Der Sandsack-Thread für Freiberufler

Chaostheorie

Chaostheorie

Aktives Mitglied
Thread Starter
Dabei seit
05.04.2005
Beiträge
2.449
Reaktionspunkte
2.211
Als Selbstständiger und Freiberufler seit fast 15 Jahren habe ich eigentlich schon alles erlebt - dachte ich. War der festen Überzeugung, mich könne nichts mehr wirklich aufregen, aber ein potentieller Klient meiner Agentur hat es gestern geschafft: Probearbeit von mir angefordert bzw. erstellen lassen - war mit das Beste, was ich in anderthalb Jahrzehnten abgeliefert habe. Da habe ich - im Nachhinein betrachtet - schon Arbeiten erstellt, die eigentlich eher belanglos oder durchschnittlich waren, aber sehr gut bezahlt wurden (die Probearbeit hier wurde natürlich gar nicht bezahlt).

Das Resultat: Probearbeit komplett durchgefallen, nicht gut genug, unlesbar, unbeholfen, plump und dürftige Formulierung. Diese Resonanz kam von einer Firma, die global agiert und selber mit den Top 500 börsennotierten Unternehmen zusammenarbeitet. Meine Ansprechpartner waren ein französischer Muttersprachler sowie ein nicht näher vorgestellter Kollege.

Wie kam es zu dieser Beurteilung: die haben meinen Text in eine Analyse-Software geladen bzw. durchgejagt, die mit Hilfe von maschinellem Lernen und KI die Auswertung erstellt. Eine weitere Person, vermutlich kein Muttersprachler der Zielsprache (weiß ich aber nicht genau), schaut dann noch einmal drüber und vergleicht mit den CAT-Ergebnissen. Dabei kam dann heraus: im Englischen werden weniger Artikel verwendet als im Deutschen und die deutsche Fassung hatte rechnerisch zu wenig Artikel. Usw. usf.

Ich habe gedacht, die wollen mich verarschen, kommt es doch u. a. auf den Lesefluss an, meinten das aber todernst und kamen sich dabei sehr staatstragend vor. Wahrscheinlich hätte eine in zwei Sekunden erledigte Google-Übersetzung näher an die CAT-"Referenz" gereicht.

Unfassbar, was für Deppen sich als globale Gatekeeper aufspielen, einfach krass. Krass vor allem, wenn Leute gar nicht mehr merken, dass sie selber unfähig sind und sich auf irgendwelche Software-Vorgaben als Gralshüter verlassen.


Davon abgesehen dürfte es für den Thread genug Futter geben, speziell was den Freiberufler-Alltag angeht. Was hat Euch bislang am meisten aufgeregt?
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: SomeNoise, silke68, BEASTIEPENDENT und eine weitere Person
Bin zwar kein Freiberufler, verstehe dich aber sehr gut. Gerade große Firmen neigen extrem dazu "Fürstentümer" innerhalb ihrer Organisation aufzubauen und sich aufzuspielen, als wenn ohne ihre unwichtige Meinung gar nichts ginge.
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: dg2rbf
Das ist wohl leider so. Das Beste, was du in so einer Situation machen kannst ist, es nicht an dich ranzulassen und sich auf keinen Fall die Laune für der Nachfolgetermine bei NETTEN Kunden verderben zu lassen.
Bei mir wurde es immer dann eng, wenn mein Ansprechpartner Halbwissen angehäuft hatte und nun denkt, alles, aber wirklich alles, über meinen Job zu wissen.
Grob gesagt: mit kompletten Laien kannst du reden und mit den Profis auch. Ich habe sehr viele sympathische Kunden und wenn ich in einer Situation wie in der deinigen bin, konzentriere ich mich auf die und gehe irgendwie weiter voran.
Du hast bestimmt einen Kern, eine Kompetenz, die deinen anderen Kunden gefällt und die sie an dir schätzen und diese kann dir ein schräger Kunde nicht nehmen und du solltest sie dir von einem schrägen Kunden auch nicht nehmen lassen. So leicht sich das auch schreibt, so schwer ist das - glaube mir, ich weiß was du meinst...
Dir & euch trotzdem ein schönes Wochenende
Hook
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: nonpareille8 und KOJOTE
Ich nehme an, dass Du dich auf Übersetzungen spezialisiert hast. Zumindest interpretiere ich "CAT" als Computer-Aided-Translation. Ich bin die stetigen Probeübersetzungen und Registrierungen ziemlich leid und kann bestätigen was Du schreibst. Werde wohl in dem Bereich dazu übergehen, dass ich "Sample Translations" auf meine Webseite stelle.

Ansonsten ärgert mich momentan, dass mich ein Übersetzungsbüro jeden Montag immer wieder anschreibt und mich trotz mehrmaliger Nachfrage nicht aus ihrem Verteiler nimmt.
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: Chaostheorie
Das schimmste ... fällt mir grad nicht ein. Aber was aktuelles: Kleine Firma (200 Leute) hat vor ca. 6 Jahren einen
Website-Relaunch von mir bekommen, zusammen mit dem Kunden erarbeitet, lief soweit ganz gut.
Dann kam ein erneuter Relaunch durch eine größere Agentur. Wieder ein „moderneres“ Erscheinungsbild, alles
natürlich in Absprache mit der Geschäftsleitung und dem Oberhäuptling.
Der Agentur wurde nach 1 Jahr gekündigt. Seither betreue ich diese „neue“ Homepage. Seit Jahren. Jetzt (!)
stört man sich plötzlich an Formulierungen, die damals genau so festgelegt wurden. „Wer macht denn hier
die Homepage???“ Das ist ja eigentlich schon wieder lustig.

Aber der Ton ist oft unverschämt. Was sich Leute, die durch die Familie in Führungspositionen gekommen
sind, alles herausnehmen. Selber nichts auf die Reihe bekommen, erst abfällig sich äußern, und sich dann, wenn
es aber erfolgreich ist, sich diesen Erfolg an die eigene Schulter heften. Widerlich.
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: silke68, Chaostheorie, dodo4ever und 2 andere
Habe leider ähnliche Erfahrungen gemacht und liefere keine Ergebnisse mehr ohne Vertrag.
Selbst mündliche Vorschläge äußere ich nur rudimentär, da diese auch gern kostenfrei übernommen und dann in Eigenregie als eigene Ideen verkauft werden.
Die großen Konzerne sitzen auf hohem Ross, kriegen ohne uns Freelancer vieles nicht mehr hin und versuchen uns stetig beim Honorar zu drücken und verplempern ihr Geld bei eigenen Mitarbeitern bei den Reisekosten. Gott sei Dank haben diese vielen Reisen dank Corona abgenommen.
Jetzt kommt die neue Idee: Remote und Vor-Ort Honorare werden abgefordert.
Sparen, koste es was es wolle. Hauptsache die Aktionäre sind zufrieden. Bei Überziehung der Projektkosten werden wir Berater ebenfalls wieder beschnitten. :hamma:
 
  • Gefällt mir
  • Traurig
Reaktionen: Chaostheorie, nonpareille8, spam400 und 3 andere
Das Schlimmste? Eine "grössere Firma" aus Saudi Arabien bezahlte die Rechnung nach 1nem Jahr, mit Abzug. :ROFLMAO:
 
  • Haha
  • Gefällt mir
  • Wow
Reaktionen: silke68, dg2rbf und MacEnroe
Jeder Mensch muss irgendwann im Leben entscheiden, wessen Spiel er spielen will. Sein eigenes oder lieber das der Anderen.
Ich lasse mich auf Probearbeiten generell nicht mehr ein, kostenlos sowieso nicht. Wer wissen will, was ich kann, bekommt eine Mustermappe mit verschiedenen Arbeiten und unterschiedlichen Stilen, die zeigen, dass ich meine Arbeitsweise an die Gegebenheiten anpassen kann. Wem das nicht reicht, soll woanders hingehen.
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: halessa, capmilk, nonpareille8 und 2 andere
Ansonsten ärgert mich momentan, dass mich ein Übersetzungsbüro jeden Montag immer wieder anschreibt und mich trotz mehrmaliger Nachfrage nicht aus ihrem Verteiler nimmt.
Mit Bezug auf DSGVO/GDPR austragen lassen
 
Ach ja, ich kenne das. Ich bin Graphiker fürs Technische spezialisiert. Die Probleme mit Textzuwachs bei Bedienungsanleitungen und Explosionszeichnungen sind groß. Wenn der Productmanager die Unterlagen frei gibt und dann das Übersetzungsbüro den Text liefert geht's los. Im spanischen Text bis zu 30% Textzuwachs. Also was tun? Besprechung, was lassma weg und was geht nicht. Wann kürzen nicht möglich ist, Format ändern, oder Seite dran hängen. Zig Vorschläge und immer das Schwert über mir, dass ich das für alle auf die Reihe bringen soll. Bin ja kein Zauberer. Da zeigt sich dann die Entscheidungsschwäche in den heiligen Hallen. Bis dann endlich die Deadline erreicht ist und endlich dann ein OK kommt. Könnte man sich alles sparen, wenn die auf mich hören würden und von Anfang an mein Grundlayout als Ausgangsbasis nehmen würden und ja, das Productmanagement ihre Hausaufgaben machen könnten und nicht immer dazwischen den Text ändern würden. Dann wüsste man im Vorhinein was Sache wird.
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: halessa, Marie Huana und MacEnroe
Bei mir wurde es immer dann eng, wenn mein Ansprechpartner Halbwissen angehäuft hatte und nun denkt, alles, aber wirklich alles, über meinen Job zu wissen.

Die einem noch erklären wollen wie man mit der Software umgeht. Auch schon erlebt, da wurde ich aber etwas unfreundlich, war mir egal.
 
Kenn ich auch :crack:

Chefarzt in der Klinik beim fotografieren, "Warum den jetzt dies Blende, warum nicht die"

Zuletzt wurde das so blöd, Ich, "Wenn Sie die nächste OP machen geb ich Ihnen auch Tipps" und Ruhe war. :hamma:
 
  • Gefällt mir
  • Haha
Reaktionen: halessa, MacEnroe, Maringouin und 2 andere
Bei mir wurde es immer dann eng, wenn mein Ansprechpartner Halbwissen angehäuft hatte und nun denkt, alles, aber wirklich alles, über meinen Job zu wissen.

Einfach mal nach der Technik des Scheimpflug fragen. Mit einer DSR-Kamera geht das ja nicht (Ein Tilt/Shift-Objektiv ist nicht das selbe). Da trennt sich ja gerne die Spreu vom Weizen.

Ein Kunde überlegt gemeinsam mit einem Fotografen, wie ich am besten die Bildbearbeitung mache.
Eine halbe Stunde Diskussion für einen Job von einer Stunde.
Wenigstens waren sie glücklich, dass die Korrekturen nur eine Viertelstunde gedauert haben, obzwar etwas komplett neu gemacht werden musste.

Wozu heuert mich die Agentur denn an?

Smh!
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: dg2rbf
Ganz einfach: Um zu zeigen, das Mann/Frau/divers toll ist, über alles und jedes Bescheid weiß.
In vielen Beeeichen schmückt man sich gerne mit fremden Federn.
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: silke68 und nonpareille8
Gott, wie hasse ich solche Kunden!
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: dg2rbf
Oder wenn der Friseur und die Make-Up Artistin vor meinem Kontrollmonitor stehen, übers Kabel stolpern und aus der Kamera ziehen und mir "Tipps" geben, weil sie ja "selber fotografieren".
 
Zurück
Oben Unten