Du vermengst den Begriff "Kultur" mit politischem System und Staatsverfassung. Ich verstehe unter "Kultur" in diesem Zusammenhang den Bereich der privaten Lebensführung. Die muss allerdings mit der Verfassung und dem Rechtssystem des Gastlandes in Einklang stehen. Aber da bietet das deutsche Grundgesetz eine menge Raum.
Die private Lebensführung geht dem Staat nichts an, das ist Privatsache (ausser man verstosst gegen Recht). Da spielt es auch keine Rolle, ob man Deutscher ist, ob man einen Migrationshintergrund hat, ob man Ayslant ist, oder was auch immer.
Den Kulturbegriff finde ich deswegen so gut, weil er nicht so eingendend ist, wie andere Begriffe, und er meint eben die Gesamtheit der Lebensumstände. Daher ist dein Kulturverständnis viel zu kurz gegriffen.
Das sehe ich nicht anders. Für mich gehört der teilweise muttersprachliche Unterricht in Grundschulen allerdings zu den Voraussetzungen, die Migrantenkinder ermöglichen, selbst ihre eigene – bikulturelle – Identität auszubilden.
Nochmal: Du versehst nicht, was Integration ist. Die bikulturelle Identität ist da, notwendigerweise, wenn man in ein anderes Land zieht, die muss man nicht erst ausbilden. Es geht bei der Integration -vereinfachend formuliert- um eine Art Crashkurs in landestypische Lebensumstände und Rahmenbedingungen.
Diese bikulturelle Identität gilt es ja auch nicht zu verleugnen, deswegen geht die Migrationsforschung ja auch immer mehr vom Integrationsdenken weg, hin zum Transnationalen Denken, gerade um diese veränderten Identitätsformen durch die Globalisierung aufzugreifen.
Deswegen halte ich es auch für sinnvoll, mehr Lehrer mit Migrationshintergrund einzustellen, weil die besser in der Lage sind, diese Schwierigkeiten beim Kulturwechsel aufzugreifen. Aber das dann nicht muttersprachlich, denn das geht nach hinten los, wie z.B. die türkischen Schulen in Deutschland es richtig erkannt haben.
Ich finde es auch dämlich, das es Schulen gibt, in denen es verboten ist, das z.B. türkische Schüler in der Pause türkisch reden. Pause ist Pause, da können die von mir aus klingonisch reden.
Ein Sechsjähriger, der dagegen erfährt, dass er seine Herkunft, Traditionen und Bräuche möglichst vergessen muss, wenn er sich hier erfolgreich integrieren will, der wird Schwierigkeiten haben, ein eigenes Selbstbewusstein zu entwickeln.
Darum geht es doch nicht. Keiner verlangt irgend etwas zu vegessen, und das geht auch gar nicht, da überschätzt Du die staatliche Macht völlig. Es geht darum in die Lebensbedingungen eines Landes einzuführen.
Diese Zusammenhänge zu berücksichtigen sind nicht Ausdruck von Naivität, sondern geben psychischen und pädagogischen Faktoren bei der Persönlichkeitsbildung mehr Gewicht als bisher.
Ich bin Psychologe, also versuche bitte nicht mir die Perönlichkeitsentwicklung zu erklären, das kann ich besser, glaube mir das...