crab schrieb:
Beim Autofahren stelle ich manchmal betroffen fest dass ich erst dann besonders vorsichtig fahre wenn ich "zerbrechliche Sachen" transportiere - z.B. große Pflanzen oder technische Geräte. Alles Dinge die man problemlos ersetzen könnte. Man schätzt das wirkliche Leben meist viel zu gering ein weil das Bewusstsein dafür abstumpft und erst durch den Tod anderer wieder geschärft wird.
Gut auf den Punkt gebracht. Genau so sieht's aus.
Man schätzt und genießt das Leben umso mehr, je öfter man sich des Sterbens bewusst macht.
Gefühlte Trauer/Mitgefühl machen einem (hoffentlich) klar, dass man sehr wohl versuchen sollte, sein Leben bewusster zu leben und die Zeit zu schätzen, die man noch hat.
Mein Onkel hat jahrzehntelang als Schulbuch-Grafiker bei Westermann gearbeitet. Mit jahrelangen Überstunden bis zum Abwinken, auch nach Feierabend zu Hause.
Er freute sich sehr darauf, in den wohlverdienten Ruhestand zu gehen. Als es soweit war, wurde bei ihm zwei, drei Wochen später unheilbarer Krebs festgestellt, an dem er dann auch starb.
Ein Freund von mir, selbständiger Mac-Grafiker, erhielt im Januar 2005 die gleiche Diagnose. 38 Jahre jung, lebenslustig, Frau, zwei kleine Kinder.
Sechs Wochen später war ich auf seiner Beerdigung. Ich spüre jetzt noch die Tränen und den Kloß im Hals.
Er war Raucher und starb an Lungenkrebs, der dann überall im Körper streute. Sowas macht mir immer wieder klar: Krebs (und anderes schlimmes) kann jeden treffen - in jedem Gesundheitszustand und in jedem Alter.
Aber zumindest kann man Risiken verkleinern oder sogar vermeiden, wenn man's zumindest nicht herausfordert. Jeder weiß heutzutage, wie man einigermaßen gesund leben kann. Und ich finde, das ist man seinem Körper auch irgendwie schuldig. Zu häufig sieht man seinen Körper als etwas Fremdes an - "Ich und meine Körper" - und erwartet, dass der Körper einen stets fit und frisch durch's Leben trägt. Aber selbst etwas dafür tun... dafür sind zu viele Menschen dann doch schlicht zu faul. Ich kann meinem Körper keine Schuld geben. Aber ich kann sehr wohl einiges tun, um so fit wie möglich zu bleiben.
Und noch dies: Eine Bekannte von mir war glücklich in ihrer Beziehung. Sie wollte oder sollte ihren Freund anrufen, verschob das allerdings einfach "auf später".
Doch bevor es dazu kam, erhielt sie kurz danach einen Anruf von der Schwester ihres Freundes, dass er tödlich verunglückt sei.
Der Anruf hätte ihn noch vor dem Unfall erreicht. Sie konnte ihm nie mehr sagen, was sie ihm hatte sagen wollen.
In diesem Zusammenhang denke ich daran, was der Großvater meines Cousins ihm mit auf den Weg gegeben hat. Er sagte sinngemäß: "Schlaft niemals zerstritten ein! Klärt, was zu klären ist, so gut es geht. Irgendwann wacht einer von euch morgens mal nicht mehr auf. Dann ist es zu spät, sich zu entschuldigen. Und man lebt für immer in der Erinnerung, zerstritten die letzten Momente erlebt zu haben."
Für mich ist die Sache so: man lebt allgemein viel zu sehr in der vermeintlichen Gewissheit, als alter Mensch im Kreise der Familie glücklich und erfüllt irgendwann einfach nicht mehr aufzuwachen. Aber die Garantie für ein solches Ableben gibt es nirgendwo.
Man kann 'ne Menge für seine Gesundheit tun und Risiken aus dem Weg gehen, und damit auch seiner Familie und den Freunden was gutes tun, denn in der tat lebt man ein wenig länger, wenn man möglichst gesund ist.
Aber wenn meine Zeit gekommen ist, kann mich nichts davor bewahren, aus dem Leben gerissen zu werden. Vielleicht schon in 5 Minuten. Oder heute Abend, oder morgen. Es gibt keine Garantie für langes Leben.
Je öfter ich mir sowas klar mache, desto eher schätze ich das Leben.
Mit ein Grund, warum ich praktisch null Fernsehen gucke. Etliche Stunden pro Woche passiv vor der Glotze zu hocken ist für mich ein 1A-Zeitverschwender. Und einmal verschwendete Zeit kommt nicht wieder, ist für immer verbraucht.