R.I.P. Dieter Hildebrand ist tot...

Aber das heisst ja nicht, dass die "Heute-Show" nicht auch politisch mehr in die Tiefe gehen könnte. Dann würde sie aber mehr polarisieren – was siw vermutlich nicht soll.

Man muss allerdings auch berücksichtigen, dass Hildebrandt und andere es im vorigen Jahrhundert leichter hatten. Die Parteien unterschieden sich programmatisch und von ihrem Milieu her viel stärker als heute, der "Kalte Krieg", die Konflikte um den richtigen Umgang mit der DDR und der flächendeckend grassierende Antikommunismus produzierte ohnehin schon jede Menge Realsatire.

Heute sind Koalitionsverhandlungen ein Marketing-Problem: Die Parteien leben so viel von der Mitte und dem "Pragmatismus", sie haben so wenig programmatische Substanz, dass sie grösste Mühe darauf verwenden müssen, so was wie einen Markenkern herauszuarbeiten, um ihre Mitglieder und Wähler bei der Stange zu halten. Politische Satire tut sich da schwer, die Rosinen im Brei zu finden.

Und wenn dann so ein Riesenangebot kommt, wie der Spionage-/Datenschutzskandalklumpen, ist die "Heute-Show" vielleicht auch mit der Analyse überfordert. Satiriker müssen ja bei der Vorbereitung das Thema erstmal journalistisch aufarbeiten. Es ist leichter, stattdessen Sprüche prominenter Politiker/innen aufzuspiessen und was Lustiges darüber zu sagen.
 
und der flächendeckend grassierende Antikommunismus produzierte ohnehin schon jede Menge Realsatire.
Kommunismus IST Realsatire. :)
Aber ansonsten hast Du mit der Beschreibung der Verhältnisse unter denen Satire und Kabarett in den 1960er und 1970ern erblühten und dem Vergleich zu den heutigen Verhältnissen recht. Politik heutzutage ist ja nichts anders mehr als (schlechtes) Kabarett. :(
 
Aber das heisst ja nicht, dass die "Heute-Show" nicht auch politisch mehr in die Tiefe gehen könnte. Dann würde sie aber mehr polarisieren – was siw vermutlich nicht soll.

ansonsten fq

Die Fernsehlandschaft ist eine andere geworden, die Heute-Show kann/will nichts anderes sein als ein Balancespiel zwischen Satire und Comedy-Unterhaltung.

In Zeiten von "Bauer tauscht Frau" o.ä. ist sie zusammen mit z.Bsp. "Extra 3" oder auch "Neues aus der Anstalt" ein lobenswerter Versuch, das geneigte Publikum aus den Klauen selbsternannter Komiker wie Mario Barth und Konsorten zu befreien.
 
… ist sie zusammen mit z.Bsp. "Extra 3" … ein lobenswerter Versuch, das geneigte Publikum aus den Klauen selbsternannter Komiker wie Mario Barth und Konsorten zu befreien.
Wobei »extra–3« sich immerhin erlaubt, bis auf die kommunale Satireëbene niederzulassen :teeth:
Was aber Teil der ökologischen Nische ist, die durch jenes Format besetzt wird.

Ich halte eigentlich nur »Neues aus der Anstalt« für einen legitimen Nachfolger des hildebrandtischen »Scheibenwischers« und hoffe, dass es Uthoff und Wagner schaffen, die Herangehensweise von Hildebrandt und dann Priol, Schramm und Barwasser, wennauch fraglos mit eigenen Geruchsmarken, fortzusetzen.

Schon der »Satiregipfel« erscheint mir nur peripher politkabarettistisch, wie auch »Mitternachtsspitzen« und »Intensiv-Station« Satire-Komödianten-Mischformen sind.
 
Den treffendsten Nachruf konnte, wie ich finde, Dieter Hildebrand 2011 selber noch zu Lebzeiten mit anhören. Die Laudatio von Georg Schramm zur Verleihung des Salzburger Stiers. So oder so absolut höhrenswert, weil Schramm auch gleich noch gutes Kabarett abliefert...

 
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Den Hildebrand hätten wir als Bundespräsident gebraucht!
 
Moin,

Schön ist ja, dass das bayrische Fernsehen Sondersendungen zum Tod von Hildebrandt bringt - ich weiß nur noch nicht, ob im Hintergrund leise ein „Endlich!“ mitschwingt.

Mit Sicherheit.
Da fällt mir die fiktive Abschiedsrede aus dem Bundestag ein, die Hildebrandt Herbert Wehner in den Mund gelegt hatte.
Wahrscheinlich hätte Hildebrandt zu diesen Sondersendungen auch gesagt: "Ihr Lob trifft mich in keinster Weise!"

 
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[...]Ich halte eigentlich nur »Neues aus der Anstalt« für einen legitimen Nachfolger des hildebrandtischen »Scheibenwischers« und hoffe, dass es Uthoff und Wagner schaffen, die Herangehensweise von Hildebrandt und dann Priol, Schramm und Barwasser, wennauch fraglos mit eigenen Geruchsmarken, fortzusetzen.[...]
Da bin ich auch kritisch gespannt!

Uthoff finde ich persönlich schön böse/ehrlich, aber noch zu "ungelenk", Wagner zu allgemein und harmlos. Ich mag aber beide und hoffe, daß sie mit der Aufgabe wachsen.
 
Ich halte eigentlich nur »Neues aus der Anstalt« für einen legitimen Nachfolger des hildebrandtischen »Scheibenwischers« und hoffe, dass es Uthoff und Wagner schaffen, die Herangehensweise von Hildebrandt und dann Priol, Schramm und Barwasser, wennauch fraglos mit eigenen Geruchsmarken, fortzusetzen.
Auch für mich war die "Anstalt" der Nachfolger von Scheibenwischer.
Uthoff mag ich! Wusste noch gar nicht, dass er die "Anstalt" weitermacht. Na, dann bin ich ja mal gespannt.:)
 
Uthoff ist ein schöner Kontrapunkt zum ewig überdrehtem Priol - ich freue mich auch schon ... :jaja:
 
Seine gespielte Überdrehtheit ist aber Teil jener Geruchsmarken, von denen ich geschrieben habe. Priol ohne wär’ dann nicht mehr Priol.

Interessant hätte ich als Nachfolger in der »Anstalt« auch etwa ein Duo Uthoff/Hartmann gefunden. Der Eine als ausgebildeter Rechtsverdreher, die Andere als ebensoausgebildete Volksverwirtschafterin. Beide zum rechten Glauben bekehrt.
 
Uthoff ist für mich jetzt bereits ein unersetzbarer Held für das moderne Kabarett – ebenso wie Hagen Rether und Andreas Rebers.
Das was imho Hildebrand u.a. als "Gallionsfigur" erarbeitet hat, wird m.E. besonders von obigen genannten gut und modern transportiert.
 
:kopfkratz: Uups. Nach nur zwei Tagen erwische ich mich und uns schon beim kabarettistischen Felleverteilen :eek:
 
:kopfkratz: Uups. Nach nur zwei Tagen erwische ich mich und uns schon beim kabarettistischen Felleverteilen :eek:

Och, in diesem Sinne ist "der Bär doch bereits erlegt" – respektive "von uns gegangen".
 
Uthoff ist für mich jetzt bereits ein unersetzbarer Held für das moderne Kabarett – ebenso wie Hagen Rether und Andreas Rebers.
Das was imho Hildebrand u.a. als "Gallionsfigur" erarbeitet hat, wird m.E. besonders von obigen genannten gut und modern transportiert.

… ja, und am anderen Ende der Skala sind dann leider aber so Typen wie Nuhr oder (ganz schlimm…) die Heute-Show. Leider werden da auch echte Talente wie Christine Prayon verballert. Zum einen findet dann eine unglückliche Mischung aus Comedy und politischem Kaberettt statt (im Grunde allein zur Selbstprofililierung, wo egal ist, woher der Witz kommt, hauptsache Lacher, die daraus rühren, dass man im Grunde den bürgerlischen Klugscheißer wie Nuhr spielt…), zum anderen wird Kabarett und Satire zum Krawall-Klamauk degradiert, also in der Heute-Show. Georg Schramm hat das mal gut umschrieben: Kabarett wird damit zum politischen Instrument der Entkräftung bürgerlichen Zorns. Kurz ablachen, nicken, fertig. Politische Skandale werden zu Lach-Nummern. Den Menschen werden nicht mehr auf humoristischem Wege Inhalte und Kritik vermittelt, sondern es wird nur noch abschätziger Klamauk betrieben. So ein 'Hassknecht' schreit eben nur rum… Danach ist die Luft raus. Psychologisch ist das desaströs für eine Bürgerschaft, die eigentlich aktiv sein muss... Hier wird der politische Aktivator aber wegkanalisiert.

Hildebrand, Schramm und die vielen anderen gingen bzw. gehen da einen ganz anderen Weg. Pispers ist einmalig in seiner Klarheit, Uthoff wird von Jahr zu Jahr besser (auch live verliert er zunehmend diese Steifheit...), positiv fällt auch immer mehr Christoph Sieber auf, der in seinen Programmen zunehmend Klartext redet und hoffentlich noch mehr sein Abiturienten-Slam-Anhängsel verliert...
https://www.youtube.com/watch?v=og0iMCYrc2k

Letztlich würde ich aber sagen, dass sich das Kabarett in den nächsten Jahren als politischer Aspekt noch mehr verlieren wird. Es geht im TV und insgesamt unter. Das Real-Life wird uns alle überholen. Mehr sozialer Druck, mehr offener Rechtsstaatsabbau, der Staats-Terror wird wie in den USA ganz offen werden und 'Normalität'. Politische Teilhabe und Widerstand werden übergangen (siehe Occupy). So auch, wie es mit dem Überwachungsstaat im Grunde längst geschehen ist. Wir haben die Pille ja im Grunde längst geschluckt. Keine Aufstände, nur etwas Unruhe im Internet. Mehr kann sich die politische Marionetten-Kaste garnicht wünschen. Die Wogen bauen sich im virtuellen Raum auf und sind völlig konsequenzenlos für die Real-Politik. Die machen weiter, bis es kein Zurück mehr gibt. Genau so, wie es Juncker angekündigt hat: "Wir beschließen etwas, stellen das dann in den Raum und warten einige Zeit ab, was passiert. Wenn es dann kein großes Geschrei gibt und keine Aufstände, weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter - Schritt für Schritt, bis es kein Zurück mehr gibt."
Der SPIEGEL 52/1999 vom 27. Dezember 1999, S. 136
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-15317086.html

Die Einstellung der Ermittlungen durch die Bundesanwaltschaft beim PRISM-Skandal belegen bereits, dass der Rechtsstaat auf dieser Ebene abgeschafft worden ist. Das wird weiter so gehen. Das politische Kabarett wird da am Ende wohl nur noch so ein kleines Refugium bleiben, wo sich Leute, die noch klar denken, gegenseitig zunicken können... In der Gewissheit: es müsste anders sein... Derweil machen die Staatsverbrecher weiter und lachen sich scheckig. Für die sind WIR nämlich deren politisches Kabarett...
 
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