Ratingagenturen - Wohl oder Übel?

Sebs

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Hi,

ich hab vor einiger Zeit "Inside Job" gesehen, der zu einem großen Teil von Ratingagenturen und deren Rolle bei der Finanzkrise handelt. Nachdem das Thema in den letzten Tagen wieder durch die Medien ging hab ich mir mal den Wikipedia-Artikel dazu durchgelesen und bin ehrlich gesagt etwas schockiert das es diese Organisationen überhaupt geben darf. Mir kommt es vor als sei diese Geschäftsfeld die reinste Goldgrube ohne irgendwelchen Risiken ausgesetzt zu sein.

So steht dazu im Wikipedia-Artikel:
Im Juli 1975 setzte die US-Börsenaufsicht (United States Securities and Exchange Commission) fest, dass die Rating-Agenturen die einzigen sein sollten, die die gesetzliche Verpflichtung der Unternehmen erfüllen dürfen, sich bewerten zu lassen, ehe sie für den amerikanischen Kapitalmarkt zugelassen werden. Dies musste von mindestens zwei zugelassenen Rating-Agenturen geschehen. Zugelassen wurden dafür ausdrücklich nur Standard & Poor’s, Moody’s und Fitch Ratings.
Dadurch wird ja nun eindeutig künstlich ein Oligopol geschaffen wird.

Zudem sind sie scheinbar für ihre Bewertungen nicht zu belangen. Standard&Poor's hat soweit ich das noch richtig in Erinnerung haben noch am Tag vor dem Zusammenbruch von Lehmann Brothers eine "A+"-Wertung ausgegeben und sich später im Gerichtsverfahren damit herausgeredet, sie würden nur "persönliche Einschätzungen" veröffentlichen.

Übersehe ich einen entschiedenen Vorteil oder gibt es ihn einfach nicht, beziehungsweise als wie wichtig und valide sind diese Einschätzungen zu erachten?
 
Ich habe schon seit längerem den Eindruck dass die Ratingagenturen weniger damit beschäftigt sind objektive Ratings zum Schutz der Finanzwelt zu erstellen als vielmehr mit taktisch sinnvollen Ratings die Finanzwelt in eine Weise zu beeinflussen die den eigenen Zielen (Geld verdienen) entgegen kommt. Das Rating beeinflusst, zu welchen Konditionen man sich Geld leihen kann, und damit kann man helfen oder auch schaden.

Was ich sage will Die Eigentümer und Betreiber solcher Agenturen haben auch eigene finanzpolitische Interessen, und haben mit ihren Ratings für die sie auch kaum zu belangen sind einen wunderbaren Hebel in der Hand. Der Missbrauch dieses Hebels liegt da nah, es wäre nur allzu menschlich.
 
Was ich sage will Die Eigentümer und Betreiber solcher Agenturen haben auch eigene finanzpolitische Interessen, und haben mit ihren Ratings für die sie auch kaum zu belangen sind einen wunderbaren Hebel in der Hand. Der Missbrauch dieses Hebels liegt da nah, es wäre nur allzu menschlich.

sehe ich irgendwie auch so.

Insbesondere wenn man bedenkt, welche Topwertung die Schrottbriefe vor der Finanzkrise hatten.
Bei Ländern schon interessant, das man Europa droht abzustufen, wenn sie nicht ihre Schulden in Griff bekommen. Gleichzeitig aber die Amis, die vergleichbare Schulden in relation zum BIP bei geringer Staatsquote in Ruhe lässt.

In der Theorie sind sie natürlich richtig, denn sie legen die Finger in die Wunde. In der Praxis bleibt halt vieles im Dunkeln wonach sie wirklich bewerten.

Der Zwang zum Rating einerseits, die Nichthaftung anderseits ist für mich auch ein Widerspruch.

Entweder habe ich ein halbwegs objektives Rating, das auch belastbar ist und mache es deswegen zur Pflicht oder ich lass es.

Da viele große Investoren nur in bestimmte Ratingklassen investieren dürfen, lassen sich Märkte relativ leicht manipulieren.

Was meiner subjektive Meinung aktuell eh häufig gemacht wird (wenn auch nicht zwangsweise durch Ratingagenturen), weil die Intradaykurse teilweise schon sehr stark schwanken.
 
Wie immer ist das Problem, dass es so einfach nicht ist…
Bei der Ausgestaltung unseres Finanzmarktes (oder Mehrzahl?), ist eine staatsunabhängige Organisation unbedingt nötig - wer würde sonst die Kriterien für eine Bewertung aufstellen und kontrollieren. Die Ratingagenturen allein sind also nicht das Problem, sondern der Rattenschwanz an Folgen, die eine Aussage hat. Beim geringsten "Huster" springen die Märkte auf den Zug oder ab, auch das ist in Ordnung, solange es sich um reale Käufe und Verkäufe handelt. Dann kommen aber noch die Leerverkäufe, die überhaupt nichts kaufen oder verkaufen, sondern eben nur zocken, da dieser Handel aber immer mehr zugenommen hat, ist ihre Hebelwirkung enorm (die gleiche Hebelwirkung auf die die Bundesregierung bei ihren Stützungspaketen gehofft hatte…*nur hat DEM Braten keiner getraut).

Bei den Leerverkäufen kann man sogar gewinnen, wenn die Werte Verluste erzeugen - nur irgendjemand muss den "Gewinn" letztlich bezahlen, besonders ungünstig wenn real Kapital vernichtet wurde… Es wird ein vielfaches mehr an Werten gehandelt, als real vorhanden ist und alle wollen nur eins: verdienen. Eine Milchmädchenrechnung ähnlich einem Pyramidenspiel - die ersten Zocker gewinnen, die anderen zahlen. Solange jeder darauf spekuliert zu den ersten zu gehören wird weiter gezockt, die Staaten schauen zu, weil sie bei den Transaktionen mitverdienen (insbesondere London) und einige verweigern strikt jede Veränderung. Meine Einschätzung ist, dass sich die ändern wird. Der Wildwuchs muss gekürzt werden, nicht nur das Individuum muss kontrolliert werden (wie zunehmend in vielen Staaten) sondern vor allem das Kapital und seine "Spieler".
 
Die Rating Agenturen sind auch anglophil. Die USA hat Schulden wie blöde, Geld wird nur noch gedruckt und nicht mehr erarbeitet, die Bildungseinrichtungen verkommen und es werden nur noch Mac-Jobs geschaffen oder das hochverschuldete England, das nur noch aus den Banken in London besteht nachdem das produzierende Gewerbe irgendwann mal kaputtgegangen ist - beide kommen bei den Rating Agenturen recht gut weg.
Andererseits ist es jedem Halbaffen klar ersichtlich, das das europäischen Modell mit Schulden machen und alte Schulden mit noch mehr neuen Schulden zu bezahlen auch nicht funktionieren kann. Das man hierfür Rating Agenturen braucht um das den europäischen Politikern klarzumachen ist das eigentlich Perverse.
 
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