster Familiennamen zuzulegen, würden wohl auch die Isländer das Namensrad nicht neu erfinden.

___________
[SUP]1[/SUP] falls ich die Auflösung in at »Pferd« und dann alay »Regiment« richtig hinbekomme; alay kann aber auch »Menschenansammlung«, »Haufen«, »Festzug«, dann aus einem anderen Wort auch »Spott« bedeuten.
EDIT: Eine Online-Namensliste übersetzt es mit »mein Vorfahr«, zerlegt es also in ata »(Groß-)Vater/Vorfahr«+lay (wobei ich aber lay nicht zuordnen vermag. Ich würde für »mein Vorfahr« einfach nur atam oder cetim erwarten; vielleicht kann da ein Muttersprachler aushelfen) ;)
 
Zuletzt bearbeitet:
fa, Du bist echt gut ey, lese Deine Beiträge immer wieder sehr gerne.
Danke.

Edit: Mehr gelernt als in 2 Jahren Deutsch LK. (12 Punkte)
 
Frank Enstein

Theo Loge
 
Lassmiranda Dennsiewillja

:d
 
Zurück
Oben Unten