Gesellschaft Ist das Bürgergeld/b.l. Grundeinkommen unabwendbar?

Die Erfahrungen nicht nur in Deutschland zeigen, dass die "arbeitsmarktfernen Schichten" nur schwer zu aktivieren sind
Ja, dann umsobesser, wenn diese diejenigen, die einer Erwerbstätigkeit nachgehen wollen, dabei nicht stören. Is' etwas fatalistisch – ich weiß. Aber diese Gesellschaft muss Typen wie Arno D. aus H. einfach nur auszuhalten lernen (in beiden Bedeutungen von aushalten). Jene wird es immer geben. Das entwertet aber nicht die Idee eines Grundeinkommens als solches.

Also auch kein Mindestlohn mehr?
Vielleicht. Aber der Mindestlohn bewirkt als Mechanismus was anderes als ein Grundeinkommen: Wer einer Erwerbstätigkeit nachgeht, soll dann aber auch was davon haben.

Ach ja, auf alle Einkünfte würden proportional Abgaben wie Einkommenssteuer, GKV, PflegeV, ArbeitslosenV und Rente abgeführt. Ohne Deckelungsgrenzen. Wer nun darüber jammert, dass auch der Millionär doch dann immer noch eine gesetzliche Rente erhielte, dem sei gesagt: Die Abgaben mögen ungedeckelt sein, die Einkünfte daraus nicht zwingend. Auch ein Millionär sollte mit – sagen wir – 10000€ gesetzlicher Rente über den Monat kommen können. Das muss doch zu schaffen sein. Zumal er fraglos in der Lage ist, privat vorzusorgen.

Genau das kann aber derjenige, der von aktuellen Gehältern von 1100€ brutto leben muss, gerade nicht. Ausgerechnet derjenige, der es am dringendsten nötig hätte, kann das gerade nicht, selbst wenn er wollte. Wer sein Lebtag lang von 1000€ netto hat leben müssen (und als Single vermutlich auch können), wird diese 1000€ aber auch im Rentenalter brauchen.
 
Oder die Mitarbeiter im Callcenter für den Kundensupport. Um diesen dann zu ermöglichen müssten auch die Produkte wieder teurer werden.
Mal ehrlich. Foren wie dieses gibt es doch, gerade weil niemand (in der Masse der Nutzer, die den Kohl fett machen) für Support, d.h. einen, der dieses Wort verdient, zahlen wollen.

Also: die Arbeit wird gebraucht, nicht aber die Erwerbstätigkeit in diesem Sektor geschätzt. Wenn aber die Arbeit als solche für die Gesellschaft gebraucht wird, ist es eine gesellschaftliche Gesamtaufgabe, diese Arbeitstätigkeit als gemeinnützige Arbeit zu honorieren. Auch dafür ist ein Grundeinkommen da. Genauso wie für die Person, die zuhause die Familie schmeißt, und auch jedwede andere gemeinnützige Arbeit.
 
Naja wir haben ein Problem! Der Druck immer mehr immer billiger anbieten zu können hat zur Arbeitsplatzabwanderung nach Asien geführt wo sich noch Leute finden die für einen Euro am Tag arbeiten.

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Dafür sind wir aber auch selber verantwortlich. Alles soll billig sein, Lebensmittel, die dazu führen, dass Tiere unwürdig gehalten werden, Kleidung (Mode) darf möglichst nichts kosten ... die Liste ist lang.

Benzin, damit wir durch die Gegend fahren. Obwohl Benzin nie so preiswert war wie heute, denn heute muß man für einen Liter Benzin in Minuten deutlich weniger arbeiten als vor dreißig Jahren.

Wir müssen bei uns selber anfangen.
 
Obwohl Benzin nie so preiswert war wie heute, denn heute muß man für einen Liter Benzin in Minuten deutlich weniger arbeiten als vor dreißig Jahren.
Allgemein sind die Kosten doch exorbitant gestiegen. Und der Lohnzuwachs bei den Beschäftigten stagniert seit Jahren.
 
... ein Grundeinkommen von 600 maximal 800€ halte ich daher für durchaus diskussionswürdig.
Das gibt es in Form von Hartz4 schon, inklusive aller Nebenleistungen wie Miete, Strom, Wasser, Heizung, ...
Wenn es pro Bürger 600 Euro sein sollen, bis ans Lebensende, dann sind das bei einem Leben in 60 Jahren (ab 20 gerechnet bis 80 Jahre) 432.000 Euro. Darf ich fragen woher dieses Geld kommen soll?

Wünschenswert wäre paralell die Senkung der Lohnnebenkosten um Schwarzarbeit weniger lukrativ zu machen.
Bei einer Absenkung der Lohnnebenkosten (wieviel?) haben wir weniger Geld für die Krankenversicherung, die Arbeitslosenversicherung, die Pflegeversicherung ...
 
Wenn es einen Mindestlohn von 7,50 EUR/h gäbe, hätte man bei zwei Erwerbstätigen und 168h/Monat 2520 EUR Brutto. Netto wären das ca. 1870 EUR. Das lohnt sich wirklich kaum.
Die Aussage, warum sich das nicht lohnen soll verstehe ich nicht.
Es ist bezahlte Arbeit von jemandem mit einem eher niedrigen oder keinem Ausbildungsgrad. Die Frage ist die Anerkennung von Arbeit als Lebenszweck in diesem Sektor.

Meine Eltern mußten zusammen mit 1400 Euro im Monat Rente auskommen, obwohl sie ihr Leben lang gearbeitet haben. Sie konnten keine großen Sprünge machen, hatten ein kleines gebrauchtes Auto und sind aller paar Jahre eine Woche nach Ibiza.
Es kommt auf die Ansprüche an, die man hat.
 
Ein Grundeinkommen bringt nichts, so lange manche Leute mehr besitzen als andere - das gesamte Eigentum müßte logischerweise kollektiviert und umverteilt werden.
Schauen Dir einfach die Stalinzeit an, dann weißt Du, was Kollektivierung bedeutet.
 
Das ist eine mögliche Erklärung. Eine andere wäre, dass der Arbeitgeber gerne Leute für einen Euro die Stunde beschäftigen würde und daher Einfluss auf die Politik nimmt, um Regelungen, die genau das verhindern, zu unterbinden. Hier ist die Frage, was ist die Ursache und was die Wirkung.

Stimmt, aber es ginge auch umgekehrt. Nämlich wenn der Bürger sein recht auf Wahlen wahrnähme.


Auch hier sollte man sich die Frage stellen, warum die Politik nichts dagegen unternimmt bzw. so entschieden hat wie sie entschieden hat. Ist die Situation aus Nachlässigkeit heraus entstanden oder weil Lobbyisten gute Arbeit geleistet haben?
Da kann man sich auch die Frage stellen, warum der Wähler keine anderen Politiker wählt? Oder?


MMn muss eine ganz neue Gesellschaftsform her. Wie diese aussehen soll, kann ich nicht sagen. Aber an schlechten Gesellschaftsformen festzuhalten, nur weil sie (vielleicht) die "am wenigsten schlechte" Gesellschaftsform ist, die man kennt, kann ja auch nicht die Lösung sein.
Es gibt keinen dritten Weg zwischen Kapitalismus und Sozialismus(Kommunismus). Der Sozialismus ist grandios gescheitert, weil er Privateigentum zu Volkseigentum gemacht hat, das funktioniert beim kleinen Bäcker oder Maler genau wie beim großen Konzern. Schafft man Anreize im Leben ab, funktioniert das nicht. Meines Erachtens kann man die gewaltigen nachteiligen Reize im Kapitalismus nur bändigen, das muß Aufgabe der Politik sein. Dass das in der Bundesrepublik bisher mehr oder weniger gut funktioniert hat, beweist ihr Geschichte. Aufpassen muß man als Wähler, dass sich daran nichts ändert.

Zur Sache: Die Höhe des Grundeinkommens sollte so bemessen werden, dass damit die Grundversorgung des Menschen sichergestellt ist, nicht mehr und nicht weniger. Wenn dann jemand höhere Ansprüche an seine Lebensqualität hat, muss er dafür arbeiten. Wenn das nicht als Anreiz genügt, wird man den Betreffenden auch nicht auf anderem Wege zur Arbeit bewegen können (außer man lässt ihn verhungern oder erfrieren).
Konkret wieviel pro Bürger und Monat?
 
Mir ist absolut schleierhaft wie ein vernünftig denkender Mensch gegen ein BGE sein kann.
Wer um Himmels Willen würde sich mit 500,- € im Monat zufrieden geben? Vor allem dann nicht wenn Jobs nach ihrer Leistung bezahlt würden. Ein BGE würde nämlich das Angestellter/Arbeitgeberverhältnis umkehren. Menschen könnten nicht mehr so einfach zu Sklavenarbeit zu Hungerlöhnen gezwungen werden. Auf dem Arbeitsmarkt gäbe es ein System von Angebot und Nachfrage.
Das ist falsch. Die AG würden dann weniger Geld zahlen, weil sie wissen, dass schon 500 Euro da sind.

Warum arbeiten Hartz4 Empfänger nicht nebenbei? Weil sie das erarbeitete Geld abgeben müssten. Für ein paar hundert Euro mehr im Monat, die sie dann auch behalten dürfen (!) würden die Allermeisten was arbeiten.
Hartz4 ist keine Aufstockung oder Basis zum Arbeitslohn, sondern eine Leistung, die derjenige bekommen soll, damit er ein Leben ohne Hunger und mit einem Dach über dem Kopf und Heizung und Warmwasser führen kann.

Das Problem ist nicht daß die Leute keinen Bock zum arbeiten haben und mit 365,- € im Monat zufrieden sind, sondern daß es sich nicht lohnt arbeiten zu gehen.
Ein BGE würde den Reiz zu arbeiten deutlich erhöhen, nicht vermindern.
Du widersprichst Dir gerade selber: Eine Hartz-4-Familie mit zwei Kindern bekommt heute Leistungen von rund 1900 Euro (*). Ich finde das sehr solidarisch von denen, die das zahlen, oder? Näme man das in dieser Höhe also als bedingungsloses Grundeinkommen würde nach Deiner Meinung niemand mehr arbeiten, weil es sich nicht lohnte. Nach der Diktion vieler hier im Forum müßten alle diese Menschen aber freiwillig irgendwo ehrenamtlich arbeiten, was leider nicht der Fall ist.



(*) http://www.welt.de/politik/deutschland/article10042845/Lohnt-sich-Arbeit-Oder-doch-eher-Hartz-IV.html
 
Die Aussage, warum sich das nicht lohnen soll verstehe ich nicht.
Es ist bezahlte Arbeit von jemandem mit einem eher niedrigen oder keinem Ausbildungsgrad. Die Frage ist die Anerkennung von Arbeit als Lebenszweck in diesem Sektor.
Man soll ja nicht nur des Arbeitens wegen arbeiten. Jemand der 40h die Woche schaffen geht, sollte sich schon etwas mehr leisten können als jemand der nur vom Staat alimentiert wird.
 
Ich bin kein Ökonom - aber ich vermute mal, dass (wie schon oben irgendwo angeklungen) man mit einem bedingunslosen Grundeinkommen erst mal einen Inflationsschub auslöst, der das Einkommen innerhalb weniger Jahre zerstört.
Im Iran wird zum Beispiel das Brot und der Treibstoff extrem subventioniert - das entspricht auch einer Art Grundeinkommen. Das hat verherende Folgen für die Wirtschaft.
Es führt zu Verzerrungen (dann kriegt das Vieh halt Brot statt teuerem Getreide) - andererseits kommt das Geld nicht dort an wo es gebraucht wird - die Mittelschicht, die keine Brotsubventionen bräuchte nimmt die natürlich mit (Subvention ist ja bedingungslos) - dafür gibts z.B: weniger Geld für Schulen.
Jetzt wollen sie die Subventionen kürzen zugunsten von Geldleistungen nur noch an Bedürftige (also nicht mehr bedingungslos) - mit der Folge dass die Inflationsrate sich verdreifachen wird.
 
Das gibt es in Form von Hartz4 schon, inklusive aller Nebenleistungen wie Miete, Strom, Wasser, Heizung, ...
Wenn es pro Bürger 600 Euro sein sollen, bis ans Lebensende, dann sind das bei einem Leben in 60 Jahren (ab 20 gerechnet bis 80 Jahre) 432.000 Euro. Darf ich fragen woher dieses Geld kommen soll?

Der Großteil wird weiterhin arbeiten und das BGE nicht in Anspruch nehmen.

Hartz 4 kosten aktuell jetzt schon 40 Milliarden €, davon ca 5 Milliarden Verwaltungskosten.
Kindergeld und Bafög samt Verwaltung währe überflüssig

Mittelfristig könnte man auch die Rentenversicherung abschaffen, da aufgrund der Geburtenentwicklung eh keine Zukunft.

Der Sozialstaat kostet aktuell gut 750 Milliarden
http://www.bankingportal24.de/finanzredaktion/385/sozialstaat-kostet-754-mrd-euro/

Gut das ist inklusive Kranken und Pflegeversicherung, auch gibt es aktuell durchaus
Rentner die Erträge durch ihre Einzahlung bekommen.

Es ist nicht so, das ich BGE perfekt finde, ich finde nur das aktuelle System sinnfrei.
Wir müssen wie Fa66 schreibt akzeptieren, das es Leute gibt, die nicht arbeiten wollen. das verhindert aber auch das aktuelle
System nicht. das aktuelle System unterstützt aber Lohndumping im Niedriglohnsektor, ist bürokratisch und nimmt die Demütigung durch unfähige und willkürliche Sqchbearbeiter in Kauf.
 
...es geht bei den seriösen Modellen des BGE auch um mehr als 500 €/Monat. Das BGE soll je eine menschenwürdige Teilhabe an der Gesellschaft ermöglichen. Daher muss es schon höher liegen, als das Existenzminimum. Zudem muss es ehelich höher liegen, das sich einige Modelle für das BGE über eine erheblich höhere Verbrauchsteuer finanzieren (100% MwSt). Da dadurch der Wert den BGE sinken würde, müsste ein BGE entsprechend hoch angesetzt werden.
Egal wie hoch das BGE wäre, ein Automatismus wäre sicher, die Mieten würden dramatisch steigen. Und dann sind wir wieder beim Ausgangspunkt. Das BGE-Geld reicht nicht.
 
Arbeitstätigkeit ≠ Erwerbstätigkeit – folglich: arbeitslos ≠ erwerbslos

Wer etwa hier in diesem Forum durch Beiträge zu Problemlösungen für Andere hilft, dass die Produktivität jener Anderen gesteigert wird, arbeitet. Es liegt aber keine Erwerbstätigkeit vor.

Auch die Tätigkeit der Hausfrau (ja – es ist halt immer noch mehrheitlich die Frau) wird nur halbherzig von der Gesellschaft gefördert.

Die gegenwärtige Gesellschaft honoriert derartige gemein(schafts)förderlichen Tätigkeiten nicht. Ein Grundeinkommen (und zwar eines, von dem man über den Monat kommt) würde das leisten. Ich denke an eines, das einschließlich einer Kranken- und Pflegeversicherung nach gegenwärtiger Kaufkraft in DE etwa 1000€ netto erbrächte, was zwischen der definitorischen Armutsgrenze (etwa 940€ (OECD)) und der Pfändungsfreigrenze (etwa 1030€) läge. Und nicht jene Bürgergeldideen auch der FDP, die in Wirklichkeit nur einen Institutionalisierung des Aufstockerunwesens darstellt.

Mit 1000€ kann man keine großen Sprünge machen. Es sichert aber sicher ein angemessenes selbstbestimmtes Leben in dieser Gesellschaft. Wer sich mehr leisten will, müsste davon eisern sparen – oder eben doch einer Erwerbstätigkeit nachgehen.

Und ja, ich bin gegen den Begriff der Bedingungslosigkeit. Denn die schwierigste Bedingung besteht ja schon effektiv, noch bevor ein Grundeinkommen eingerichtet würde: wer die Anspruchsbedingungen erfüllt. Wenn diese aber geklärt wären, könnte man das Grundeinkommen aber immer noch vernünftig einschränken: etwa wer bis zur Hälfte des Wertes des Grundeinkommens, also im Beispiel 500€ netto dazuverdient, kann das Grundeinkommen voll behalten, für jeden darüber hinaus verdienten Euro werden 67¢ vom Grundeinkommen abgezogen, bis der Erwerbstätige (eben nicht abrupt, sondern sachte) nur noch vom Erwerbseinkommen leben würden. Der Lebens-Mittelpunkt wäre eine weiteres brauchbares Maß für die Empfangsberechtigung. Oder in Verbindung mit einer 9-von-12-Monaten Residenzpflicht, weil das Geld ja am Orte wieder in den Geldkreislauf fließen soll.

Und wenn sein Einkommen unter dieser Schwelle sänke, bekäme er automatisch den berechtigten Teil des Grundeinkommens (alle Einkünfte-Erklärungen laufen ja eh über die Finanzverwaltung alias Finanzamt).

Auch wäre m.M.n. der Begriff der Bedarfsgemeinschaften nicht vom Tisch: wer – egal ob Ehe, Lebenspartnerschaft oder stud. Wohngemeinschaft – gemeinschaftliche Ressourcen nutzt, braucht (exemplarisch) keine zwei Küchen im Anteil des Grundeinkommens: Jeder bekommt zwar sein eigenes Grundeinkommen, aber gemeinsam eben nicht 1000+1000, sondern minus gewisser Pauschalen. Wer als Single in einer angemessenen 45qm-Wohnung leben kann (auch das aus den SGB I-XII) braucht pro Person mehr im Haushalt etwa 15qm und die anteilmäßigen Kosten einer 60qm- und nicht 90qm-Wohung würden in Anrechnung gebracht.

Die Argumente für die Kosteneinsparungen in der Arbeitslosigkeitsindustrie wurden im Thread ja schon genannt.

Und dass keiner mehr einer Erwerbstätigkeit nachgehen würde wollen, ist bei den nun wirklich nicht großen Sprüngen, die man bei 1000€ machen könnte, nicht zu erwarten.

Was zu erwarten wäre ist, dass wirklich wertlose Arbeitstätigkeiten aussterben würden: Ein Callcenter-Job, bei dem Ahnungslosen Zeitschriften aufgeschwatzt würden, müsste schon sehr gut bezahlt werden, um zu überleben. Das kann man dann getrost dem Mechanismus von Angebot und Nachfrage überlassen.
mmh ... und wer soll das alles kontrollieren?
 
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