Demokratie und Grundrechte können nur gegenübergestellt werden, weil die Korruption von Begriffen des Staatswesens wie auch der faktisch staatsverbrecherische Vollzug der Politik längst substanziell und umfassend sind. Die Menschen sind entwöhnt worden, gegenwärtige Vorgänge staatsrechtlich angemessen zu reflektieren. Darum fällt es Demagogen leicht, Demokratie und Grundrechte in Widerspruch zu bringen. Dabei ist die Argumentationskette die gleiche groteske Farce, wie sie Verbrecher verwenden, wenn sie "Gesetz" und ihre "Lust zum Verbrechen" gegenüberstellen, um sich darüber zu legitimieren und den Freispruch einzufordern. ;-)
Nun komm mal wieder runter. Ich hab doch überhaupt nichts gegen deine Staatstheorie. Natürlich ist es richtig, dem Haus ein Fundament zu geben, das Grundrechte - also in erster Linie Menschenrechte - verbindlich macht und sicherstellt, sodass alle politische Entscheidungen zuerst daran gemessen werden müssen, ob sie auch auf dem "Boden des Grundgesetzes" stattfinden. So
sollte es sein.
Theoretisch. In der
Praxis sieht es leider anders aus. Denn auch das beste Grundgesetz kann nur funktionieren, wenn es begriffen und gelebt wird. Wenn das Δήμος (mit-)bestimmen soll, aber den Rahmen, innerhalb dessen Politik überhaupt möglich ist, nicht begreift oder akzeptiert, gibt es - je nach Sichtweise - entweder ein Problem mit dem GG oder mit der Δημοκρατία. Gott sei es geklagt.
Nun mag es ja sein, dass das demokratische Staatswesen eine Legitimation braucht, und die ist das GG. Fein. Und welche Legitimation hat dann das GG? In der Präambel ist von einer "verfassungsgebenden Gewalt" die Rede, "kraft derer sich das Deutsche Volk dieses Grundgesetz gegeben" habe. Wodurch ist die nun legitimiert? Von Gott eingesetzt? Darf ich diese Frage stellen, ohne gleich gelyncht zu werden?
Damit wir uns nicht falsch verstehen: Das, was im GG steht (bzw. ursprünglich mal stand), halte ich persönlich für absolut richtig und für ein geradezu vorbildliches Fundament für einen demokratischen Rechtsstaat.
Doch seine wahre Legitimation kann es nur durch ein Volk erhalten, dass an die ihm zugrunde liegenden Werte glaubt. Das ist aber nicht mehr so. Dies kann man beklagen und auf korrupte Politiker schimpfen, böse Mächte hinter jedem Strauch vermuten, und so wieter, nur: bringen wird das nicht viel. Es führt zu nichts, auch weil es die falsche Diagnose ist.
Tatsächlich wurden die westlichen Staaten zu schein-repräsentativen Olligarchien umgebaut. Politiker stehen zwar zur Wahl. Diese sind indes durch ein Parteiensystem nach Gesinnung und Verfügung ausgesiebt. Die Wahl ist für die Bürgerschaft irrelevant geworden. Denn die Macht hat nicht der Wähler. Die Macht haben die, die Politiker in den Parteien an die Schlüsselpositionen positionieren, um in Regierungsfunktion schließlich partikuläre Interessen durchzusetzen.
Ja, und das ist eben das, was ich nun gar nicht glaube. Richtig ist zwar, dass es aufgrund unseres unglaublich dummen Wirtschaftssystems zu immer größeren, mittlerweile bedrohlichen Machtkonzentrationen gekommen ist, die politisch bestimmen, aber niemals dazu demokratisch legitimiert wurden. Sie beeinflussen Entscheidungen in großem Stil und zu ihrem eigenen Nutzen. Das ist offensichtlich. Falsch ist, dass uns nur noch Marionetten regieren und das Volk nichts mehr zu sagen hat. Deutschland ist innerhalb einer schlappen Woche aus der Atomkraft ausgestiegen, gegen Wirtschaftsinteressen, die mächtiger kaum hätten sein können. Plötzlich ging's. Weil das Volk es so wollte. Traurig, aber auch aufschlussreich daran: Es bedurfte eines Atomunfalls in Japan, um die Menschen zur Vernunft zu bringen. Ich bin mir sicher, dass sich auch ein wirksamer Datenschutz bewerkstelligen ließe, doch zuerst muss der Bewusstseinswandel im Volk kommen. Möglicherweise hat Edward Snowden den Anstoß dazu gegeben, was man ihm gar nicht hoch genug anrechnen kann. Man sollte Straßen nach ihm benennen.