Generation unter Strom

Grundsätzlich stimme ich hier vielen zu: Ich glaube es handelt sich hier um eine Phase… die Gerätschaften haben sich im Vergleich zu früher zwar verändert, aber als sehr junger Mensch definiert man sich zu großen Teilen über seine Freunde. Da kann beispielsweise ein längerer Urlaub mit den Eltern ohne ständige Erreichbarkeit und Teilhaberschaft am aktuellen Cliquengeschehen fast so etwas (Achtung überspitzt formuliert!) wie den sozialen Selbstmord bedeuten. Zwei Wochen sind im Alter von Spoeges Tochter noch eine lange Zeit, besonders, wenn man nicht im Mittelpunkt des Geschehens steht oder daran teilhaben kann. Eltern sind sozusagen eine andere Ebene und auf andere Art und Weise bedeutsam.

Genauso wie hier einige berichten: Früher saß man gemeinsam mit Freunden vor dem C64/Amiga, hörte gemeinsam Walkman – jeweils mit nur einem Ohrhörer, weil man den anderen der Freundin gab und schrieb sich stundenlang irgendwelche Briefchen. Ich habe hier noch einen riesigen Karton mit hunderten von Briefen die ich im Alter von 14 Jahren meiner damaligen besten Freundin schrieb bzw. von ihr bekam… heute sind die besprochenen Dinge für mich belanglos, zu dieser Zeit waren sie wahnsinnig wichtig. Telefoniert wurde bis zum Abwinken, auch wenn man sich vielleicht erst einige Stunden vorher gesehen hatte. Und wessen Eltern standen nicht daneben und schüttelten den Kopf… »Ihr habt Euch doch gerade erst gesehen, was habt ihr denn jetzt noch zu besprechen…«

Einige Jahre später wird man ruhiger und gewinnt einen anderen Blickwinkel auf Freundschaften und das soziale System in dem man sich befindet. Ordnet Freundschaften, sortiert in wichtiger und unwichtiger und räumt vielleicht auch seiner Familie wieder größeren Raum ein.

Bei meinen zitierten Cousinen und Co. versuche ich das nicht aus den Augen zu verlieren… mein Cousin ist beispielsweise gerade auf dem Weg heraus aus dieser Phase. Da ist es wahnsinnig cool mich im Sommer für eine Woche zu besuchen und ganz andere Dinge zu erleben… Freunde hin oder her. Plötzlich wird eifrig diskutiert und ich für meinen Teil bin dann nur noch von dieser voranschreitenden Reife beeindruckt… gerade weil ich jetzt von außen diesen beginnenden Prozess beobachten kann, den ich selbst irgendwann vor nicht allzuvielen Jahren durchlebt habe.
 
@ Blomqiust, Angel, etc:
Ich habe absolut keine Probleme mit Musikhören, SMS-Schreiben und Chatten, ich benutze das alles selbst.
Weder haben wir eine Kommunikationsstörung in der Familie, noch möchte ich das Verhalten unserer Tochter und vor den Familienrat bringen. Meine Frau und ich beobachten es aufmerksam und reden darüber, möchten aber noch nicht mit irgendwelchen Restriktionen einschreiten.

Ich versuche, ein Phänomen zu verstehen, wie es auch Internetlady beschreibt:
Die permanente elektronische Kommunikation über Medien wird zu einem zentralen Lebensbedürfnis, während die unmittelbare Kommunikation von Mensch zu Mensch offensichtlich Probleme aufwirft.
Ein Treffen der Freundinnen ist ohne den Konsum von Musik/Fernsehen nicht mehr denkbar. Eine Geburtstagsfeier ohne DVDs-gucken auch nicht. (Und das beobachten auch befreundete Eltern, die Töchter im gleichen Alter haben.) Der Austausch über das Gesehene findet, wie iLady schreibt, dann hauptsächlich hinterher über Handy/Internet statt.
In Elternhäusern, in denen der Fernseher tagsüber nicht laufen kann oder die keine DSL-Flatrate haben, treffen sie sich gar nicht erst.

Ich habe ja schon erwähnt, dass sie Stille und Gesprächspausen offensichtlich als furchtbar unangenehm empfinden.
Damit einher geht eine verbale Kommunikation, die langsames, nachdenkliches Sprechen vermeidet. Sie schiessen Hochgeschwindigkeits-Wortcluster ab, die mit "keine Ahnung" getrennt werden und im wesentlichen aus vorgefertigten Worthülsen bestehen.
Ernsthaftere Reflektionen finden dann erst wieder auf elektronischem Wege statt.

Ich vermute (mal so als Arbeitshypothese), dass diese Mädchen unter starkem Konformitätsdruck stehen. Sie leben, überspitzt formuliert, in der ständigen Angst, wegen Äusserlichkeiten oder Gefühle ausgegrenzt zu werden.
Die Art der Kommunikation, die sie bevorzugen, ist stark kontrolliert und orientiert sich an Leitbildern aus dem Fernsehen, die sie kaum erreichen können.

Ich will diese Beobachtungen nicht verallgemeinern, aber sie kommen mir ziemlich generationstypisch vor, auch bei Jungs.
Hier in der Bar kann ich das ja mal vorbringen, denke ich, zumal ich diesen Worthülsen und -clustern hier auch auffällig häufig begegne.
 
Nun, ich habe das ADS Syndrom, bin kinetisch hyperaktiv und ich kann nicht behaupten, dass ich das Gefühl habe, das alle so sind, die Leute sind heute vielleicht schnell, aber unter Strom stehen sie, nach meiner Meinung nicht.


Frank T.
 
Tirade

spoege schrieb:
Ich vermute (mal so als Arbeitshypothese), dass diese Mädchen unter starkem Konformitätsdruck stehen. Sie leben, überspitzt formuliert, in der ständigen Angst, wegen Äusserlichkeiten oder Gefühle ausgegrenzt zu werden.

Lieber Spoege,

ich nehme dieses Zitat einmal aul Aufhänger...

Natürlich gibt es einen extremen Konformitätsdruck in europäischen Gesellschaften (sicher auch in andereren, jedoch ist das hier wohl nebensächlich gerade).
Und was soll ich sagen? - Da steht eine Elterngeneration nach der anderen hilflos genau dem FDruck gegenüber, den sie selbst erschuf. Sorry, aber es ist eine Bisnsenweisheit, die man seit über 30 Jahren schon und ohne jegliches Zugangsproblem lesen kann.
Was war denn in den 80-er Jahren? Wer Puma trug, war ein Verlierer in Westdeutschen Schulen; wer keinen C64 hatte, dito; Jeansmarken waren genauso wichtig (realtiv betrachtet) wie heute. Der Walkman? - notwendiges Accecoir...

Die 80-er seien hier nur als Beispiel angeführt.

Und nun? Ist es eventuell so, daß es jetzt wir sind, die maulend durch die Internetforen ziehen, weil man "die Jugend" einfach nicht versteht...? Venga, es ist doch nicht sooo lange her, daß "wir" die Unverstandenen waren, oder? haben wir nichts mehr drauf, als zu wiederholen, was unsere Elterngenerationen vollbracht haben?

Doch haben wir: Wir erhöhen den Konformitätsdruck. Komisch, wenn sich dann Jugendliche dazu verhalten...

Und noch einer:
1955 (!) veröffentlich ein gewisser Erich Fromm aus dem Exil heraus ein lustiges kleines Bändchen: "Wege aus der kranken Gesellschaft". Nicht ohne zu grinsen, kann man das heute lesen und sich fragenb, ob der Mann einen so scharfen analytischen Blick hatte, oder, ob es eventuell so ist, daß es eben so bequem ist, einfach immer weiter auf einem Weg zu gehen - wie es Lemminge auch tun würden.... Und zwar in die dem Titel des Buches diametralen Richtung.

Spoege, ich kann sehr wohl Deine (Eure) Sorgen verstehen und Ernst nehmen. Gesellschaftlich betrachtet aber, muß ich sagen, daß da einige Hausaufgaben liegen blieben und nun den nächsten aufgehalst werden.

Diese nun heranwachsende Generation bekommt m.E. relativ klare Aussagen auf den Weg. Und sie verhält sich zu diesen, wie es jede Generation tat. Neu ist eins: Die heutigen Eltern drehen "den Spieß um". Sie machen Ihren Kindern konkurrenz (wie dumm, sie können nur verlieren); vor allem aber definieren sich heute EWrwachsene als "Opfer" der Jugend. Ich lach mich darüber inzwischen nur noch schlapp.

Da hat eine Generation der heute 45 - 60 jaährigen eine nie dagewesene gestaltungshoheit in einer Gesellschaft und statt sie zu nutzen und endlich mal ernst zu machen, betet sie die Individualisierung an, wie eine Götze, um sich darüber zu beschweren, daß die einen Kinder Individueen werden. Sie fröhnt dem Konsum, wie niemand vor ihr, um sich postwendend "ernste gedanken" darüber zu machen, daß "die Jugend" nur noch an iPods o.ä. denken würde (was erwiesener Blödsinn ist).

Komisch.... war da was, als diese Generation Jugendlich war? Was wurde über sie gesagt? War das nicht jene polarisierte Jugenbd, die entweder in der Jungen Union, oder in der Freidensbewegung war (um es einmal auf die Spitze zu treiben)? Und die Fragen dieser Generation?

- Ist der Wald gesünder?
- Sterben weniger Arten aus?
- Ist die Bedrohung durch Krieg und Massenvernichtung gesunken?
- Können Kinder endlich ohne Hunger und Armut wachsen und lernen?
- Haben Frauen endlich den gleichen gesellschaftlichen Stand, wie Männer?
- Wird es enrst genommen, wenn Jugendliche sagen "Kein Krieg!"?
- ....

Ach so, wir kamen nicht dazu, Antworten zu formulieren... Ich geb hier einmal ein einzighes Beispiel aus dem großen Buch gesellschaftlicher Kommunikation:

Als vor ca. 3 Jahren in Hamburg sehr viele Tausend Schüler und Jugendliche gegen den Irak-krieg demonstrierten, blieben mir zwei Bilder im Kopf: Zwei 13-14 jährige, die sich vor einem Wasserwerfer auf Bäume auf den Alsterbrücken flüchteten und doch noch getroffen wurden, sich an den Bäumen festklammerten.
Und ein Polizeikessel, in dem zig-Schülerinnen und Schüler auf einer Straßenkreuzung festgehalten wurden. Stundenlang. Als eine (!) Anwohnerin diesen Kindern wenigstens etrwas zu trinken bringen wollte, wurde versucht auch sie nicht mehr aus diesem Kessel zu lassen.

Das ist kein komplettes Bild einer Gesellschaft. Nein es ist einseitig und ungerecht. Das soll es auch sein. Weil es exemplarisieren soll, was gemeint ist: Glaubt ihr denn ernsthaft, daß z.B. die hier beschriebenen Jugendlichen eine Erfahrung machten, die Ihnen sagt, daß sie gefragt sind, daß sie wichtig sind, daß sie gehört und ernstgenommen werden? Ja letzteres, sie wurden wirklich ernst genommen und der Staat reagierte. Mit Schilden und Knüppeln und Wasserwerfern. Das ist nicht durchgehend so, aber es ist auch so. Und es nicht gut so.

Zurück zum Konformitätsdruck.... Diese Form gesellschaftlicher Kommunikation erzeugt den nämlich auch. Wer demonstriert und aufmuckt, Fragen stellt und nicht einverstanden ist, bekommt zu spüren, was ein staatliches Gewaltmonopol so im Köcher hat. Dabei sind die, die zweifeln und über Ihre Zweifel reden und sie dann auch öffentlich zeigen, diejenigen, die eine Gesellschaft tragen.

Nicht die Luschen, die alles immer mitmachen und die Designerjeans von Ihren Eltern genauso in den Arsch geschoben bekommen, wie diese es lernten und niemals den eigenen Kopf benutzten.

Ich bin wütend und dies ist eine Tirade...Also: Wer in den 80-ern nichts anderes als Benneton, Computer und die richtigen Boots im Schädel hatte, dabei Modern Tsalking hörte und die Sweatshirts IN der jeans trug, seitdem für Helmut Kohl (oder Nachfolgende) stimmte - möge sich setzten, lernen, lesen und schweigen, bis er wirklich und das erste Mal einen eigenen Satz formulieren kann. (Anmerkung: Spoege ist hier eindeutig nicht persönlich gemeint!!!!)
Und wer seitdem fürchterlich Hip ist und ganz tolle Webseiten und Kampagnen macht und findet, die anderen waren schon immer nur Schaafe, man selbst aber ist einfach cooler und war es schon immer: Ihr seid viel schlimmer.

Ok - jetzt geht's wieder einigermaaßen :D
 
Barcelona,
mir gehts in erster Linie um neue Kommunikationsformen, nicht um innere Einstellungen.
Ich sehe (z.B. bei den jährlichen Protesten gegen die Atommülltransporte), dass der Anteil der politisch bewussten und aktiven Jugendlichen nicht geringer ist als in den 70ern und 80ern. Auch die besagte 13jährige ist nachdenklich und engagiert, reflektiert in einem erstaunlich starken Mass, was in der Gesellschaft vorgeht.

Aber untereinander, so scheint es zumindest, sind sie sehr vorsichtig, wenn es um diese Reflektionen geht. Es scheint ihnen unangenehm zu sein, über Gefühle und noch unausgegorene Gedanken, also über sich selbst zu reden.
Sie meiden Situationen, in denen solche Gespräche entstehen könnten, überdecken stille und ruhige Momente mit ständigen Mediengetöse.

Stattdessen starren sie unausgesetzt auf irgendwelche Displays mit geschriebenen Nachrichten und antworten - obwohl die doch nur einen Bruchteil dessen an Informationen und Zwischentönen widergeben können, was im persönlichen Gespräch möglich ist.

Griffig formuliert: Sie haben noch nie so viel Verbindung miteinander gehabt, aber sich auch noch nie so wenig mitgeteilt.
 
spoege schrieb:
Barcelona,
mir gehts in erster Linie um neue Kommunikationsformen, nicht um innere Einstellungen.
Ich sehe (z.B. bei den jährlichen Protesten gegen die Atommülltransporte), dass der Anteil der politisch bewussten und aktiven Jugendlichen nicht geringer ist als in den 70ern und 80ern. Auch die besagte 13jährige ist nachdenklich und engagiert, reflektiert in einem erstaunlich starken Mass, was in der Gesellschaft vorgeht.

Aber untereinander, so scheint es zumindest, sind sie sehr vorsichtig, wenn es um diese Reflektionen geht. Es scheint ihnen unangenehm zu sein, über Gefühle und noch unausgegorene Gedanken, also über sich selbst zu reden.
Sie meiden Situationen, in denen solche Gespräche entstehen könnten, überdecken stille und ruhige Momente mit ständigen Mediengetöse.

Stattdessen starren sie unausgesetzt auf irgendwelche Displays mit geschriebenen Nachrichten und antworten - obwohl die doch nur einen Bruchteil dessen an Informationen und Zwischentönen widergeben können, was im persönlichen Gespräch möglich ist.

Griffig formuliert: Sie haben noch nie so viel Verbindung miteinander gehabt, aber sich auch noch nie so wenig mitgeteilt.

Als ich damals mit meinem Kollegen vorm C64 saß, haben wir stundenlang kein einziges Wort miteinander geredet (bis auf:"boah, scheiße, schon wieder gekilled!").

Eine reflektierte, tiefergehende Kommunikation fand nicht statt. Das ist einfach nicht das Ding von Menschen in diesem Alter. Das fängt erst später richtig an.

Und auf der anderen Seite:
Wenn deine Tochter die Welt ansonsten sehr reflektiert sieht, warum sollte das unter ihren Freunden nicht auch stattfinden (vielleicht nur nicht im Blickfeld der Eltern?)

Ich fand es früher unangenehm mit meinen Eltern über Freunde zu reden. Irgendwas ernsthaftes habe ich mit meinen Freunden vor meinen Eltern nie besprochen.

Ich glaube wirklich, du siehst das zu negativ.
 
klarer fall, spoege, du wirst alt!!!

wie schon so oft hier geschrieben, gabs auch bei uns c64-gedaddel, formel1- und alf-geglotze und stunden über stunden lego-autismus unter pumuckel und ???-berieselung.
aber geredet, philosophiert und in die sterne geglotzt wird heute auch noch - und wie damals ist kein erwachsener dabei ...

wie in dem berühmten gary larson-cartoon, als die stallbewohner schlau daherreden, dann kommt der bauer und alles quiekt, grunzt und pickt wieder.

von meiner jugend haben meine eltern vielleicht real 30% prozent mitbekommen, man ist doch ständig unterwegs!
 
hanselars schrieb:
Ist das Erlebnis, zu Hause eine CD zu hören, so unvergleichlich beeindruckender als dieselbe Musik in einem anderen Codec in der Bahn zu hören?

Also, ich bitte dich. Du willst doch nicht behaupten, dass du keinen Unterschied zwischen ner mp3 in der Strassenbahn auf nem billigen Kopfhörer und ner Schallplatte zu Hause auf ner ordentlichen Anlage hörst?
 
spoege schrieb:
Immer ist Musik an.
Am besten, der Fernseher läuft.
Wenn sie aus dem Haus gehen, nur mit MP3-Player.

Sie gehen, kaum dass sie durch die Tür gekommen sind, mit auf das Handy-Display gesenktem Blick durch den Flur zum Rechner, checken die eMails in kurzen Abständen, unterbrechen die Schularbeiten immer wieder zum Chatten.
Alle paar Minuten signalisiert das Handy eine neue SMS.
Sie telefonieren stundenlang.
Das Handy bleibt immer angeschaltet, auch wenn es nicht erlaubt ist – sie können den Gedanken nicht ertragen, es käme ein Anruf oder eine SMS, und sie bekämen sie zu spät mit.
Es bleibt auch in der Nacht angeschaltet, liegt strahlend auf dem Nachttisch neben dem Kopf.
Auch in den Ferien, auch im Ferienhaus.

Aber wenn sie sich Auge in Auge gegenüber sitzen, wird es merkwürdigerweise schwierig: Sie müssen Musik anschalten und den Fernseher oder DVD gucken.

Sie ertragen weder die Stille noch Gesprächspausen.

ich erkenne sie, dass kann nur meine tochter sein....
 
Als ich damals mit meinem Kollegen vorm C64 saß, haben wir stundenlang kein einziges Wort miteinander geredet (bis auf:"boah, scheiße, schon wieder gekilled!")
Eine reflektierte, tiefergehende Kommunikation (...) ist einfach nicht das Ding von Menschen in diesem Alter.
klarer fall, spoege, du wirst alt!!!
Okay, damit muss ich mich abfinden.
Aber vermutlich war ich als Pubertant schon alt. Ich kann mich sehr gut an unsere fast täglichen Runden (gemischte Clique von 6-8 Leuten) erinnern, bei denen wir stundenlang nur geredet haben - und auch das Bedürfnis dazu hatten. Im Sommer oft am See oder im Schwimmbad, im Winter bei irgendwem zuhause. Niemand von uns hätte Lust gehabt, zusammen Fernsehen zu gucken.

Unsere 16jährige ist offensichtlich auch schon immer alt gewesen. Die benutzt ihr Handy (ein abgelegtes Uralt-Teil von mir) nur in Notfällen, ihren Computer nur für die Schule, ist per eMail oft über Tage nicht erreichbar und zieht mit ihrer Freundin stundenlang durch die Gegend, ohne Kopfhörer. Die reden auch ganz anders miteinander – und sind auch oft still zusammen, ohne sich dabei unwohl zu fühlen.
Würde in ganz Deutschland der Strom ausfallen, würde sich in deren Leben wenig ändern.

Für die 13jährige wäre das eine Katastrophe. Ein Leben ohne Handy/Computer/MP3-permanent/Fernsehen ist für sie nicht denkbar.
Der Gedanke, in den Ferien mit uns auf eine winzige dänische Insel zu fahren, wo unklar ist, ob sie sich da in ihr Kommunikationsnetz einklinken kann, ist für sie eine schrecjkliche Vorstellung – auch wenn es nur eine Woche ist, und auch wenn ihre FreundInnen gleichzeitig auch mit deren Eltern wegfahren.
Das wahre Leben spielt sich für sie vermutlich irgendwo in einem virtuellen großstädtischen Raum ab, bei Lolle in Berlin (ihrem Idol) beispielsweise oder in anderen künstlichen TV-Ereignis-Landschaften.
Strände und Berge, überhaupt das "Draussen" empfinden sie als lebensfeindliche Umgebung, sie wollen dort nicht wirklich sein und müssen auch dort immer SMS schreiben/mailen/fernsehen.

Eine solche Lebensweise meine ich mit "ständig unter Strom", die kommt mir ziemlich neu vor.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
spoege schrieb:
Mein Eingangsbeitrag ist keine Satire.
Pamela hat (fast) recht: Er schildert unsere 13jährige Tochter und ihre Freunde, und es ist nicht übertrieben.
Ich weiss gar nicht, was ich davon halten soll, bin ratlos, weil es sich auch so drastisch und schnell entwickelt.

Sie bekommen von der Realität, die sie umgibt wenig mit, weil sie sich nicht darauf einlassen. Sie schwimmen immer in einer virtuellen Realität, die sie sich ständig am Handy, per eMail etc. neu erschaffen. Diese Realität ist ein Mix aus Träumen und Versatzstücken aus dem Fernsehen, Videoclips und Filmen.
Sie spielen ständig dieses künstliche Erwachsenentheater nach und halten das für real.

Sie erschaffen nichts selbst, haben kein eigenes Leben, keine eigenen Abenteuer.
Würde der Strom ausfallen, würden sie in eine bodenlose Leere stürzen.
Wo das Mobilfunknetz nicht mehr hinreicht, wo es keinen Internetanschluss gibt, fühlen sie sich nach Sibirien verbannt.
Sie können nicht sehen, was wirklich ist, sind nur verzweifelt, wenn sie den Kontakt zu ihrer virtuellen Wirklichkeit verlieren.
Sie können nicht mit sich alleine sein.

Ich empfinde das als dramatische Entwicklung und weiss nicht, wie ich damit umgehen soll.

schon ganz am Anfang habe ich meine tochter erkannt. ich weiß nicht, was es ist, was es noch werden soll. wir - also die schon nicht mehr als "lebend" akzeptierte generation, ist, sofern sie nicht über handy, mail oder sonst einen ohr- oder sehrnervgeprägten virtuellen anschluss verfügt, kaum mehr ernst zu nehmen. Gegenfrage: siehst du, was wirklich ist und handelst du danach?

ein erklärungsversuch, der gescheitert ist, bevor er angefangen hat, sorry, ich bin ebenso am ar.... wie du. ich versteh´auch nicht mehr als du, bin aber in der gleichen situation....mann, was geht, will man wissen und weiß schon bei der frage, das die nicht mehr geht....
 
MAR-MAC schrieb:
Also ich bin 12 und stelle das was im Anfangsposting beschrieben wurde, bei vielen (fast jedem) Klassenkamarden fest. Mich nervt es immer wenn morgens einer ankommt du mit ihm redest, aber irgendwie nicht weißt ob er noch ganz da ist, weil er einen Knopf im Ohr hat. Wenn man ganz vorsichtrig fragt ob er das nicht lassen könnte, dann geht er richtg in die Höhe und wird agressiv. Ich hoffe das das nur eine bestimmte zeit anhält und nicht "die neue Mode" wird.
Ich finde du solltest mit deinem Kind reden (auch wenn sie vielleicht rehagiert wie meine Klassencameraden).
cya
Marcus
Du bist also 12 ...schön, ich bin 19. und dich nerven die hörgeschädigten? und wenn du sie bittest, ihr hörgerät auf rufweite zu stellen sind sie aggressiv? ich denke, du solltest sofort umschulen: z. b. streetworker....
 
spoege schrieb:
Ein Treffen der Freundinnen ist ohne den Konsum von Musik/Fernsehen nicht mehr denkbar.
Vor 40 Jahren hat man halt im Partykeller Schellackplatten aufgelegt.
Vor 30 Jahren Vinyl.
Vor 20 Jahren ist jeder mit einem Walkman herumgelaufen.
Vor 10 Jahren mit einem Discman.
Und heute mit einem iPod.

Ganz so dramatisch sehe ich den Berieselungsaspekt daher nicht. Kritisch wird es nur, wenn die Konzentrationsprobleme dazu führen, daß man sich nicht mehr mit einer bestimmten Sache wie z.B. den Hausaufgaben beschäftigen kann.


spoege schrieb:
Eine Geburtstagsfeier ohne DVDs-gucken auch nicht.
Für meine Geburtstage habe ich mir immer Spiele ausgedacht (z.B. Schnitzeljagd im Wald) oder bin mit den Leuten ins Wellenbad etc. gegangen. Ich war mal zu einem Geburtstag eingeladen, wo die Eltern gerade ihren ersten Videorekorder gekauft hatten und ihrem Sohnemann zum 10. Geburtstag das brandneue "Krieg der Sterne"-Video geschenkt haben, was wir uns dann ansehen mußten. Den Film fand ich nett, aber den Geburtstag irgendwie doof.


spoege schrieb:
Ich vermute (mal so als Arbeitshypothese), dass diese Mädchen unter starkem Konformitätsdruck stehen. Sie leben, überspitzt formuliert, in der ständigen Angst, wegen Äusserlichkeiten oder Gefühle ausgegrenzt zu werden.
Die Art der Kommunikation, die sie bevorzugen, ist stark kontrolliert und orientiert sich an Leitbildern aus dem Fernsehen, die sie kaum erreichen können.
Jugendliche standen schon immer unter einem erheblichen Konformitätsdruck und Gruppenzwang, ist also ganz normal. Ich habe mir früher aber immer einen Spaß daraus gemacht, das genaue Gegenteil von dem zu tun, was von der Peer Group erwartet wurde und bin damit auch ohne größere Blessuren durchgekommen.
 
My Generation

Kriegsgeneration
Nachkriegsgeneration
Wirtschaftswundergeneration

Beatles-Generation
Hippie-Generation
68er-Generation

Generation X
Generation GOLF
Generation ALDI

lost generation
wegwerf generation
nullbock generation

@Generation
Generation
Nation
 
Zuletzt bearbeitet:
Du hast die Generation @ vergessen ;)

Spaß beiseite: Es stimmt schon irgendwie. Das mit der Dauermusik hab' ich aber seit Jugendtagen, CD-Player waren eine großartige Erfindung. Und diese Haltbarkeit: Mein CD-Player ist Baujahr 1995, meine Anlage ebenfalls und die Boxen sind sogar von 1980. Wenn ich mir das bei einem iPod vorstelle... ;-)

Diese Handy-Manie finde ich allerdings extrem unangenehm. Diese nichtsnutzigen Geräte sind einfach nur nervig. Aber wenn man keines hat – tja, dann ist man sozial isoliert. Weil sich nämlich auch niemand aus meiner Generation (Baujahr 1979) mehr verbindlich mehrere Tage im Voraus verabreden kann. Sätze wie "Übermorgen komme ich dann gegen drei" finden nicht mehr statt oder werden übermorgen, 14.45 Uhr, durch eine SMS verschoben: "Komme erst in zwei Stunden..."

Übelst...
 
ja mensch, warum hat das 13 jaehrige maedel den das handy, den ipod und den DSL anschluss?

Ich will jetzt nicht sagen, dass man da nen riegel vorschieben sollte, aber meine Eltern haben ganz klar gesagt: Wenn du sowas willst, dann musst du es dir selbst leisten koennen.

Somit habe ich Internet erst mit 15 aktiv genutzt, das Handy erfreut sich seit 2 Jahren meiner Naehe und der Ipod ist erst neu dazugekommen...genauso wie meine macs hier, die ich mir auch alle hab selbst verdienen muessen.

Und? Ich kann auch mal 3 Wochen ohne alles - freue mich zwar auch dann wieder auf bestimmte Vorteile, die die moderne Kommunikation bietet, bin aber nicht drauf angewiesen.

Ich weiss zwar nicht wie meine Eltern es gemacht haben, aber ich bin sehr gut ohne solche Zwaenge und MussPflichten aufgewachsen...

mfg
m0mo

ps: nebenbei denke ich schon, dass jugendliche noch in der Lage sind, keine ahnung, auch mal nen echtes gespraech zu fuehren, keine ahnung, wo die eltern das halt nicht mitbekommen. Keine Ahnung.
 
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