Wat jenau macht eijentlich so‘n Anti-Aliasing Filter?

Bramix

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Wat jenau macht eijentlich so‘n Anti-Aliasing Filter? Version 1.0.1

Warum nicht mal eine Antwort auf eine Frage, die niemand gestellt hat?
Wer‘s eh weiss braucht nicht weiterzulesen, wer nicht, kann....

Bei fast jeder Digital-Kamera sitzt vor dem eigentlichen Sensor ein Anti-Aliasing-Filter. Reinlichkeitsfanatiker putzen demnach eigentlich nicht den Sensor sondern das AA-Filter. Zu meiner Schande muß ich allerdings gestehen, das ich selbst absolut kein Reinlichkeitfanatiker bin. Fällt glücklicherweise aber auch erst ab Blende 16 auf und die verwende ich - auch aus diesem Grund - nur äußerst selten.:D
Außerdem beschleicht mich das dumpfe Gefühl, das mehr Sensoren durch übertriebenen Reinlichkeitswahn ruiniert werden, als Fotos durch Staub auf dem Sensor bzw. Filter. Aber mal zurück zum Thema.

Was genau macht nun dieser hoffentlich "saubere“ Filter?

Etwas vereinfachte Erklärung:
Im Prinzip ähnelt ein Anti-Aliasing Filter einem Tempo-Begrenzer beim Auto oder einem Rauschfilter bei einem Verstärker.

Kurz gesagt: Nach oben hin wird dicht gemacht, es wird etwas begrenzt.

Da kauft man sich z.B. einen 500 PS BMW und er macht bei 250 den Hahn einfach zu, obwohl erheblich mehr drin wäre. Bekloppt eigentlich, so ein Auto zu kaufen, oder? Immerhin, Chip-Tuner freuen sich, leicht verdientes Geld!

So ähnlich macht es aber auch ein Antialiasing Filter, nur das er in unserem Fall bei den feinsten Bilddetails begrenzt oder um genauer zu sein, sie von einem bestimmten Punkt an zu einer Art Brei verlaufen läßt.

Ja, und warum macht man solch einen Blödsinn, ist doch genauso bekloppt wie beim BMW?
Na mal sachte, meine tolle Kamera ist ja kein dusseliger Bee-EM-Trouble-You!

Bei der Kamera hat es nämlich wirklich einen tieferen Sinn:
Man macht es, damit auf dem Foto keine in allen Regenbogenfarben schillernden Strukturen entstehen können, die Moire genannt werden. Wenn bestimmte auf den Sensor projizierte Motivteile ähnliche oder kleinere Größenordnungen erreichen wie das Pixelraster kann nicht mehr korrekt zwischen den verschiedenfarbigen RGB-Pixeln interpoliert werden und es kommt zu diesen merkwürdigen Interferenzeffekten.

Habt Ihr sicherlich auch schon manchmal im Fernsehen gesehen, wenn der Sprecher ein Sakko mit einem bestimmten Muster trug. Da gibt es dann auch manchmal ungünstige Interferenzen zwischen dem Sakko-Muster und dem TV-Abtastraster. Genau dadurch entsteht dann solch ein merkwürdiges Schillern.
Das möchte man bei einer Digital-Kamera aber vermeiden und deshalb kappt das AA-Filter kleinste Strukturen, die solche Probleme verursachen könnten.

Das AA-Filter ist übrigens nicht bloß ein trivialer Weichzeichner, sondern ein ausgesprochen raffiniertes Bauteil. Er besteht aus mehreren Schichten spezieller Kristallplatten (z.B. Lithiumniobat). Diese Schichten polarisieren, drehen und spreizen die Lichtstrahlen so, das die kleinsten Bilddetails möglichst genau auf die Größe des 4-er RGB Pixel Rasters aufgefächert werden. Dadurch werden aber alle noch kleineren Details auf diese Größe beschränkt. Die Größe des 4er Sensorrasters hängt wiederum ab von der Größe der einzelnen Pixel und deren Abstand zueinander (Pixel-Pitch).

Pfiffige Details am Rande: Durch die Dicke der Platten und/oder deren Abstand zueinander, kann die obere Grenzfrequenz des AA-Filters genau festgelegt werden, denn je nach Pixelpitch bzw. Packungsdichte der Pixel braucht jeder Sensor ein speziell angepaßtes AA-Filter. Man will ja schließlich das werbewirksame Auflösungsvermögen des Hyper-Mega-Giga Sensors auch möglichst gut ausnutzen.

Je nach Philosphie und Intention des Herstellers kann man dabei zurückhaltender oder aggressiver vorgehen. Bei manchen Kameras bzw. Sensoren versucht man das Auflösungsvermögen sehr weit auszunutzen, indem man die Grenzfrequenz relativ hoch legt. Bei diesen Kameras kann dann in bestimmten Situationen ein leichtes Moire auftreten. Beispiele hierfür sind die Nikon D 70 oder die Canon EOS 5 D.

Wenn das Moire bei bestimmten Aufnahmen stört, kann man es recht einfach beseitigen. Einfach näher ran oder weiter weg gehen, denn dann werden die entsprechenden Strukturen ja auf dem Sensor in einer anderen Größe abgebildet und das Moire gemildert. "Gehbehinderte" können natürlich auch zoomen.

Kurz und gut (oder schlecht?), das AA-Filter begrenzt im Endeffekt die Maximal-Auflösung des Sensorsystems.

Ein Fachmann hat mir mal verklickert, das z.B. bei manchen Canon Kameras (z.B. EOS 350 D) das AA-Filter sogar teurer ist als der Sensor selbst. Ist bei Nikon, KoMiSo, Olympus und Pentax sicher ähnlich. Da staunt der Fachmann und der Laie wundert sich, ich jedenfalls!

Da kauft man sich also sündhaft teure Objektive und was ist der Erfolg? Der AA-Filter kappt ab einem bestimmten Grenzwert einfach das mögliche Auflösungsvermögen meiner Super-Hyper-Ultra-Mega-Linse!

Gras wird nicht mehr restlos aufgelöst, Haare und Fell dito.
Jedenfalls, wenn ich zu weit vom Motiv weg stehe und kein Zoom habe.
Wenn ich näher rangehe, werden die Haare auf dem Sensor ja wieder größer und irgendwann packt er sie in voller Schönheit. Es sei denn, ich hätte einen Skinhead vor mir, aber der hat ja nun immer eine Matschbirne.

Kurz gesagt:
Es muß nicht immer das Objektiv sein, das die vermeintliche Unschärfe verursacht!

Vielleicht in diesem Zusammenhang ein kleiner Denkanstoss:
Kameras mit weniger hoch auflösenden Sensoren (z.B. bis ca. 6 MP) sind genau aus diesem Grund gegenüber älteren und preiswerteren Objektiven toleranter als die neuesten 8 oder 10 MP Kameras. Es ist also durchaus sinnvoll, die Qualitäten der Objektive auf die Fähigkeiten des Sensors abzustimmen. Mehr (sprich teurer) bringt nämlich nicht immer (sichtbar) mehr.

Verbessern kann man das Auflösungsvermögen des gesamten Systems nur, indem man bei vorgegebener Sensorgröße die Grenzfrequenz durch höhere Pixeldichte anhebt, oder indem man einen größeren Sensor mit gleicher Pixeldichte aber deutlich mehr Pixeln verwendet. Im ersten Fall braucht man zwangsläufig sehr hoch auflösende Objektive, im zweiten Fall können vorhandene durchaus reichen.

Eine EOS 5 D (größerer Pixel-Pitch) stellt an das reine Auflösungsvermögen der Objektive interessanterweise geringere Anforderungen als eine EOS 400 D (kleinerer Pixel-Pitch), dafür müssen aber andere Bildfehler besser korrigiert sein (z.B. Randfehler, Vignettierung etc.) und die Objektive müssen einen größeren Bildkreis ausleuchten können.

Der Vorteil von reinen APS-C Objektiven liegt darin, das sie kleiner, leichter und billiger herzustellen sind, denn durch den verkleinerten Bildkreis sind sind auch kleinere Linsendurchmesser nötig. Kleinere Linsen sind aber preiswerter und in höherer Präzision herstellbar.

Für Nikon Anhänger: Eine D2X braucht höher auflösendere Objektive als eine D70, wenn man einen echten Nutzen haben will. In dieser Hinsicht ist die D2X momentan wohl die anspruchsvollste Kamera überhaupt.

Anbei mal ein eher schlichtes Bildbeispiel, wo aber der AA-Effekt sehr schön zu sehen ist. Ich meine den Zaun, wo die Stabdichte durch den Aufnahme-Winkel immer enger wird und von einem bestimmten Punkt an nur noch eine graubraune Fläche entsteht. Genau da greift der AA-Filter immer stärker.

Das Objektiv könnte eigentlich mehr, aber der AA-Filter läßt es nicht. Schweinebande! :eek:

Das rote Rechteck war übrigens der anvisierte Autofocus-Punkt.
Gutes Macro, abgeblendet auf Blende 8.
100 Prozent Ausschnitt aus einem größeren Bild.

Ich fand den Effekt zuerst merkwürdig und habe versucht rauszubekommen, wo die Ursache liegt. Vielleicht hat der eine oder andere mal ähnliche Erfahrungen gemacht? Bildbeispiele wären ev. ganz interessant.
Bei Landschaftsbildern sieht man es oft bei weit entfernten Bäumen und Sträuchern und stärker vergrößerten Bildfschirmansichten.

Übrigens:
Sachliche Korrekturen sind gerne erwünscht, nur zu.
Hab versucht es einfach und möglichst verständlich darzustellen.
Bin auch nur ein interessierter Laie.

Lob an Alle, die bis hierhin durchgehalten haben, Ihr seid Survival-fähig!

Tschüß Christoph
 

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Es gibt Dinge, Bramix, die müssen nicht korrigiert werden. Sachlich dargestellt und gut beschrieben.

Ein Beitrag der den Schubser in die "ich-bleib-immer-oben"-Liste verdient ;)
 
SirSalomon schrieb:
Es gibt Dinge, Bramix, die müssen nicht korrigiert werden. Sachlich dargestellt und gut beschrieben.

Ein Beitrag der den Schubser in die "ich-bleib-immer-oben"-Liste verdient ;)


Man merkt, da spricht ein "Sir".

Mich hat das Thema einfach mal interessiert und ich hab versucht es mir selbst klar zu machen. Dazu hab ich dann auch einen echten Fachman ausgiebig befragt.

Auf den meisten Fotos bemerkt man den Effekt kaum, aber bei bestimmten Motiven eben doch, sogar bei diesem doch recht grobschlächtigen Zaun.

Mir gings auch darum, den Fehler nicht grundsätzlich immer nur bei den Objektiven zu suchen, sonst gibt man ev. unnötig viel Geld aus und sieht keinen Erfolg.
 
Ein Anti-Aliasing Filter kommt bei jeder Analog-Digitalwandlung und jeder Digital-Analogwandlung zum Einsatz. Nicht nur bei der Optik, auch bei der Akustik.
Frequenzen, die oberhalb dessen liegen, was der A/D-Wandler verarbeiten kann, Stichwort Samplingfrequenz, führen zur Verfälschung/Störung des Ergebnisses. Ebenso bei der Reproduktion, also beim D/A-Wandeln können, je nach Verfahren, Störungen entstehen, die wieder oberhalb dieses Grenze liegen. Auch die muß man herausfiltern.

bye, ylf
 
Hallo ylf,

Akustik und Optik sind ja durchaus verwandt. Die Wellenlängen und Frequenzen sind halt unterschiedlich. Die Ausbreitungsgeschwindigkeit natürlich auch.

Moire kann man demnach als solch eine "Verzerrung" oder "Störung" betrachten?
 
Sehr schöne Erklärung. Hut ab. :)


Bramix schrieb:
Wenn ich näher rangehe, werden die Haare auf dem Sensor ja wieder größer und irgendwann packt er sie in voller Schönheit. Es sei denn, ich hätte einen Skinhead vor mir. Der aber hat ja ohnehin eine Matschbirne.
:hehehe:
 
Noch ein kleiner Nachtrag für Unverbesserliche:

Wer unbedingt den Antialiasing Filter bei seiner EOS 300 D ausbauen möchte, findet hier eine ausführliche bebilderte Anleitung:

http://ghonis2.ho8.com/rebelmodnew.html

Viel Spass beim Schrauben, aber nicht zu mir kommen, wenn's hinterher nicht mehr zusammenpasst.
 
Sehr cool! Danke für die tolle Erklärung!
 
hat off, how the englishman sais, Bramix ;)
 
Wen der AA-Filter und dessen Auswirkungen zu sehr stören, der kann ja zu Kameras ohne einen solchen greifen. Die Sigmas mit Foveonsensor benötigen dank fehlender Bayerinterpolation keinen. Dafür bekommt man aber andere Probleme... ;)

Gruß, eiq
 
Dat is woll war!
Das größte dürfte wohl sein, das man Sigma Objektive verwenden MUSS.:(

Die Leica M 8 hat auch kein AA Filter und muß sich deshalb mit einigen Problemen rumschlagen.

Interessant ist die Geschichte bei der Mamiya ZD gelöst. Dort kann man den steckbaren AA Filter wahlweise verwenden
 
Zuletzt bearbeitet:
Die Leica M8 hat vor allem ein zu schwacher IR Filter, deshalb sollten Leica M Benutzer einen IR Filter vorne aufs Obj. setzen, sonst können gewisse Materialen anstatt schwarz, magenta erscheinen.

Allgemein machen Schärfetools die verlorene Schärfe recht gut wieder wett. Bei Kameras ohne AA Filter ist nachschärfen einfach nicht unbedingt nötig und deshalb scheinen die Fotos auf den ersten Blick mehr Kantenschärfe zu haben. Bildqualität geht durch den AA Filter nur wenig verloren

Als kleine Ergänzung gedacht und nicht als Kritik an Deiner guten Zusammenfassung.

Zur Problematik mit den Objektiven. Tatsächlich ist das Objektiv und der Sensor immer noch massgebend für die maximale erreichbare Bildqualität. Sie bestimmen die Gesamtauflösung bei der konventionelen und auch digitalen Fotografie. Wers nicht glaubt kann mal den folgenden Test machen mit seiner DSLR. Für das erste Foto die kleinste Blendenzahl einstellen. Beim 2 Foto Blende 5,6 einstellen (oder einfach 2-3 Blenden schliessen) . Beim 3 Foto die grösste Blendenzahl einstellen.

Alle 3 Fotos 100% am Bildschirm betrachten. Dabei sollte das Foto welches mit der nur leicht abgeblendeten Optik gemacht wurde am knackigsten aussehen. Die Erklärung ist, dass alle Objektive leicht abgeblendet die höchste Bildqualität erzielen.

Und wer eh nur Fotos bis 20x30 druckt kann das ganze meistens vergessen
 
Ein gut ausgelegtes Antialiasing Filter ist eigentlich ein schönes Beispiel für einen gekonnten Kompromiss.

Ist es zu schwach ausgelegt, erhält man zwar eine gute Grundschärfe, handelt sich andererseits aber Aliasing und Moire Effekte ein.
Beides kann bei hochwertigen Objektiven deutlicher auftreten.

Ist es zu stark ausgelegt, werden Aliasing und Moire Effekte zwar gut unterdrückt, jedoch verschenkt man etwas an Grundschärfe.

Entscheidend sind die richtige Grenzfrequenz und die Steilheit des Filters.
 
@Bramix
solltes Du mal ein Buch schreiben, über was auch immer.
Ich kaufe es mir.

Klasse Stil!!
 
@Bramix
solltes Du mal ein Buch schreiben, über was auch immer.
Ich kaufe es mir.

Klasse Stil!!


Hallo ins mittlere Berlin,
DIE Aussage stärkt ja doch enorm mein Selbstwertgefühl!

Das Abi hab ich nämlich mit einer glatten 5 in Deutsch gemacht und meine damalige Englisch-Lehrerin meinte:
Mein Stil gleiche eher einer holprigen englischen Landstraße.

Nun ja, Maßstäbe sind offenbar sehr relativ.

Übrigens:
Deine erfrischende Signatur hab ich in meine Sammlung aufgenommen.
Stammt die von Karl Valentin? Hört sich so an.
 
Zuletzt bearbeitet:
Die Leica M 8 hat auch kein AA Filter und muß sich deshalb mit einigen Problemen rumschlagen.

Da gibt es dann das Moire .
Lustig finde ich aber folgendes: Es gibt Software, die dann das grisseln wieder rausfiltern können. Hat mir jedenfalls der Leicavertreter gesagt.

Da ist es doch egal, ob ich per EBV Schärfe reinbringe, oder Moire rausfiltere.
 
Da gibt es dann das Moire .
Lustig finde ich aber folgendes: Es gibt Software, die dann das grisseln wieder rausfiltern können. Hat mir jedenfalls der Leicavertreter gesagt.

Da ist es doch egal, ob ich per EBV Schärfe reinbringe, oder Moire rausfiltere.



Hatte diesen alten Thread schon fast vergessen.

Nee, so ganz egal ist das nicht.
Beide Wege haben Vor- und Nachteile.

Moire tritt ja immer nur dann störend auf, wenn ungünstige Konstellationen zwischen Pixelraster und Motivraster aufeinandertreffen, z.B. wenn man regelmäßig strukturierte Objekte ( u.A. Architektur) aufnimmt.

Bei vielen anderen Motiven mit unregelmäßigen Formen (z.B. Naturaufnahmen) bemerkt man zumeist keinerlei Störungen, hat aber von vornherein den Vorteil einer hervorragenden Grundschärfe, so das man sich eine nachträgliche Scharfzeichnung mit ihren eigenen Problemen weitgehend ersparen kann.

Übrigens ein Grund dafür, das manche Leute sich das AA-Filter ausbauen lassen. Bei einigen wenigen Kameras (z.B. Mamiya ZD) kann man es sogar ganz einfach je nach Anwendungsfall auswechseln. Vielleicht die beste Lösung.
 
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