Wann ist satire kunst?: extra 3 vs. Erdogan

Ich erinnere mich jetzt nicht mehr so genau, aber er ritt doch ständig darauf herum, dass die Dschermäns nicht lachen oder keinen Humor haben
Böhmermann sagte, dass die Amerikaner, mit denen er auf der Strasse gesprochen habe, nicht glauben wollten, dass es deutsche Comedians gibt. Und dass Ironie in Deutschland sehr schwer verstanden werde und unbeliebt sei. Das ist so weit richtig.

Wenn man deutsche Comedy&Satire mit der angloamerikanischen vergleicht, sehe ich auch einen enormen Unterschied – zum einen in der Bereitschaft, auch drastische Witze auf Kosten von Autoritäten und nationalen Leitfiguren zu akzeptieren, zum anderen generell im Niveau.

Das liegt meiner Meinung nach daran, dass der Nationalsozialismus die deutsche Tradition auf diesem Gebiet, die enorm stark und vielfältig war, komplett zerschlagen hat. Der totale Bruch und die Totenstille bis weit in die Nachkriegszeit, das Fehlen der Spielorte und Medien machten einen Neuaufbau schwierig, denn Kultur – speziell Humor&Satire – muss gelernt und geübt werden, auch beim Publikum.

Das macht sich heute noch bemerkbar. In Deutschland gibt es zwei Humorspezialitäten: Die sinnfreie Comedy mit hämischer und denunziatorischer Note a la Marion Barth, der Stadien füllt. Und der sich selbst bestätigende Lehrauftrags- und Zurechtweisungs-Humor, wie ihn die "Anstalt" pflegt, der keinerlei Selbstironie kennt und jede Grimasse im Drehbuch notiert.

Die StandUp-Sparte gibt's bei uns so gut wie gar nicht, deswegen auch nicht die souveränen, schlagfertigen und gebildeten Satiriker-/Talkmaster wie in den USA, die alle erstmal auf StandUp-Bühnen lange geübt haben.
 
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Das liegt meiner Meinung nach daran, dass der Nationalsozialismus die deutsche Tradition auf diesem Gebiet, die enorm stark und vielfältig war, komplett zerschlagen hat. Der totale Bruch und die Totenstille bis weit in die Nachkriegszeit, das Fehlen der Spielorte und Medien machten einen Neuaufbau schwierig, denn Kultur – speziell Humor&Satire – muss gelernt und geübt werden, auch beim Publikum.

Da hast du leider recht. Die Nazis haben uns kulturell verbrannte Erde in einem unglaublichen Ausmaß hinterlassen. Wer heute "Volksmusik" hört, denkt gleich an den Mutantenstadl und Ähnliches.
Dabei gab es bis in die 1920er Jahre echte Volksmusiker, die Sachen geschrieben haben, die dann auch von allen gesungen wurden. Die Gebrüder Wolf sind nur ein Beispiel. Aber viele der Kulturschaffenden damals waren Juden, den Rest kann man sich denken.
 
In Deutschland gibt es zwei Humorspezialitäten: Die sinnfreie Comedy mit hämischer und denunziatorischer Note a la Marion Barth, der Stadien füllt. Und der sich selbst bestätigende Lehrauftrags- und Zurechtweisungs-Humor, wie ihn die "Anstalt" pflegt, der keinerlei Selbstironie kennt und jede Grimasse im Drehbuch notiert.

Die StandUp-Sparte gibt's bei uns so gut wie gar nicht, deswegen auch nicht die souveränen, schlagfertigen und gebildeten Satiriker-/Talkmaster wie in den USA, die alle erstmal auf StandUp-Bühnen lange geübt haben.
Kann man so stehen lassen. Die erstgenannte Variante ist zudem nie oder selten politisch, sondern konzentriert sich mehr denn je auf prollige Geschlechterklischees. Das fängt bei Fips Asmussen an, geht über Mario Barth und endet bei Carolin Kebekus und vielen anderen.

Die wenigen Sendungen, die Deutschland im Bereich Late Night Comedy zu bieten hat (heute show, Neon Magazin Royale, extra3) sind im Vergleich zu den US-Pendants leider sehr zahm. Gerade in den letzten 2-3 Tagen ist die AfD mal wieder wegen zwei Beiträgen in der heute show und bei extra3 durchgedreht, fanden die Aussagen von Ehring, Welke und Kabelka widerlich usw. Nach US-Standard ist das alles mehr als harmlos, da müssen Politiker weitaus mehr aushalten.

Gute Stand-up-Comedy im deutschsprachigen Raum macht z. B. Josef Hader.
 
[…]In Deutschland gibt es zwei Humorspezialitäten: Die sinnfreie Comedy mit hämischer und denunziatorischer Note a la Marion Barth, der Stadien füllt. Und der sich selbst bestätigende Lehrauftrags- und Zurechtweisungs-Humor, wie ihn die "Anstalt" pflegt, der keinerlei Selbstironie kennt und jede Grimasse im Drehbuch notiert.
Und zum Glück gibt es daneben noch Menschen wie Max Goldt. :teeth:
 
Du willst doch Böhmermann nicht ernsthaft mit Hildebrandt vergleichen.
Habe ich auch nicht.
Ich habe die Verwendung eines rhetorischen Stilmittels, das dir aufgrund deiner Formulierung…
ich bezweifle ob Böhmermann nur so tut als ob er keine Gedanken zu Ende führen kann, vermutlich kann er es wirklich nicht
… möglicherweise nicht bekannt oder ungewohnt gewesen sein könnte, in einen historischen Zusammenhang gestellt und dabei auf eine Person verwiesen, die dieses Mittel ebenfalls verwendet hat und deren Schaffen dir vermuteterweise bekannt ist.
Ich hätte das Mittel der Ellipse auch ans antike griechische Theater anhängen können; dann fehlt aber der rechte Bezug zu zeitgenössischern Satire und Kabarett.
 
Zuletzt bearbeitet:
Und der sich selbst bestätigende Lehrauftrags- und Zurechtweisungs-Humor, wie ihn die "Anstalt" pflegt, der keinerlei Selbstironie kennt und jede Grimasse im Drehbuch notiert.
Ob dabei jede Grimasse im Drehbuch notiert wird, mag ich bezweifeln. Ebenso, dass die Protagonisten der Anstalt keinerlei Selbstironie kennen: immerhin haben sie nach der Bittner-Joffe-Farce in folgenden Ausgaben die Sache in Nebenbemerkungen zur »Zeit« gestichelt. Was freilich fürs Publikum nur in Kenntnis der laufenden Auseineindersetzung verständlich gewesen sein dürfte.
 
Habe ich auch nicht.
Ich habe die Verwendung eines rhetorischen Stilmittels, das dir aufgrund deiner Formulierung…

… möglicherweise nicht bekannt gewesen sein könnte, in einen historischen Zusammenhang gestellt und dabei auf eine Person verwiesen, die dieses Mittel ebenfalls verwendet hat und deren Schaffen dir vermuteterweise bekannt ist.
Ich hätte das Mittel der Ellipse auch ans antike griechische Theater anhängen können; dann fehlt aber der rechte Bezug zu zeitgenössischern Satire und Kabarett.

Möglicherweise könnte Dir nicht bekannt gewesen sein oder Du hast es vermuteterweise nicht gewusst, dass Böhmermann schon alleine auf Grund des Böhmermann fehlenden Intellekts nicht mit Hildbrandt vergleichbar ist.
 
dass Böhmermann schon alleine auf Grund des Böhmermann fehlenden Intellekts nicht mit Hildbrandt vergleichbar ist.
Deine Stellungnahme hält alleine deshalb nicht, weil meinerseits keineswegs ein Vergleich von Böhmermann mit Hildebrandt, sondern meinerseits lediglich der Verweis auf ein altbekanntes rhetorisches Stilmittel erfolgt ist, dessen Vorhandensein und Verwendung dir möglicherweise ungeläufig war (ich weiß ja schließlich nichts über den Umfang deiner literaturwissenschaftlichen Kenntnis – andererseits ließ die Art und Weise deines Schreibens in #2645 eine diesbezügliche Kenntnislücke zumindest nicht unwahrscheinlich erscheinen).

;)
 
Und zum Glück gibt es daneben noch Menschen wie Max Goldt. :teeth:
ja, und es gibt noch etliche andere gute Satiriker / Humoristen / Kabarettisten; Georg Schramm beispielsweise, den ich verehre. (Leider hat er sich fast komplett zurückgezogen.) Seine Darstellung eines alten Sozialdemokraten war grandios.

 
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Deine Stellungnahme hält alleine deshalb nicht, weil meinerseits keineswegs ein Vergleich von Böhmermann mit Hildebrandt, sondern meinerseits lediglich der Verweis auf ein altbekanntes rhetorisches Stilmittel erfolgt ist, dessen Vorhandensein und Verwendung dir möglicherweise ungeläufig war (ich weiß ja schließlich nichts über den Umfang deiner literaturwissenschaftlichen Kenntnis – andererseits ließ die Art und Weise deines Schreibens in #2645 eine diesbezügliche Kenntnislücke zumindest nicht unwahrscheinlich erscheinen).

;)

Böhmermann ist weder ein Satiriker, noch ein Kabarettist noch intelligent. Und Böhmermann mit Hildebrandt zu vergleichen (und Deine rhetorischen Tricks helfen auch nicht weiter) ist eine Beleidigung für Hildebrandt.

Du hast halt Deine Meinung zu Böhmermann, ich meine. Und wir halten hier kein literaturwissenschaftliches Seminar (in dem Du vermuteterweise überfordert wärst) ab sondern diskutieren in der Bar, also calm down oder hol Dir ein Taschentuch.
 
Böhmermann ist weder ein Satiriker,
Böhmermann ist Satiriker, weil er Sachverhalte mit satirischen Mitteln im Rahmen eines satirisch ausgerichteten Sendungsformats behandelt.
Über die Qualität jener Satiren mag man streiten, nicht über das Ob.

Und wir halten hier kein literaturwissenschaftliches Seminar (in dem Du vermuteterweise überfordert wärst)
Worauf gründet deine Vermutung? Ich hoffe nicht, nur auf deinen Versuch billiger Ablenkung.
 
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Böhmermann ist Satiriker, weil er Sachverhalte mit satirischen Mitteln im Rahmen eines satirisch ausgerichteten Sendungsformats behandelt.
Über die Qualität jener Satiren mag man streiten, nicht über das Ob.


Worauf gründet deine Vermutung? Ich hoffe nicht, nur auf deinen Versuch billiger Ablenkung.


Satiriker: Falls Deine Vermutung zutreffen würde, könnte ich Dir zustimmen. Nur ist Böhmermannn leider weder Satiriker, noch Kabarettist, noch intelligent.
Und nur weil Du behauptest, dass das Sendeformat satirisch sei, muss dem nicht so sein.

Vermutung: wie gesagt, hol Dir ein Taschentuch und weine.
 
… nur weil Du behauptest, dass das Sendeformat satirisch sei, muss dem nicht so sein.
Böhmermanns Format ist dem landläufigen Verständnis nach eine Satiresendung – er macht Satire. Wenn du eine spezielle Definition von Satire hast, müsste man das erstmal klären, sonst wäre eine Diskussion über die Frage, ob Böhmermann Satiriker ist oder nicht, sinnlos.

Eigentlich spielt es aber keine Rolle, wie man Böhmenmanns Sendungen etikettiert. Wichtig ist, dass auch für ihn die Kunstfreiheit gilt. Alles andere ist Geschmacksache.
 
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Eigentlich spielt es aber keine Rolle, wie man Böhmenmanns Sendungen etikettiert. Wichtig ist, dass auch für ihn die Kunstfreiheit gilt. Alles andere ist Geschmacksache.


Richtig,
 
Böhmermann ist weder ein Satiriker, noch ein Kabarettist noch intelligent. Und Böhmermann mit Hildebrandt zu vergleichen (und Deine rhetorischen Tricks helfen auch nicht weiter) ist eine Beleidigung für Hildebrandt.
Ist vielleicht etwas zu scharfkantig formuliert, weil er trotz Medienschlampe (das wäre meine Bezeichnung) durchaus intelligent sein kann und möglicherweise auch noch eine Schippe drauflegen könnte.

Wenn wir über die Sendung reden und das Format und (um es mit Dr. Helmut Kohl zu sagen) um das was hinten raus kommt.. Da bin ich ganz bei dir. Böhmermann, Welke und Co sind mir zu nah an RTL Samstag Nacht. Damals eine großartige Sendung mit klugen Leuten. Das Publikum hat es aber nicht verstanden.

Hildebrandt war von einem ganz anderen Schlag. Aber das liegt natürlich auch daran, dass Satire und politisches Kabarett zwei Paar Schuhe sind.

Ich denke, dass ich genau verstehe, was du meinst und deine Kritik sowieso.

Aber wäre dann nicht die Frage: Warum haben wir 25 Satireformate im Fernsehen und kein echtes politisches Kabarett?
 
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Ich kenne Jan Böhmermann insbesondere von dem 2007'ner Format "echt Böhmermann":
Autoren hier waren: Oliver Nagel, Mark-Stefan Tietze, Stefan Gärtner und Stephan Rürup.
So gesehen das relevante "Titanic-Team" (Satiremagazin).

Danach verfolge ich Böhmermann noch paar Mal bei H. Schmidt bis er die "Bremer Lateline" gab.
Die "Lateline" schaute ich immer sehr gerne; schon alleine vom Konzept her, weil es zeitgleich lief:
a) als Radiosendung und b) als TV-Talk – mit "Call-in-Beteiligung".
Die Sendung war/ist sehr unterhaltsam – jetzt unregelmäßig, aber immer noch gut, mit Ingmar Stadelmann.
 
Aber wäre dann nicht die Frage: Warum haben wir 25 Satireformate im Fernsehen und kein echtes politisches Kabarett?
Meiner Meinung nach ist "Die Anstalt" sehr dicht am klassischen Kabarett: Als Themen vor allem Politik und Gesellschaftskritik, schauspielerische Nummern, kein StandUp. Und das sehr einfach gehalten, mit überschaubaren künstlerischen Mitteln und plakativen Aussagen.

Aber das liegt natürlich auch daran, dass Satire und politisches Kabarett zwei Paar Schuhe sind.
Satire ist in meinen Augen der Oberbegriff, Kabarett eine spezielle Ausformung mit langer Tradition in Deutschland, vor allem für die Theater- und Kleinkunstbühne. Das TV filmt die Bühne da nur ab.

Böhmermann hat sein Format aus den USA importiert, das wurde ja schon lang und schlapp festgestellt. Ist aber auch Satire. "RTL Samstag Nacht" ist mE dicht an Comedy dran, was vor allem an den Themen liegt. Da kam Politik und Gesellschaftskritik, die im Kabarett zentral sind, nur am Rande vor. Die "heuteshow" würde ich als TV-Kabarett bezeichnen, das die Stilelemente der Comedy-Nummernshows mit denen der TV-Politiksendungen kombiniert. Gehört also auch zur Satire.

Aber für was ist es relevant, Satire, Kabarett, Comedy und LateNight-Talks scharf voneinander zu trennen und deren Niveauhöhe am eigenen Anspruch zu messen? Mischformen wird es immer geben. Und der eigene Anspruch kann nicht der Maßstab sein, weil jedes Format, jede Sendung seine eigene Zielgruppe mit eigener politischen Vorbildung hat, die das jeweilige Niveau bestimmen.
 
Was ist dann die Anstalt deiner Meinung nach?

"Neues aus der Anstalt" war für mich jahrelang Pflichtprogramm - von Urban Priol und Georg Schramm bis zu Markus Barwasser. Das Beste im Bereich des politischen Kabaretts, was es nach und neben Dieter Hildebrandts "Scheibenwischer" gab.

Mit Max Uthoff und Claus von Wagner hat sich die Sendung in ein ätzendes, selbstironiebefreites Schuldzuweisungsspektakel für Oberstufenlehreranwärter gewandelt. Mehr als acht oder zehn Folgen habe ich nicht gesehen. Außerdem nervt mich bei der "neuen" Anstalt, wie mit stolzgeschwellter Brust und verbalen Ruten- und Stockschlägen Fakten verdreht, ausgelassen und/oder aufgeblasen werden (Stichworte: EU-Osterweiterung, Atlantikbrücke). Und wenn gar nichts mehr hilft, wird auf die Tränendrüse gedrückt (Stichwort: Griechenland).

Aus meiner Sicht ist "Die Anstalt" in dieser Form weder investigative comedy noch politisches Kabarett, vor allem kein gelungenes. Da war selbst die Mainzer Fastnacht noch mehr politisches Kabarett als diese Sendung, als "Der Bote vom Bundestag" noch aufgetreten ist. Politisches Kabarett ist in Deutschland leider tot - zumindest im TV.
 
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