Kurzgeschichtenwettbewerb 2017

Welcher Titel ist Euer Favorit ?

  • Der Graf von West

    Stimmen: 2 16,7%
  • Eines Tages stand Sie da

    Stimmen: 3 25,0%
  • Die neuen Apps sind wunderbar

    Stimmen: 5 41,7%
  • Memories

    Stimmen: 1 8,3%
  • Blitzblicke

    Stimmen: 1 8,3%

  • Umfrageteilnehmer
    12
  • Umfrage geschlossen .
G

Granny Schmitz

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28.03.2009
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Hallo zusammen,

die neuen Kurzgeschichten sind da.

Jeder User hat eine Stimme und diese kann nicht geändert werden.

So, kein großes Tamtam, lest die Geschichten und dann gebt Eure Stimme ab. Als Deadline für die Stimmen habe ich einfach mal selbst 8 Wochen gewählt. Das heißt ihr solltet Eure Stimmen bis Pfingstmontag (5 Juni) abgeben.

Viel Vergnügen beim Lesen und bitte vergesst nicht ein paar Worte zu den Titeln und warum ihr gerade den Titel gewählt habt den ihr letztlich am besten findet.

Viele Grüße

Gran
 
Der Graf von West

Als Dreizehnjähriger war ich über beide Ohren in meine Schulkameradin Anna - blond und schlank, ein Engelsgesicht wie aus der Coca-Cola-Werbung geschnitten - verknallt. Ich schwärmte und schmorte und liebte im Geheimen. Zumindest dachte ich so.

Eines Schultages, während des Unterrichts, fasste ich mir ein Herz und schrieb ihr eine Nachricht. Ich faltete das Stück Papier so zusammen, dass ein "Für Anna" oben sichtbar blieb und reichte es meinem Tischnachbarn verstohlen weiter. Lag's am Ungeschick der weiteren Boten? Lag's an ihrer Böswilligkeit, ihrem Gekicher?

Tatsache ist, die Lehrerin - groß und fett – griff sich, wie ein Habicht im Sturzflug, den Papierfetzen, stieß ein "Aha!" aus, verzog das Gesicht, als ob sie sich davor ekelte, und las meine Nachricht an Anna unter dem Gelächter der Klasse laut vor, jedes Wort betonend, als ob sie Begriffsstutzigen den Inhalt erklären müsste.

Dann beugte sie sich zu mir herunter und kam mir so nahe, dass ich ihren bitteren Atem riechen und einatmen musste: "Du-bist-es-ge-we-sen!", schnatterte sie, die Faust mit dem zerknüllten Papier wie zu einem triumphalen Gruß hochhaltend, "Endlich haben wir unseren Grafen von West gefunden!!".

Die Klasse explodierte. Jubel, Geschrei, man schlug mir von allen Seiten auf Schulter und Rücken, man verhöhnte mich, einige tanzten auf den Schulbänken, der Wahnsinn brach aus. Woher wusste diese Hexe, dass ich's gewesen war?

Die Lehrerin stellte die Ordnung schlagartig wieder her. Erst gratulierte und umarmte sie Anna - das hast Du gut gemacht, Mädchen! -, dann gab sie knappe Anweisungen, die unmittelbar befolgt wurden, als ob es sich um einen einstudierten Plan handelte. Tische wurden verrückt, Stühle in Reihen geordnet, vorne bildeten mehrere Tische eine Plattform - eine Bühne? Wie aus dem Nichts zauberte jemand mittelalterliche Kostüme, Schwerter, Lanzen, eine Krone und ein Steckenpferd her.

Die zwei Klassenschläger, beide groß, beide stark, beide dumm wie Stroh, beide standen im Ruf, Annas Günstlinge zu sein, diese zwei zwangen mich in das für mich bestimmte, gräfliche Gewand. Sie machten sich einen Spaß daraus, mir das Steckenpferd schmerzhaft zwischen die Beine zu pressen und wichen mir nicht mehr von der Seite, bis die Lehrerin - jetzt plötzlich eine gekrönte Königin vorne auf der Bühne stehend, vor der zuschauenden Klasse und neben ihr, sitzend, Anna, Königintochter und Prinzessin - bis die Königin also den Beginn des Stückes ausrief.

Die Aufführung

Erzähler: „Am Morgen von Sankt Johannis reitet der Graf von West früh aus, um an der Flussmündung am Meeresufer sein Pferd zu tränken. Während das Pferd trinkt, singt der Graf so wunderschön, dass die vorbeiziehenden Vögel landen, um zuzuhören.“

Einer der Schläger flüstert mir drohend zu: "Sing, Du Idiot!!"

Erzähler: „Die Königin im Schlossturm lauscht dem Gesang des Grafen von West.“

Königin: „Höre, Tochter, wie die Meeresjungfrau singt.“

Prinzessin: „Das ist nicht die Meeresjungfrau, Mutter, die singt doch nicht! Es ist die Stimme des Grafen von West, der aus Liebe zu mir leidet.“

Königin (empört): „Wenn er aus Liebe zu Dir schmachtet, so werde ich ihn töten lassen, denn, um Dich zu heiraten, fehlt im das königliche Blut!“

Prinzessin (scheinbar betroffen, scheinbar weinend): „Lasst Ihn nicht töten, Mutter, befiehlt nicht seinen Tod, denn wenn Ihr ihn tötet, werdet Ihr uns zusammen begraben müssen!“

Königin (von Raserei gepackt): „Tötet ihn! Tötet ihn! Tötet ihn mit der Lanze und werft die Leiche ins Meer!“

Da stürzen beide Ritter mit Lanze und Schwert auf mich zu. Ich sehe noch, wie Anna schadenfreudig grinsend von der Bühne aus auf uns herabblickt. Jeder Schlag, den mir die zwei Schergen verpassen, scheint sie zu erregen. Ihre Augen leuchten, ihre Backen glühen. Endlich holt einer von beiden zum Todesstoß aus, hält zunächst prüfend das Schwert in der Luft, dann sticht er mir mitten ins Herz und dreht es dort mehrmals.

Ich denke noch: "Wie ein Hund". Als ob das Schamgefühl mich überleben sollte.

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"Aber Du lebst noch", stellte einer aus der Gruppe meiner um mich versammelten Freunde trocken fest.
"Sicher, ich trug nur blaue Flecken davon. Allerdings war ich von der Schwärmerei für hübsche Mädchen für immer geheilt."
"Und daher rührt der Name Deiner Firma her - Graf von West?".
"Ja."
"Und was ist aus Anna, der Lehrerin, und den zwei Schlägern geworden?".
Anna wurde dick und unansehnlich. Sie starb vor Jahren an Gebärmutterkrebs. Wahrscheinlich hat sie es mit den Kerlen zu heftig getrieben, nur mit mir nicht.
Die Lehrerin, eine Lesbe, lebt noch mit ihrer Partnerin im Altersheim. Beim letzten Klassentreffen hat sie mich nicht mehr erkannt.
Einer der Schläger wanderte aus, es heißt, er habe die Hälfte seines Lebens im Knast verbracht. Der andere wurde Polizist."

So saßen wir in wehmütiger Stimmung noch lange vor unseren Biergläsern und erzählten.
 
Eines Tages stand Sie da


Eines Tages stand Sie da.

Warum? Das weiß ich nicht genau. Das Schicksal? Vorsehung? Im Nachhinein kann man immer sehr viel erkennen, das einen schönen Sinn ergibt. Als hätte das Leben ein Strickmuster, das man verstehen würde wenn man nur genau genug hinsieht.

Man kann es nicht.

Ich beginne am Anfang.

Nach einer Zeit, die ich zwar nicht wiederholen aber auch nicht missen möchte, stand Sie da. Einfach so. Sie hat mir Fragen gestellt, mich verwirrt, mich herausgefordert und mir das letzte Stück Leben genommen und gegeben, das in mir vorhanden war.

Es war schön. Anders. Ich wusste nicht, ob und wie ich damit umgehen sollte. Kinder springen ins Wasser. Kopfüber, mit den Füßen zuerst, andersrum, von ganz unten oder ganz oben. Weil sie Kinder sind. Wenn man sie lässt. Fische schwimmen, Pferde galoppieren, Kinder freuen sich und Bären schlafen im Wald.

An diesem Tag hat die Natur ihre eigene Ordnung wiederhergestellt, die einige Zeit zuvor sehr durcheinander geraten war. Auch das war ein Zufall. Zufall? Was bedeutet das eigentlich? So etwas wie ein #slap ins Gesicht, bei dem dein Karma mal mit dir redet? Oder ist man im Nachhinein.. Ach, das hatten wir ja schon.

Sie stand da. Als hätte sich die Erde geöffnet und aus dem pazifischen Feuerring, der Kontinente spaltet, die Kontinente bewegt, für Leben und Chaos sorgt, ganze Gebirge erzeugt, jemanden ausgespuckt, der diese überirdische Naturgewalt in sich trägt und gleichzeitig so schön ist und ein sanftes und wundervolles Wesen besitzt.

Sie stand da. Ein bisschen fragend, ein bisschen fordernd und ein bisschen neugierig. Neugierig auf das Leben. Ich wusste aber nicht, was das Leben ist. Sollte es „das“ Leben sein? Leben und Tod? Oder das andere, das man am Monatsende bei Ikea oder Edeka kauft? Oder die Gewissheit, dass das Leben ewig dauert wenn man nur genug daran glaubt? Oder womöglich das Leben, das man sich wünscht wenn..

Nein.

Sie stand da. Ich war das Leben für sie, Sie war das Leben für mich. Einfach so.

Manchmal sitze ich auf einer Wiese, rauche eine Zigarette, schaue der Natur zu und denke daran zurück, was ich einmal hatte. Leben.

Sie stand da. Einfach so. Und sie hat mich geliebt und wir haben gelebt. Einfach so.

Viele Jahre sind vergangen. Viel ist passiert. Aber eins bleibt. Für immer.

Sie stand da. Und wir leben und lieben.

Vögel fliegen nicht, weil sie es wollen. Vögel fliegen nicht, weil sie es müssen. Vögel fliegen weil sie davon träumen können, wie es sich anfühlt, wie ein Vogel zu fliegen.

Sie stand da. Und davon träume ich immer noch. Weil Sie mein Leben ist.
 
Die neuen Apps sind wunderbar

Das kleine Mädchen im Park eilt zu ihrer Mutter, die auf einer Bank sitzt.

Kind (erregt): „Mamma, Mamma!“
Mutter (schaut weiter tippend auf ihr Mobiltelefon und reagiert nicht).
Kind (brüllt der Mutter direkt ins Ohr, die Mutter schreckt auf):„MAMMA!“,

Kind (streckt das Ärmchen aus und weist die Richtung): „Da ist eine Frau, die schaut uns beim Spielen zu!“
Mutter (blickt immer noch auf das elektronische Gerät): „Ich habe Dir schon oft gesagt, Du sollst nicht lügen oder Geschichten erfinden, Kind, was Du sagst, ist unmöglich, wo ist Dein Handy?“.
Kind (packt die Mutter am Arm): „Komm jetzt mit!“

Alte Frau (sitzt auf einer Parkbank, schaut auf den Teich und summt): „Wenn ich ein Vöglein wär ...“
Mutter: „He, Sie da!“
Alte Frau: „Flög ich zu Dir ...“
Mutter (schaut abwechselnd auf die Frau und aufs Mobiltelefon): „HALLO! Sie meine ich! Wo ist Ihr Handy? Was fällt Ihnen ein, derart in die Gegend zu glotzen, sogar den KINDERN beim Spielen!“
Alte Frau (verwundert): „Aber ich habe kein Handy ... ich bin heute aus dem Krankenhaus entlassen worden.“
Mutter: „Sehr witzig, das könnte jeder sagen, habe noch nie eine so dämliche Ausrede gehört. Wissen Sie was, ich rufe jetzt die Polizei.“ (tippt eine Nummer auf ihrem Mobiltelefon).
Alte Frau: „Aber warum denn?“, weiter zum Kind: „Hallo Kleine, möchtest Du mitsingen?“
Das Kind wendet sich angewidert ab.
Mutter (nimmt ihre Tochter zu sich, empört, blickt aber eisern weiter auf ihr Mobiltelefon und tippt): „Das ist ja wohl die Höhe!“
Die Polizei meldet sich am anderen Ende der Leitung.
Mutter (schaut weiter konzentriert aufs Mobiltelefon): „Ähhm ... Martina Schulz hier. Ich bin mit meiner Tochter im Park neben dem Teich und möchte eine verdächtige Person, eine alte Frau, melden. Sie behauptet, sie habe kein Handy. Ferner summt sie Lieder, schaut den Kindern beim Spielen zu und spricht sie sogar an. In meiner Gegenwart!“
Polizei: „Bleiben Sie da wo Sie sind, wir schicken sofort jemand hin! Und vernachlässigen Sie nicht Ihre Handypflichten, denn ... die neuen Apps sind wunderbar!“
Mutter (wie aus der Pistole geschossen): „Die neuen Apps sind wunderbar!“ Und legt auf.

Ein Schutzmann taucht plötzlich aus dem Gebüsch auf.
Schutzmann (zur Mutter): „Gnädige Frau! Bitte, Sie brauchen von ihrer App nicht aufzublicken – die neuen Apps sind wunderbar! – Wo ist das verdächtige Subjekt?“
Mutter: „Die neuen Apps sind wunderbar! Herr Schutzmann, die alte Dame da behauptet, sie habe kein Handy, weil sie heute aus dem Krankenhaus entlassen worden sei. Das ist natürlich Unsinn!“
Schutzmann: „Das ist wirklich völliger Unsinn.“
Schutzmann (zur alten Frau): „Sie da! Keine Spielchen bitte! Wo ist Ihr Handy?“
Alte Frau (guckt den Schutzmann gelangweilt an): Wo ist denn Ihr Handy, Herr Schutzmann?“
Schutzmann: „Wir Polizisten tragen eine Mikroeinheit an unseren Sonnenbrillen, das weiß doch jeder! Ist zwar kein vollwertiger Ersatz für ein Handy, aber unsere Pflicht erfordert –leider, glauben Sie mir – manchmal ein freies Blickfeld. Ach hätte ich jetzt mein Handy dabei, denn ... die neuen Apps sind wunderbar!“
Mutter (eifrig und ohne aufzublicken): „Die neuen Apps sind wunderbar!“
Schutzmann (eindringlich, zur alten Frau): „DIE NEUEN APPS SIND WUNDERBAR!“

Da die alte Frau stumm bleibt und die beiden belustigt betrachtet, wählt der Schutzmann mittels seiner Sonnenbrille den Notruf und fordert Verstärkung an.
Schutzmann (hektisch, gibt seine Lage durch, beschreibt den Vorfall): „... und bringt bitte unbedingt ein Handy mit!“

Alte Frau (summt): „Drei Chinesen mit dem Kontrabass, standen auf der Straße und erzählten was, da kam die Polizei, ja was ist denn das? ... Drei Chinesen mit dem Kontrabass!“
 
Memories


Alles drehte sich, überschlug sich, seine Gedanken waren in seiner Kindheit. Als er mit seinen Freunden Fußball spielte und plötzlich dieses schöne Mädchen vor ihm stand, Maria hatte ihn sofort berührt, berührt wie kein weibliches Wesen danach. Er war erst 10 aber es war um ihn geschehen.


Plötzlich laute Schreie, verschwommen sah er ein paar Menschen. Beim ersten Date mit ihr, 12 Jahre sollten vergehen, war er so nervös, dass er sich vor lauter Aufregung das Rasierwasser in den Mund kippte, warum kamen gerade jetzt solche Gedanken?


Die Schreie wurden lauter, es wurde dunkel, alles drehte sich noch viel stärker, seine Gedanken waren bei ihrer Hochzeit, Maria in ihrem wunderschönen Brautkleid, wie sie zum Altar kam, begleitet von ihrem Vater der sie über alles liebte.


Die Überschläge und die Schreie wurden noch heftiger, er konnte nichts für seine beiden Töchter tun, es ging alles viel zu schnell. Die Schreie wurden noch lauter, seine Töchter schrien lauter als seine Frau, hatte sie schon aufgehört zu schreien, was ist hier los? Er konnte das alles nicht mehr einordnen. Sein Herz hörte kurzzeitig auf zu schlagen, seine Atmung setzte aus.


Langsam wurde es heller, die Schreie wurden leiser, war dass das Ende? So sollte es also zu Ende gehen, einfach so, als wäre das alles nicht passiert?
Er stieg aus der Achterbahn.
 
Blitzblicke


Herr Sander sah sich drei Fehler auf einmal machen, bei vollem Bewusstsein, ohne etwas daran ändern zu wollen. Er gab wieder einen Fortbildungskurs für eine Gruppe von Dozenten, die ein bestimmtes Zertifikat brauchten. Nur für dieses Wochenende war eine Teilnehmerin dabei, die in ihrer Stadt dieses Unterrichtsmodul verpasst hatte und es nun hier nachholte. Die junge Frau hieß Katharina. Der Rest der Gruppe kannte sich ja schon, Katharina kannte niemanden und niemand kannte sie. Also ließ Herr Sander zu Beginn sich alle noch einmal vorstellen. Katharina sprach mit einer Stimme, die gerade einen heißen Tag an der Strandbar verbracht hatte. Katharina saß auf ihrem Stuhl aufrecht, ein Bein untergeschlagen, die Hände frei gestikulierend in der Luft. Ihr blonder Pferdeschwanz zappelte bei ihrer Erzählung munter hoch und runter und in jede Richtung, während ihre himmelblauen Augen immer wieder unübersehbar absichtlich Herrn Sander anblitzten.



Er war verloren. Herr Sander leugnete seine Midlife-Crisis bisher. Aber in diesem Jahr würde er 50, er ging der Partyplanung bisher aus dem Weg. Herr Sander war verheiratet, und zwar glücklicher als die meisten in seinem Alter, glaubte er. Herr Sander war eine treue Seele. Herrn Sander überkam Jagdeifer.



In der Mittagspause taten sich die Teilnehmer in kleinen Gruppen zusammen und gingen irgendwo in der Nähe eine Kleinigkeit essen. Katharina hätte sich leicht einer Gruppe angeschlossen, sie gab sich sehr kontaktfreudig, fröhlich und beredt. Herr Sander fragte sie, bevor sie jemanden fragen konnte. Er kenne um die Ecke einen tollen Falafel-Laden, ob er sie einladen dürfe. Er durfte. Er half ihr aus der Jacke, er schob ihr den Stuhl unter, er probte Small-Talk, was er eigentlich hasste. Er erzählte von seiner Familie und von seinem Leben. Sie erzählte aus ihrem Studentenleben und dass sie 27 sei. Und sie erzählte sehr privat von ihrer älteren Schwester, die sich umgebracht hatte. Vor etwas mehr als drei Stunden waren die beiden sich zum ersten Mal begegnet, sie hatten bisher kein Wort allein miteinander geredet, nun saßen sie vertraut und vertrauend am Tisch und sprachen über sehr Privates, eigentlich Intimes. Die Luft knisterte, wenn ihre Blicke sich begegneten.



Herr Sander durfte mit seinen Schülern nur sehr begrenzt privaten Kontakt halten. Herr Sander sollte seiner Frau treu sein. Herr Sander sollte wissen, dass diese junge Frau nur ein Jahr älter war als seine älteste Tochter. Herr Sander hatte sich verknallt. Er zahlte die Rechnung, stockte kurz, um zu fragen, ob das okay sei – es war. Er half Katharina in die Jacke, bevor sie in den Unterrichtsraum zurückgingen. Im Nachmittagsunterricht fing Herr Sander haufenweise Blitzblicke von Katharina auf. Das Unterrichtsende verlief unspektakulär, Katharina musste schnell weg zu ihrer Wochenendunterkunft. Morgen noch einmal. Herr Sander erzählte zu Hause seiner Frau von der Begegnung. Die reagierte gelassen-belustigt: „Nehmt euch einen Hinterhof oder ein Hotelzimmer, du siehst sie nie wieder.“ Für die Großzügigkeit gab es eine Belohnung, die vielen Appetitanreger am Tag brachten erstaunliche Wirkung.



Am nächsten Tag war Herr Sander eine Viertelstunde früher als sonst im Kursraum. Er konnte den Tag kaum abwarten. Die erste ankommende Teilnehmerin war Katharina, der es ähnlich zu gehen schien. Herr Sander wollte die wenigen Minuten bis zum nächsten Eintreffen für ein paar offene Worte nutzen: „Ich. Ich bin gerade dabei mich vollkommen lächerlich zu machen, ich weiß das, ich sehe mir dabei zu. Es passiert, aber ich wehre mich nicht.“ Katharina sagte: „Nein, daran ist nichts lächerlich. Das passiert und es ist gut. Wir reden später.“ Später bedeutete Mittagspause in einem andern Imbiss als gestern. Herr Sander durchkreuzte das Du-siehst-sie-nie-wieder indem er mit der jungen Frau Telefonnummern austauschte. Er bot ihr an, ihr beim nächsten Besuch in der Stadt ein Sightseeing zu den wenig bekannten schönen Orten der Stadt zu geben. Sie war begeistert. Am Nachmittag in einer Gruppenarbeitsphase ging Herr Sander aufs Klo. Er heulte ziemlich ausgiebig und wusste dabei nicht, ob vor Glück oder über so viele verpasste Gelegenheiten. Am Abend Abschied: kein Hinterhof, kein Hotelzimmer, ein langes festes Umarmen und Drücken. Wir sehen uns, versprochen! Warum hat er sich nicht getraut? Er machte einen Umweg nach Hause – noch mal denken und fühlen. Er schrieb ihr eine Nachricht aufs Handy, in der er seine Entschlussunfähigkeit bedauerte. Sie antwortete erst am nächsten Tag: „Ich mag dich. Es ist gut so. Ich bin übrigens seit langem mit meiner Freundin glücklich liiert.“
 
Nein, Granny, keine Umfrage.
Ich bitte um eine Punktevergabe, von 1 bis 5. Der Geschichte, die Euch am besten gefällt, gebt Ihr 5 Punkte, der nächstbesten 4, usw.
Am wichtigsten sind die Rezensionen, kennt Ihr ja von Amazon, je mehr Ihr schreibt, umso besser. Bitte keine Hemmungen. Ehrliche, begründete Kritik hilft den Autoren.
 
Oh - die sind alle 5 ganz gut! Das wird schwer …
 
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Ich bin ja erstmal froh, daß wir hier – nach kurzem überfliegen der Lektüre – kein schriftl. Porn haben,
welches moderiert werden müsste, was wiederum eure Competition geschreddert hätte.
Denk bitte grundlegend daran, daß das Geschriebene hier öffentlich einsehbar ist und so gesehen auch Minderjährige lesen könn(t)en.
 
Da ich diese Woche als Touri unterwegs bin, werde ich erst nächste Woche ausfūhrliche Kritiken schreiben können.
Inzwischen bestehe ich auf mein Punktevergabeverfahren. Ich sollte diese Ausgabe organisieren, Granny hat "nur" die Stories gesammelt, damit ich die UrHeber nicht kenne und frei von der Leber weg rezensieren kann.
@punkreas: Halte Dich bitte an die Abmachung.

Granny hatte nur irrtümlich die Umfrage gestartet.
 
Hatte ich eigentlich nicht. Ich finde das mit einer Umfrage besser. Aber nächstes Mal machst du es einfach und wir haben keine "Unruhe".
 
Erst der Hase und nun hast du granny auch nicht im Griff :D nenene Barry :crack:
 
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Halte Dich bitte an die Abmachung.
Nun steht die umfrage doch da. Was willste machen? Dein bewertungssystem parallel laufen lassen? Und wenn das zwei unterschiedliche ergebnisse bringt, würfeln wir?
 
Nicht streiten. Wir lassen die Abstimmung einfach stehen und dennoch vergibt jeder seine Punkte von 1 bis 5.
Wäre das nicht eine Idee?
 
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Reaktionen: Barry Lyndon
Vier von fünf sind liebesgeschichten, wenn ich die richtig interpretiere. Weia. Mir ist darunter schon was schnulzig. ich les' die noch zwei-/dreimal und versuche mich dann an kritiken. Meinetwegen auch an Barrys bewertungssystem. Ich finde bisher keine überfliegerhaft und keine voll daneben. Meine ist ziemlich hingepfuscht, die hätte ich besser bringen können. Ich hätte mehr zeitlücken gebraucht. Der HERR erhalte mir meine ausreden.
 
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Möchtest du vielleicht direkt sagen welche deine ist ?
 
Der Graf von West
Nach einem gelungenen ersten Teil war ich sehr von der Wendung, die „wie aus dem Nichts“ kommt, verwundert. Ebenfalls der Wechsel vom Epischen ins Dramatische sowie der auch optisch abgetrennte Endteil, der recht wenig zur inhaltlichen Abfolge der vorherigen Teile passt, erwecken den Eindruck, als bestünde die Kurzgeschichte aus drei einzelnen Teilen, die aneinandergereiht wurden. Mal grotesk, mal lustig, mal doch eher abstoßend. Guter Start, weniger gelungenes Ende.

Eines Tages stand Sie da
Stilistisch gut gemacht – hinterlässt viele Fragezeichen im Kopf – denke, dass das so gewollt ist. Vom Aufbau her könnte man die Kurzgeschichte überarbeiten, sodass sie stärker zum Nachdenken anregt. Das in der Einleitung genannte Fazit würde am Ende der Geschichte besser wirken.

Die neuen Apps sind wunderbar
Endlich mal eine Geschichte ohne „Gesülze“. Finde ich gelungen, auch weil sie nicht – wie es bei den anderen Geschichten eher der Fall ist – so vorhersehbar ist. Auch regt sie zum Nachdenken über aktuelle und zukünftige gesellschaftliche Umgangsformen an. Auch der kritische Ton, der durch Anlehnungen an überwachungsstaatliche Motive entsteht, gefällt mir.

Memories
Euphemistisch ausgedrückt, wird hier die Sache mit dem „unerwarteten Ende“ in ihrer reinsten Form dargestellt. Aber recht lustig – und kurz.

Blitzblicke
Zu klassische, vorhersehbare und zu durchschauende Midlife-Crisis-Kurzgeschichte.

Mein Favorit: „Die neuen Apps sind wunderbar“
 
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Reaktionen: iPhill und Barry Lyndon
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