Wenn ich vom lukrativen Businesssegment spreche, dann meine ich mittlere und Großunternehmen, die ein paar Tausend Arbeitsplätze haben. Diese Cloud-Lösungen sind vielleicht für Freiberufler eine Option, aber doch nicht für ernsthafte Unternehmen. Beim Gedanken, dass Unternehmen wie die Allianz oder die Deutsche Bank mit Cloud-Programmen auf einem Google OS rumbasteln muss ich ehrlich gesagt grinsen. Das wird sehr sehr lange nicht (wahrscheinlich sogar nie) passieren. Bei diesen Konzernen ist bereits das Update von Office XP auf Office 2007 ein monatelang dauerndes Großprojekt. Ernsthaft. Und wenn die Allianz mit Powerpoint arbeitet, dann werden hunderte Agenturen und Zulieferer mit Sicherheit nicht anfangen Google Office, oder eine möglicherweise nur zur Hälfte funktionierende Office 365 Version zu verwenden. Ganz besonders dann nicht, wenn Microsoft feststellt, dass ihre Cloudlösung dazu führt das Unternehmen zum größten Konkurrenten wechseln.
Von vorne herein ausgeschlossen ist, dass Unternehmen auf Google Office umsteigen. Praktisch jeder Prozess basiert auf irgendeinem MS Office Dokument, die alle auf Google Office zu exportieren wäre ein abartig teures Projekt und ich würde der besten IT Beratung nicht zutrauen das sauber hinzubekommen. Und mit Google Office in der aktuellen Variante ginge es sowieso nicht. Es besitzt zwar die grundlegenden Funktionen, aber das war es auch schon. Außerdem haben viele Unternehmen über Jahre aufgebaute und individuell entwickelte Pluginlösungen, die dann alle nicht mehr benutzt werden können. Und auch hier schonmal die Frage, die später noch kommt: Welchen Vorteil hätte mein Unternehmen denn von MS Office auf Google Office zu wechseln? Vergiss die Lizenzkosten, die spielen für große Unternehmen keine Rolle.
Es ist absolut nicht so, dass ich nicht anerkennen würde, dass Cloudlösungen in manchen Fällen enorme Vorteile bieten können. Durch SaaS wurden tausende Geschäftsmodelle möglich und Unternehmen können mittlerweile viel mehr Software nutzen, die ihnen früher verwehrt blieb, weil die Administrationskosten den Vorteil der Nutzung überschritten hätten. Die grundlegendsten Anwendungen, wie das Betriebssystem und die absoluten Standardanwendungen (E-Mail, Powerpoint, Excel, Dateisystem) werden aber nativ bleiben, davon bin ich aus einer Reihe von Gründen überzeugt.
1.) Es gibt keinen Grund etwas zu ändern. Windows, MS Office und Windowsnetzwerke laufen bei Unternehmen seit vielen Jahren erwiesenermaßen stabil. Die Lizenzkosten sind völlig zu vernachlässigen. Das die Computer maximal gut funktionieren hat höchste Priorität, niemand wird unternehmensweite Ausfälle an der vielleicht kritischsten Infrastruktur riskieren, nur um ein paar Kröten zu sparen.
2.) Die IT-Branche kennt sich mit dem Status Quo, d.h. der Adminstration von Windows Netzwerken, aus. Die Nachwuchsleute lernen "on the job" ebenfalls den Status Quo. Ich wüsste nicht wie Google diesen Teufelskreis durchbrechen sollte.
3.) Das allgemeine Misstrauen gegenüber Cloud, betrieben von US-Konzernen, ist in D maximal. Bei vielen Unternehmen wäre das Ablegen von Firmendokumenten in einer Dropbox Grund für eine Abmahnung. Ich habe auch schonmal erlebt, dass einem Konzern-CFO(!), der eine Mail mit seinem iPhone ausversehen von seinem privaten GoogleMail Account beantwortet hat, keiner mehr geantwortet hat. So groß ist das Misstrauen. Vermutlich lässt es sich irgendwie einrichten, dass die Daten auf eigenen Servern gespeichert wären, aber da wären wir wieder bei Punkt 2. Wer soll das einrichten, unter der Prämisse, dass Unternehmen keine Lust darauf haben von einer Hand voll spezialisierten IT-Buden abhängig zu sein, wenn es ein wirklich gut funktionierendes Standardprodukt gibt, dass ihnen tausende etablierte Dienstleister warten und einrichten können.
Fazit: Profitieren würde Google, sonst niemand. Vorteile gibts auch keine, dafür aber unüberwindbare Probleme. Das ist zumindest mein aktueller Geistesstand. Mir sind schlicht die Vorteile für Unternehmen nicht klar. Ich denke aus der Sicht der Geschäftsführung. Ein IT'ler kann mir da vielleicht nochmal neue Erkenntnisse bringen.