Zypern-Verhandlungen gescheitert (2. Versuch)

20000st

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Ok, auf die Gefahr hin, gleich gesperrt zu werden, möchte ich hier die Diskussion sachlich fortsetzen (ich halte sie nämlich für essenziell wichtig):

Ich halte es für einen großen Fehler, die Türkei nicht in die EU aufzunehmen. Das sage ich, obwohl ich 1. Deutscher/Grieche bin (mit Doppelpass) und 2. einen nahen Verwandten habe (oder besser gesagt hatte, denn er ist verstorben), der in Zypern Anführer der parmilitärischen Junta und als der "Türkenfresser" in die Geschichte eingegangen ist. Womit ich ich keineswegs brüsten will. Im Gegenteil: ich hielt diesen mann stets für einen Faschisten. Seine Familie kann man sich aber nicht aussuchen...

Wer dazu mehr wissen will (und vielleicht verstehen möchte, warum das Thema Zypern so außerordentlich schwierig ist): hier

Ich denke nur eine Einbindung der Türkei in einem Staatenbund wie die EU, mit ihren gemeinsamen Werten und Idealen, kann zwischen der westlichen Welt und dem ideologisch sich immer weiter abschottenden nahen Osten eine Brücke schlagen. Die Türkei wäre dazu der ideale Partner. Die braucht doch nicht mehr abgrenzungen, sondern eine verstärkte Einigkeit! Und für die Türkei wäre dies ein Entwicklungssprung,

Das geografische Argument (von der unsäglichen Fr. Merkel übrigens sehr gerne verwendet) halte ich übrigens für total scheinheilig und chauvinistisch: immerhin gehört Griechenland auch zur NATO, wobei die Ägais einige 1000 km von der nächsten Atlantikküste entfernt ist. Ausserdem liegt die Türkei zu einem Teil eben IN Europa. Oder werfen wir Frankreich aus der EU, weil sie einige Inseln in der Karibik und Französich-Guyana haben? Merkt ihr, wie unsinnig dieses Argument ist?

Sollten wir Angst vor den Türken haben? Weil sie - wenn sie EU Bürger sind - uns die Arbeitsplätze "wegnehmen"??? Wo doch schon bald die Polen über uns "hereinfallen"??? Oder uns mit ihren Kopftüchern schier "erschlagen"??? Oder weil WIR Deutschen ja sowieso für alle anderen in der EU zahlen müssen???

Diese Rhetorik wird - zwar nicht gänzlich offen ausgesprochen aber unterschwellig deutlich erkennbar - von einigen Konservativen hierzulande in letzter Zeit immer häufiger gepflegt. Das ist verdammt nochmal gefährlich!!!

Nein, die Türken sind eine Bereicherung für unsere Gesellschaft. Ebenso wie alle hier in Deutschland lebenden Ausländer. Sie bringen ihre Kultur und ihre Sitten mit. Das beginnt allein schon damit, dass ich bei den türkischen Händlern in der Goethestraße das beste, billigste und reichhaltigste Angebot an Gemüse bekomme. (Ein Beispiel? 7 kg Erbeeren, 1a Qualität = 5 €) Und denkt mal darüber nach, wessen Kinder die Rente der alten Generation bezahlt, und wer statistisch die meisten Kinder überhaupt hier in D auf die Welt setzt. Keine Angst Berlin wird auch bis auf weiteres nicht in Bürlin umgetauft!

Deutschland braucht Ausländer, weil es sonst über kurz oder lang politisch und wirtschaftlich implodieren wird.

Natürlich weiß ich ob der Menschenrechtsverletzungen in der Türkei und der bis auf weiteres ungelösten Kurdenfrage bescheid. Da muss sich noch einiges an Reformen tun. Wer aber die Entwicklung der vergangenen Jahre mitbehobachtet hat, der weiß auch, dass die Türkei eine Menge Liberalisierungen auf den Weg gebracht hat. Das Presserecht wurde freier und der Einfluß der Militärs auf die Politik drastisch zurückgefahren. Für eine Nation, die über Jahrzehnte etwas anderes gewöhnt war, ist das schon eine ganze Menge.
Ausserdem verstoßen laut Amnesty-International auch die BRD und andere EU-Länder regelmäßig gegen Menschenrechte.

BTW: Noch was:Wißt ihr was ich regelmäßig zu hören bekomme?

- "Was bistn du für ein Landsmann?"
- (ich) "Ich bin Deutscher, wieso?"
- "Na,ich mein wo kommst du denn eigentlich her?"
- (ich) "Aus München!"
- "Na, ja, aber wo kommen deine Eltern her?"
- (ich) "Aus Griechenland"
- "Ach so, ja weil du schaust so 'südlich' aus"
...

Liebe Mitmenschen - bitte spart euch solche Diskussionen mit mir - ich bin sie echt leid. Oder lasst den Gesetzgeber den Artikel verfassen, der genau regelt, wie ein Deutscher auszusehen hat.

20000st
 
Erstmal vielen Dank für die Wiederbelebung der Diskussion!

Auch ich finde dieses Thema sehr wichtig und halte die schließung des anderen freds für unangemessen und unüberlegt...


Also zum Thema:

Du hast natürlich schon recht, aber wie du selber sagst: solange die kurdenfrage und die Menschenrechtsverletzungen nicht "geklärt" sind halte ich eine aufnahme für UNDENKBAR...

Wie vorher schon gesagt, denke ich dass die Türkei einfach nicht zur EU passt,... das ist ein völlig anderer Kulturkreis, da gibts nichts zu diskutieren! wer schon einmal da war weiß das!

Klar es könnte eine Brücke schlagen im Idealfall... das wäre natürlich super! Trotzdem halte ich eine Aufnahme mit den gegenwärtigen Vorraussetzungen für nicht angebracht!
 
Original geschrieben von Pretzel
Wie vorher schon gesagt, denke ich dass die Türkei einfach nicht zur EU passt,... das ist ein völlig anderer Kulturkreis, da gibts nichts zu diskutieren! wer schon einmal da war weiß das!

Klar es könnte eine Brücke schlagen im Idealfall... das wäre natürlich super! Trotzdem halte ich eine Aufnahme mit den gegenwärtigen Vorraussetzungen für nicht angebracht!
 

Deine erste Aussage kann ich nicht verstehen. Erkläre mal bitte was du unter "nicht passt" verstehst? Natürlich haben wir (Westeuropäer) mehrheitlich eine andere Kulturgeschichte, andere Sitten, eine andere Religion und haben eigene Ansichten über dies und jenes, aber macht uns das etwa "inkompatibel" (um etwas aus dem IT-Jargon zu nehmen)?

Ich glaube nicht. Das Gegenteil ist der Fall: das beweist uns schon die Biologie: je mehr sich die Arten vermischen, je mehr Vielfalt dabei entsteht, umso besser überlebt eine Art. Homogenität führt langfrisitg zum Aussterben. Das gilt auch für eine Bevölkerungsgruppe und deren Kultur.
Es ist also eher ein Glücksfall, wenn mir mit fremden Menschen näher in Kontakt treten.

Zu deiner 2. Statement kann ich folgendes anmerken. Ich bin kein Wirtschaftsexperte und auch kein Politologe, ich kann schwer darüber befinden ob die Türkei "bereit" ist.

Darum geht es gar nicht.

Leider kommt es mir vor, als ob viele nur darüber streiten, ob die Türkei es "verdient" hat oder "würdig genug" ist, der EU beizutreten. Darüber Ärgere ich mich jedes Mal.

20000st

Und nochwas, Pretzel: Nix für ungut, ich weiß/vermute, dass du sehr jung noch bist, und für meinen Geschmack sind deine Ideen vielleicht ein wenig zu "radikal" (bitte nicht falsch verstehen!), aber mich freut es, wenn die Menschen darüber reden möchten. Als keep on discussing!
 
Ein Glück dass der unsägliche "Türkei"-Thread geschlossen wurde. Geht das jetzt an dieser Stelle weiter?
Ich hoffe doch schwer dass sich die Politthreads hier (Bar hin, Bar her) nicht allzu sehr ausbreiten.

Grüße,
Flo
 
häh? warum DAS denn bitteschön? in der bar kann man über alles reden ober habe ich da was falsch verstanden?!

ich finds wichtig über sowas zu reden... mir fällt kein grund ein warum man nicht über politische themen reden sollte... :confused:
 
Eine konstruktive und und anständig geführte politische Diskussion ist immer gut, da leiste ich gerne einen Beitrag dazu. Gratulation 20000st, du legst Weitsicht zutage und das ist nicht ironisch gemeint.

Praktisch niemand in Europa weiss, dass der türkische Einmarsch in Zypern in erster Line eine Reaktion auf Anschlussbestrebungen in Zypern mit Griechenland und auf Verfolgungen der türksichen Minderheit durch nationalistische Fanatiker war. Ich möchte den Einmarsch aber nicht werten. Ich denke, dass sich insgeheim alle auf der Insel eine Wiedervereinigung wünschen, so wie auch ich es tue.

Was die politische Situation der Türkei und ihre "Kompatibilität" mit der EU anbelangt:
Bisher war die Türkei ausnahmslos von "Feinden" umzingelt. Dies trichterte das Militär den Türken ein. Neurdings werden aus Feinden Freunde. Bestes Beispiel: Griechenland. In türkischen Medien wird schon vom Partner Griechenland gesprochen. Je mehr "Feinde" die Türkei hat, desto mehr Existenzberechtigung kann das Militär für sich beanspruchen und Unsummen von Gelder verschlingen. Und dabei will das Militär sich bisher als Hüter der Demokratie verstanden wissen.

Das Dilemma der Armee: je mehr Fortschritte das Land macht, je näher es an die EU rückt, desto mehr muss die Armee an Macht abgeben. Das passt ihr nicht so recht. Aber sie kann ja plötzlich nicht die Diktatur fordern, nachdem sie all die Jahre von Demokratie geredet hat. Die EU fordert mehr Rechte für Kurden, die Türkei liefert sie. Solange nicht alle Kriterien erfüllt werden, solange gibt es keinen Beitritt. Basta!

Die Türkei ist strategisch, kulturell und vom ökonomischen Potential her zu wertvoll, als dass es sich die EU auf Dauer leisten könnte, sie nicht aufzunehmen.
 
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