Was hat Dich denn dazu gebracht nie ein Aufschieber/Vermeider zu sein?
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Aber gibt es wirklich Menschen wie Spoege meint, die nie etwas aufschieben? Nicht mal die Steuererklärung?
Ich schiebe grade die Einkommensteuererklärung 2007 auf und habe soeben eine Gnadenverlängerung meines Finanzamtes erwirkt. Es gibt noch eine ganze Menge weiterer Erledigungen, die ich aufschiebe.
Ich würde auch nie behaupten, es gäbe Menschen, die niemals etwas "aufschieben". Nein, ich habe geschrieben, es sei ein zutiefst menschliches Bedürfnis, sich Wohlgefühl verschaffen zu wollen, in dem man unangenehme Dinge nicht oder später tut.
Ich kann dies nur nicht als Krankheit sehen, mit Ausnahme neurotischer Zwangshandlungen natürlich. Und ich leide auch nicht daran, wenn ich selbst schiebe, sondern betrachte mein eigenes Verhalten mit Großmut und Verständnis. Eine Steuererklärung macht nun mal keinen Spaß, da kann ich mich selbst gut verstehen.
Wer unter seinem eigenen Aufschiebeverhalten leidet, sollte sich vielleicht überlegen, warum: Liegt es wirklich daran, dass diese unangenehmen Dinge nunmal getan werden müssen? Oder vielmehr daran, dass man innerlich gar nicht an das glaubt, was man tun soll?
Dass man eigentlich gar nicht unangenehme Konsequenzen befürchtet, weil diese Dinge getan werden müssen, sondern Sanktionen durch die Umwelt? Beispiel: Man ist diese Woche mit dem Fegen des Gehweges vor dem Haus dran, aber eigentlich sehen die paar Blätter besser aus als der nackte Beton darunter. Man muss die Arbeit nur wegen der Hausordnung machen, deren Nichteinhaltung Ärger mit den anderen Mietparteien nach sich zieht. Die Angst vor denen ist das Problem, nicht das Aufschieben.
Und wer keine Lust zum Studium hat, weil ihn das Fach eigentlich gar nicht interessiert, der lernt auch ungern für die Klausur und schiebt es auf. Aber in Wirklichkeit ist es die Auseinandersetzung mit den eigenen Eltern, deren Erwartungen einen zu diesem Studium gedrängt haben, die man vermeidet.
Eigentlich müsste man sich also fragen: Warum will ich dieses oder jenes denn nicht tun? Was ist der wahre Grund?
Bei einer Steuererklärung lässt sich diese Frage leicht beantworten. Es geht ja allen so, wahrscheinlich selbst Steuerberatern. Deshalb sollte man sich das Aufschieben auch leicht verzeihen können und sich eben selbst überlisten, mit den bekannten Tricks zur Selbstdisziplin.
Wenn man sich das nicht verzeihen kann, dann hat man allerdings ein Problem: Nicht das Aufschieben, sondern seine eigenen strengen Anforderungen an sich selbst.
Wie auch immer man das betrachtet, ist das Aufschieben nur ein Symptom, nicht die Ursache.