Ich habe damals in den 90er Jahren für ein US-Filmstudio gearbeitet als der Siegeszug der DVD vorbereitet wurde. Das mit den Pornofilmen ist eine Urban Legend, die auch durch diverse Spiegel-Artikel nicht richtiger wird. Die Porno-Industrie hat damals nicht auf VHS, sondern auf alle Formate gesetzt. Durchgesetzt hat sich dann VHS. Auf welches Format die Porno-Industrie setzt, ist völlig latte.
Ich glaube nicht, daß sich HD-DVD und Blu-ray in dem Sinne durchsetzen werden, daß sie die DVD als Datenträger für Filme ablösen wie die DVD die VHS abgelöst hat.
DVDs gibt es zwar schon seit Ende der 90er Jahre ("12 Monkeys" müßte eine der ersten DVDs in Deutschland gewesen sein), aber durchgesetzt und etabliert haben sie sich erst in den letzten 5 Jahren. Viele haben ihre Sammlung erst in den letzten Jahren auf DVD umgestellt und die alten VHS-Tapes rausgeschmissen. Es ist ein Irrglauben der Hersteller, daß die Konsumenten alle paar Jahre einen vollständigen Formatwechsel mitmachen und dafür Tausende oder Zehntausende Euro bezahlen. Das ist in der Vergangenheit schon sehr oft gescheitert. Wer erinnert sich heute noch an LaserVision von Philips? Gab es schon Anfang der 80er Jahre (entwickelt in den 70er Jahren) und die paar Dutzend Titel, die damals veröffentlicht wurden, finden sich - soweit ich das überblicke - heute noch nicht mal in der IMDb bei den Fassungsübersichten. Auch die LaserDisc (ebenfalls ein Bildplattensystem, allerdings von Pioneer entwickelt) konnte sich nie richtig durchsetzen und die Verkäufe von der neuen UMD tendieren gegen Null. Bei Blu-ray rechnen die Filmstudios ebenfalls mit einem Desaster wie bei der UMD (
Spiegel-Artikel, leider nur noch kostenpflichtig). Der Kunde will ein- und dasselbe Produkt nicht alle paar Jahre immer wieder und wieder in einem neuen Format kaufen.
Im Musikbereich ist das übrigens genauso. Wie bei der DVD im Vergleich zur VHS überwogen die Vorteile der CD verglichen mit der LP einfach, wobei die Vorteile nicht nur technischer und qualitativer Natur waren. Auch die Handlichkeit war ein wichtiger Punkt und im Fall der DVD der im Verhältnis zur Qualität und dem Mehrwert (Extras, unterschiedliche Sprachfassungen usw.) günstige Preis gegenüber der alten VHS. MD, SACD oder DVD-Audio konnten sich bislang auch nicht richtig durchsetzen und müßten sich marktanteilemäßig irgendwo im Promillebereich bewegen. In letzter Zeit führt der Musikbereich die Bestrebungen der Industrie, den Konsumenten eine immer bessere Qualität anzubieten, sogar ad absurdum, denn für den Konsumenten scheint mittlerweile die Portabilität und nicht ein hochqualitatives Format ein entscheidender Faktor zu sein, sonst würden sich MP3-Player für komprimierte Musikdateien nicht millionenfach verkaufen und Handys nicht zu halben MP3-Playern umfunktioniert werden.
Das Thema wird im Internet immer sehr ideologisch diskutiert ("Dem technischen Fortschritt kann man sich nicht verschließen!"), dabei kümmert es die Hersteller recht wenig, das Medium mit neuen Formaten voranzubringen. Es geht schon seit den 70er Jahren vielmehr darum, welche Firma sich
mit ihrem Format durchsetzen kann, denn das würde alle andere Firmen zu Kunden dieses Herstellers machen und ein Milliardengeschäft bedeuten, ohne daß eine einzige Filmlizenz eingekauft werden muß.
In der Praxis bedeutet das, daß die Hersteller immer neuere, fortschrittlichere Formate auf den Markt bringen. Früher waren es einzelne Firmen, heute sind es Konsortien. Jeder hofft natürlich, daß sich sein Format durchsetzen wird. Eine technische Weiterentwicklung war allerdings noch nie ein Garant für den Durchbruch. Philips ist mit LaserVision gescheitert und Pioneer mit der LaserDisc. Beides Bildplattensysteme mit Vorteilen gegenüber der Videokassette. Trotzdem hat die VHS beide Formate um Jahre bzw. Jahrzehnte überlebt.
Was die DVD angeht, lag der Durchbruch auch daran, daß nicht mehrere Firmen ihre eigenen Formate entwickelt, sondern sich auf einen Standard geeinigt haben. Wenn ich mich recht entsinne, war es eine Entwicklung von Panasonic.
HD DVD und Blu-ray werden es schon alleine deshalb schwerhaben, weil die Hersteller nicht an einem Strang ziehen, sondern gegeneinander arbeiten. Konkurrenz belebt hier nicht das Geschäft, sondern bremst oder verhindert es. Hinter Blu-ray stehen Firmen wie Panasonic, Pioneer, Philips, Sony, Dell und Apple. Hinter HD DVD stehen u.a. Intel, IBM, HP und Microsoft. Das macht das Dilemma schon deutlich. Blu-ray hat eine viel stärkere Lobby, aber der größte Betriebssystemhersteller unterstützt mit der HD DVD ein anderes Format. Ob das die Kunden mitmachen werden, wenn sie sich 2-3 Geräte ins Haus holen müssen, um alle Formate abspielen zu können? Der Vorteil der DVD ist ja gerade, daß sie sich überall abspielen läßt - vom Computer über das Hauptabspielgerät (DVD-Player) bis zur Playstation2. In Zukunft kann man auf seinem Computer also HD DVD abspielen, die Playstation3 muß man mit Blu-ray füttern und das Hauptabspielgerät - da holt man sich am besten sowohl einen HD DVD-Player als auch einen Blu-ray-Player. Eine Notlösung wären Multifunktions-Player, die alle Formate abspielen. Die werden sicher bald kommen, aber trotzdem ist es sehr unwahrscheinlich, daß sich sowas durchsetzt, zumal auch die Medien zum Problem werden. Kauft man sich den neuen Film jetzt in der Blu-ray-, HD DVD- oder DVD-Version?
Was mich darüberhinaus zusätzlich stört, vor allem bei der HD DVD, ist die für diesen Bereich völlig neue Dimension des Digital Rights Managements. Vielleicht führt das in Zukunft noch dazu, daß man Filme nur abspielen kann, wenn man - wie bei einer Software - vorher seine Seriennummer eingibt und den Film damit freischaltet.
Es bleibt noch anzumerken, daß in den 90er Jahren bei der DVD alle Filmstudios an einem Strang gezogen haben, beim Nachfolge-Format aber nicht. Die Zukunft der Filmvermarktung wird daher aus meiner Sicht weniger in neuen Formaten, sondern eher im Bereich des nicht-physikalischen Vertriebs von Filmen über das Internet liegen. (
ORF.at-Artikel aus dem Google Cache) Daß sich ein neues Format in einem Bereich zur Cash-Machine für die Industrie entwickelt, funktioniert nur zyklisch alle 15 oder 20 Jahre - jedenfalls sind die Zeitabstände markant.