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Mit ihrer Pippi Langstrumpf hatte es Astrid Lindgren, die Schöpferin der inzwischen weltberühmten rothaarigen Rotznase, von Anfang an nicht leicht. Nachdem ihr Buch zunächst in Schweden und dann auch in Deutschland von zahlreichen Verlagen abgelehnt worden war, kam es nach der Veröffentlichung (in Schweden 1945, in Deutschland 1949) schnell zu einer hitzigen Diskussion wegen der Selbständigkeit (viele nannten es auch Anarchie) der jungen Heldin, die allein in einer Villa wohnt und tut und lässt, was sie will. Solch ein antiautoritäres Vorbild sei schädlich für die kindliche Entwicklung befanden damals viele Pädagogen aber auch Eltern. Trotz dieser Vorurteile wurde das Buch und seine Fortsetzungen weltweit sehr populär und heute spricht niemand mehr über diese Thematik.
Ein anderes Thema ist der Rassismus, der der Figur und somit auch indirekt der Autorin unterstellt wird. Seit den siebziger Jahren gibt es immer wieder Beschwerden wegen der Verwendung des Wortes Neger. So erzählt Pippi ihren Freunden davon, dass ihr Vater nach einem Schiffbruch auf einer einsamen Insel in der Südsee an Land gespült und dort Negerkönig geworden sei. Irgendwann werde er sie holen und dorthin mitnehmen. Und dann werde sie eine Negerprinzessin sein.
Zur Zeit der Entstehung der Pippi-Bücher wurde der Begriff in Europa noch überwiegend wertneutral verwendet und bezeichnete allgemein Menschen mit dunkler Hautfarbe. Zudem kannten die allermeisten Europäer zur damaligen Zeit dunkelhäutige Menschen lediglich aus Erzählungen oder allenfalls von Fotos. Die Bedeutung des Begriffs Neger, der zunehmend einen abwertenden Beigeschmack bekam, änderte sich jedoch mit dem Ende der Kolonialisierung in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Der Historiker und Leiter des Berliner Zentrums für Antisemitismus-Forschung, Wolfgang Benz findet die Pippi-Bücher daher kolonialrassistisch. Sie seien mit Ressentiments befrachtet und würden bei Kindern Vorurteile prägen. Der aus dem Kongo stammende Journalist und Dolmetscher Kaisa Ilunga, Mitglied im Integrationsrat der Stadt Bonn, fordert gar, die Pippi Langstrumpf Bücher wegen rassistischer Aussagen aus allen öffentlichen Bibliotheken auszusortieren. So weit will die Leiterin der Bonner Staatsbibliothek Gabriele Bellof zwar nicht gehen, die Stadt Bonn plant jedoch den sukzessiven Austausch der Bücher durch "entschärfte" und somit politisch korrekte Exemplare.
Der in Deutschland für den Vertrieb der Lindgren-Bücher zuständige Verlag Oettinger hat nämlich bereits im Jahr 2009 Fakten geschaffen und für die Neuauflagen der Bücher vermeintlich rassistische Begriffe entfernt oder durch andere ersetzt. So ist Pippis Vater jetzt beispielsweise kein Negerkönig mehr, sondern ein Südseekönig. Eine solche Änderung hatte die Autorin zwar stets abgelehnt; nach ihrem Tod im Jahr 2002 sei es dem Verlag allerdings gelungen auf die zunächst gleichfalls ablehnenden Erben Lindgrens einzuwirken, so eine Sprecherin.
Diese Änderung ist übrigens keineswegs die erste dieser Art. Da der Begriff Neger in den USA und in Großbritannien schon immer einen faden Beigeschmack hatte, weil er eng mit der Kolonialisierung und dem Sklavenhandel in Verbindung stand, änderte man bereits bei der Übersetzung ins Englische den Begriff ab. Dort ist seit der Erstauflage nicht vom Negerkönig, sondern vom "Cannibal King", also vom Kannibalenkönig die Rede. Diese Bezeichnung wirkt allerdings unfreiwillig komisch, da sich Pippi ja darauf freut mit den kleinen Kannibalenkindern zu spielen und auch die Mutter von Annika und Tommy hat nichts dagegen einzuwenden, dass ihre Kinder Pippi auf die Kannibaleninsel begleiten.
Bisher hat noch niemand die Forderung erhoben, auch die Verfilmungen von Pippi Langstrumpf zu zensieren, denn diese enthalten das böse Wort ebenfalls. Und gerade jetzt an Ostern flimmerten sie, wie jedes Jahr, wieder über die Mattscheibe des ZDF.
Schnittberichte.com
Muss man es wirklich so übertreiben?