Nicht jeder Gast ist auf jeder Party willkommen. Die Bandbreite menschlicher Persönlichkeiten ist sehr sehr breit. Dank Dosos (Schönen Dank du *rsch
) weiß ich, dass es Punkbands gibt, bei denen der Leadsänger auf die Bühne defäkiert. Auf der Hochzeit meiner Tochter will ich den Kerl definitiv nicht sehen.
Richtig, aber wenn ein Gast eingeladen und eingelassen ist und sich daneben benimmt, schmeisst man in der Regel ja den "Gast" raus und beendet nicht die Party. Das gilt auch für den "defäkierenden Punksänger". Wenn man diese Band zur Hochzeit eingeladen hat - vielleicht ja auf Wunsch der Braut? - dann kann man auf die "Provokation" vernünftiger Weise primär auf zwei Arten reagieren: gehen, wenn man es auf "so einer Party" nicht aushält; den Provokateur rausschmeißen, wenn man das Recht dazu hat. Die Party für beendet erklären sollte ultima ratio sein, wenn die anderen Optionen versagen.
Nimm die Bar als Beispiel. Wird hier in der Bar zensiert? Nein.
Streng genommen nein, denn das Mittel der Wahl heißt schließen. Auch wenn es zu einem ähnlich repressiven Ergebnis führt.
Ein weitgehend anonymes Internetforum ist einfach kein guter Platz, um jede Art von Auseinandersetzung und/oder Meinungsäußerung zuzulassen.
Was eigentlich ein Killerargument für wahlweise das Internet als Plattform für den Meinungsaustasuch oder für die Anonymität des Internets ist.
Will man jede Art von Äußerung zulassen, dann muss man für den entsprechenden Rahmen sorgen. Dazu gehört (IMHO ein wichtiges Element) für die anderen Beteiligten die Möglichkeit, die vorgebrachte Argumentation in einen Kontext setzen zu können. Entweder, um sie zu überprüfen, indem man eigene Überlegungen/Nachforschungen anstellt oder sie auf sozialer Ebene (Vertrauen, Sympathie) "überprüfbar" zu machen. Im gesellschaftlichen Sinn ist vielleicht auch der Rechtsweg eine Möglichkeit, die man einräumen muss.
Solange die Anonymität gewahrt bleiben soll (und das wollen wir ja bei MU), ist das eben nicht ohne weiteres möglich.
Kurz: In einem anonymen Internetforum kann theoretisch jeder alles schreiben ohne dafür irgendeine Konsequenz befürchten zu müssen. Deshalb muss es ein Regelsystem für diesen Mikrokosmos geben, der einen einigermaßen angenehmen Aufenthalt sicher stellt.
Dazu fällt mir mehreres ein:
1. Wer sagt das "wir", also auch ich oder schlechthin alle, im MU anonym bleiben wollen?
2. Die Forderung nach"Überpüfbarkeit der Argumentation im Kontext" ist einerseits erfüllt, andererseits übertrieben. Erfüllt, weil sich die Argumentationskontexte meist im Laufe einer Diskussion eh ergeben; Übertrieben deshalb, weil diese Forderung meinungsorientierte Diskussion im Keim erstickt.
3. Der Rechtsweg sollte bei einer Diskussion, auch einer kontroversen, nur bei Überschreitung der vom StGB gezogenen Grenzen eine Rolle spielen. In diesen Fällen wäre ebenfalls zunächst das Entfernenen "des Täters", nicht die Bestrafung der Übrigen (durch Schließung des Fadens) das Mittel der Wahl.
4. Ja, in einem anonymen Forum kann (theoretisch) jeder die Hosen runter und die Sau rauslassen, um im Jargon zu bleiben. Tut er es, ist er zu entfernen, nicht den anderen die Plattform zu entziehen.
5. Was spräche dagegen, bei bestmmten Themen in der Bar nur diejnigen User zuzulassen, die - dem Threadbetreiber gegenüber - auf die Anonymität verzichten um den Threadbetreiber vor Folgen rechtswidriger Äußerungen dieser Foristen zu schützen?
Die MU-Bar ist also letztlich eine öffentliche Party mit bestimmten Hausregeln. Jeder ist herzlich willkommen wenn er den Anstand besitzt, eine Hose zu tragen und die anderen Gäste nicht anspuckt.
Ein hinkender Vergleich, zumal die vorgeblich (von allen?) gewünschte Anonymität das Ausziehen der Hose und das Anspucken anderer Gäste geradezu fördert.
Das kann man z.B. Zensur nennen. Wird ja ab und an auch mal gemacht. Das Ziel ist aber nicht die Beeinflussung der Geisteshaltung. In Summe ist MU mit 200.000 Mitgliedern auch nur irgendein Forum unter anderen Foren/Plattformen und deshalb in Summe auch nur ein x-beliebiger Nachtclub, in dem vielleich keine Schlager gespielt werden. Die gibt es aber eine Straße weiter.
Ja, aber ich kenne keinen Nachtclub (Forum), der, wenn ein Gast krakeelt "ich will aber Schlager hören", dicht gemacht und nicht der Gast freundlich aber bestimmt zum Gehen bewegt wird.
Zensur hat ein wesentliches anderes Merkmal als Vorschriften oder die Nichtduldung von xy: Fehlende Alternativen. Zensur findet dann statt wenn die Kontrolle der Geisteshaltung auch wirksam durchgesetzt werden kann und eine Beeinflussung möglich ist.
Die Geschichte lehrt ein anderes. Oder gab es im "dritten Reich" oder der DDR keine Zensur, nur weil man durch "Feindsender" oder "Westradio" die Möglichkeit hatte, trotzdem an Informationen zu kommen?
Wenn ich dich aus 3 Meter Entfernung mit einem Putzlappen bewerfe, dann ist das kein versuchter Totschlag. In Strafrechtssachen wirst du beim Prüfungsschema ein wichtiges Element finden: Den Taterfolg. Oder wenigstens die Möglichkeit eines Taterfolgs. Ein geworfener alter Lappen ist für ein Tötungsdelikt relativ ungeeignet.
Das ist ebenso platt wie falsch. Wenn ich den Putzlappen in Tötungsabsicht werfe, er aber zur Herbeiführung des Taterfolges nicht geeignet ist, habe ich einen untauglichen Versuch. Der ist zwar als versuchter Totschlag nicht zu betrafen, kann aber als versuchte oder vollendete Körperverletzung bestraft werden (Strafrecht AT 2. Semester - spätestens!).
Zensur kann also auch nur dann stattfinden wenn die Verbreitung oder der Austausch von Informationen dahingehend wirksam unterbunden wird, dass eine freie Meinungsbildung nicht möglich ist. Das sehe ich aber nirgendwo in Deutschland. Auch wenn die Presse sch..ße ist.. Der Gang in die Bibliothek, zur Bürgeruni, zur Volkshochschule, ins Internet steht jedem offen.
Ich behaupte: Oftmals ist "Zensur" nur ein Schlagwort derer, die zu faul oder zu dumm sind, die Möglichkeiten zu nutzen, die ihnen in Bezug auf Informationsbeschaffung und -austausch zur Verfügung stehen.
Ich würde auch nicht so weit gehen, das Schließen von threads, in denen heftig aber nicht rechtswidrig kontroverse Thmen diskutiert werden, im strengen Sinne als "Zensur" zu bezeichnen, aber so etwas leicht repressives haftet dem schon an, oder?