Jetzt habe ich den Beitrag einige Zeit verfolgt und melde mich auch mal zu Wort...
... Deine Situation kommt mir sehr bekannt vor... vielleicht erstmal kurz was zu mir. Ich habe Abitur gemacht, und danach Zivildienst. Immer schon habe ich gerne und gut gezeichnet, gestaltet, etc. Regelmäßig habe ich in der Schule Plakate entworfen, für die Band eines Freundes Flyer usw. Meine ganze Schulzeit lang wollte ich "später irgendwas im graphischen Bereich machen."
Als ich '99 dann mein Abi gemacht hatte, stand ich also vor der Entscheidung, was nun? Zu der Zeit war gerade diese "Welle" im Gange, dass ganze Herscharen von Arbeitssuchenden zum "Mediengestalter" umgeschult wurden, da das ja ein Beruf in einer modernen, zukunftssicheren Branche war. Mein Vater arbeitet in einer kleinen Druckerei, und auch durch ihn bekam ich immer mit, was er von den Interessenten hielt, die täglich wegen irgendwelcher Praktikumsstellen vorsprachen...
"Ich kann gut malen und basteln, ich bin kreativ..." waren so Schlagworte...
Außerdem kam das erste eigene Auto dazu, vom Zivi-Sold gekauft, und der Wunsch nach einer eigenen Wohnung... Ich sah die Chance auf eine geregelte Ausbildung im öffentlichen Dienst, und bekam auch eine Stelle bei der Stadtverwaltung. Mit Abi gabs da richtig Asche schon in der Ausbildung, und danach erst recht. Irgendwie lockte das mehr als die andere Möglichkeit, eine Ausbildung im Bereich Mediengestaltung.
Ich denke heute oft darüber nach, ob die Entscheidung richtig war. Ich arbeite z.Zt. im Sozialamt, und täglich sprechen ehem. Studenten bei mir vor, die von ihren geplatzten Träumen berichten. Oder Leute, die schon in der Ausbildung unter dem Sozi-Satz liegen, bzw. irgendeine Praktikumsstelle haben ohne Aussicht auf Festanstellung.
"Ich-AGs" schiessen aus dem Boden... "Media-Design", "Design-Professional" und wie sie alle heissen..."Professionelle Gestaltung von Flyern und Einladungskarten" -- Halbwertzeit drei Monate.
Ist das die Erfüllung eines Traumes in der "Kreativbranche"?
Vielleicht sollte man es eher so sehen: Du hast sicher ein gewisses Talent, kannst Photoshop bedienen usw. Nutze das privat!
Ich meine es ernst. Eine zweite Ausbildung - das hatte ich mir auch schon oft überlegt - ist es wirklich das was Du willst? Unter all den 16jährigen in der Berufsschule für ein Azubigehalt?? Und danach in irgendeiner "Design-Klitsche" belächelt werden von den studierten Grafik-Designern, die die wirklich kreative Arbeit machen?
Ich bin mittlerweile an dem Punkt, dass ich froh über meinen sicheren Job und mein gutes Gehalt bin. Wenn ich nachmittags nach hause komme, kann ich mich den Sachen widmen, die mir Spass machen. Und mein Gehalt reicht aus, um ein vernünftiges Leben zu führen. Der Job ist schliesslich nicht alles.
Du hast einen festen Job, in dem Du sogar ab un dan gestalterisch tätig werden kannst. Freu dich lieber darüber.
Ich konnte mir z.B. mal eben so einen neuen G5 kaufen, an dem ich zuhause arbeite. Das ist mit Sicherheit nicht selbstverständlich. Fang an, z.B. mal Einladungskarten zu gestalten für Bekannte, Du glaubst garnicht, wie schnell Du nach etwas Mundpropaganda für die gesamte Nachbarschaft Karten zur Silbehochzeit, Genburtstag etc. gestaltest...
Das mag für einen 25jährigen nicht unbedingt befriedigend sein, aber in 10 Jahren wirst Du dir selbst dankbar sein.
Dann - mit 35 - bist du in der Kreativbranche nämlich schnell an dem Punkt, dass dir Jüngere, flexiblere Mitarbeiter den Rang ablaufen, weil sie eifach "trendiger und cooler" sind.
Das wärs mir nicht wert, vor allem, weil Du dann vielleicht auch eine Familie hast, die in das Zentrum deiner Aufmerksamkeit gerückt ist.
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Puuuh, ich hoffe das war nicht zu langweilig.
lg
Dennis