...ich muss jetzt hier auch mal wieder nach einiger Zeit meinen Senf dazu geben...
(Achtung: Wall of Text...)
Ich habe, u.a. weil ich beruflich damit zunehmend zu tun habe, mir zwischenzeitlich ein iPad Pro 11" mit Smart Keyboard und Pencil 2 zugelegt, für schmale 1300,- € (Bildungsrabatt). Die Zielsetzung dabei: Ich will herausfinden, ob und wie sich mit iOS die Arbeit im akademischen Umfeld (Studierende und Lehrende) vereinfachen lässt. Das betrifft überwiegend Workflows in der Lehre, die die vorhandende IT-Dienste Dienste an der der Universität mit einbeziehen, u.a. aus Datenschutzgründen lokale Cloudspeicher (Owncloud, Nextcloud), eLearning-Umgebungen, webbasierte Office-Lösungen (Collabora), klassisches MS Office (Office 365), Literaturverwaltung (Endnote, Citavi) und vieles mehr.
Beispielsweise geht es um Workflow-Fragen rund um Lehrveranstaltungen: Lehrende stellen im eLearning-System Folien und Arbeitsblätter als PDF bereit - wie können diese von den Studierenden möglichst einfach herunter geladen, gelesen, in der Veranstaltung annotiert und wieder auffindbar und im offline-Zugriff irgendwo gespeichert werden? Oder aus Sicht der Lehrenden: Kann ich beispielsweise per iPad Folien präsentieren, live in der Veranstaltung da drin rummalen, unkompliziert Seiten einfügen (etwa handschriftliche Herleitungen) und die so modifizierten Folien mit nur ein paar Klicks im eLearning-System aktualisieren, so daß sie anschliessend für die Studierenden verfügbar sind?
Mein Zwischenfazit, ohne jetzt in Details gehen zu können (es gibt einfach so viele unterschiedliche Anwendungszenarien): iPads glänzen überall dort, wo überwiegend handschriftlich gearbeitet wird, etwa bei Mitschriften, in denen viele Formeln oder Skizzen eine Rolle spielen. Es gibt phantastische Apps für handschriftliche Notizen (wie etwa Notability) oder solche zur Handschrifterkennung, die sich hervorragend eignen, um handschriftliche Protokolle schnell und sicher in Maschinenschrift zur Weiterverteilung umzuwandeln (Nebo).
Überall dort, wo mit Webfrontends gearbeitet wird (z.B. eLearning-Umgebung, Online-Datenbanken) kommt man mit iOS recht gut durch, auch wenn es hier schon erste Showstopper gibt: In Collabora funktionieren z.B. aus unterfindlichen Gründen nicht die Cursor-Tasten mit externen Keyboards - das ist aber eher ein Collabora-Problem.
An anderen Stellen versagt iOS komplett: Immer dort, wo spezialisierte PC-Software zum Einsatz kommt oder gar mit mehreren Softwarelösungen ineinander greift, hagelt es Showstopper: Es gibt schlichtweg (noch) keine passenden App-Äquivalente zu fachspezifischer Standardsoftware, die aber von Studierenden genutzt werden muss.
Auch dort, wo Dateien offline zur Verfügung stehen sollen, wird es hässlich: Per Dateien-App und Nextcloud-App nebst passenden Favoriten-Settings stehen Dokumente zwar auch automatisch offline zur Verfügung, diese sind aber nach dem Editieren nicht mehr zugreifbar, bevor sie nicht wieder online automatisch synchronisiert wurden. Bei Dateien auf dem iCloud Drive tritt das Problem zwar nicht auf, allerdings ist hier bei Speicherknappheit auf dem Gerät nicht garantiert, daß die Dokumente auch wirklich offline da sind, wenn man sie braucht. Wohlgemerkt: Ich rede hier von automatischen Synchronisierungsvorgängen - das leidige manuelle Im- und Exportieren per Document-Picker ist im Arbeitsalltag einfach keine Option - schon gar nicht, wenn man die problemlose Synchronisierung unter Windows/Mac/Linux gewohnt ist.
Wenn jetzt Leute kommen und Fragen: "Soll ich mir ein iPad kaufen? Ich will mein altes Laptop ersetzen!" muss ich leider sagen: Nein, nein und nochmals nein! Ein iPad ist unter den genannten Andwendungsbereichen kein Laptop-Ersatz, auch wenn Apple immer wieder versucht, uns etwas anderes weiszumachen! Es kann eine hervorragende Ergänzung sein und völlig neue Optionen eröffnen, denn viele Sachen sind damit machbar, die auf einem klassischen Laptop undenkbar sind - aber es ist eine Erweiterung, mehr nicht. Wenn jemand nur ein begrenztes Budget hat, würde ich ihm niemals ein iPad als Laptop-Ersatz empfehlen, weil unweigerlich Aufgaben kommen, die damit nicht machbar sind. Wenn sich jemand ein iPad als Luxus-Notizblock oder als "Zusatz-Display" zur Anzeige von Dokumenten neben dem Laptop anschaffen will - super! Aber als Ersatz: Niemals!
Noch kurz zum Thema Microsoft Surface: Ich habe selbst auch ein Surface Pro 4 samt Stift und Tastatur. Wenn ich nur ein begrenztes Budget habe und/oder nur ein Gerät mit mir rumschleppen will, ist das meines Erachtens tatsächlich eine Lösung - damit kann man tatsächlich vollständig durchs Studium kommen und man hat zusätzlich die Handschrift-Option. Allerdings sollte einem klar sein, daß hier auch alle PC-Nachteile zuschlagen: Nervige Windows-Updates, nicht an Touch-Bedienung angepasste Programme, höheres Gewicht, geringere Akku-Laufzeit und potentielle Malware-Risiken.
Just my 2 cents...