Hallo!
Ich kenn genug leute die als autodidakten um einiges mehr drauf haben wie ausgebildete werbedesigner mit diplom und 1er schnitt.
Mag es vielleicht geben, doch im Kernpunkt scheut sich ein Autodidakt vor der Auseinandersetzung mit der Frage, was seine Berufung ohne grundlegende Befähigungsnachweise nützt, um im nationalen wie internationalen Wettbewerb zu bestehen? Die Anzahl der Türen, die sich – unabhängig der Branchen - nur mit einem Hochschulabschluss öffnen lassen, sind mit Blick auf die attraktivsten Stellenangebote eher die Regel als eine Ausnahme.
Nehmen wir als Beispiel die aktuellen Einstellungsvoraussetzungen des für Branchenunwissende so unbekannte wie für Branchenkenner so populäre Unternehmen ILM (Industrial Light & Magic). Auch oder gerade ein Unternehmen wie ILM wird insbesondere von Bewerbern aus der ganzen Welt belagert, die gern von sich behaupten "es drauf zu haben" und darauf hoffen, das nicht mehr nötig ist, damit sie eine Chance zur Mitarbeit erhalten. Doch Bewerber, die nur Talent, den Glauben an ihre Fähigkeiten, aber sonst nichts mitbringen, scheitern bereits an den üblichen (bürokratischen) Voraussetzungen, bei denen auch ILM keine Ausnahme macht. Auch auf ihrer Homepage sind präzise Angaben über "Education, Experience and Skills Required" zu entnehmen, damit die Unterlagen der Bewerber überhaupt bearbeitet werden.
Die Voraussetzungen sind selbst für Autodiktaten mit hübschen Bildchen, aber ohne entsprechende Befähigungsnachweise nicht zu übersehen, denn da steht: "Bachelor’s degree in art, industrial design, theatrical design or painting preferred. Five or more years of related production experience with two years of feature film experience."
Tja, angesichts der Grundvoraussetzungen (die Liste auf der Homepage ist natürlich noch etwas länger), gestaltet es sich für Autodidakten ohne Hochschulabschluss äußerst schwer, eine Chance zu erhalten. Macht aber nichts, denn sie sind Absagen von seriösen Unternehmen gewohnt.
... ein Diplom ist in krativen Bereich so gut wie nichts mehr wert.
Na, wenn das so ist, da kann man den Autodidakten doch alles Gute für ihre kurze Zukunft wünschen. Sie werden zwar als unqualifizierte Arbeitnehmer von führenden Agenturen und Unternehmen abgelehnt, aber es bleiben ihnen ja noch die unzähligen Fotografen und Copyshop-Betreiber, von denen sicher selbst nur wenige Inhaber eine fundierte Ausbildung absolvierten. Um bei solchen "Serviceanbietern" tätig zu werden, spielt es wirklich keine Rolle, ob man im grafischen Bereich seinen Job gelernt hat oder in der Funktion eines Pizzaboten Photoshop bedient. Hauptsache, man arbeitet schnell, billig und auf Kommando!
Wer dagegen ernsthaft in Erwägung zieht, einen Job zu ergreifen, der neben vielen Aufgaben und hoher Verantwortung auch ein entsprechend hohes Gehalt bietet, an dem führt kein (Ausbildungs)Weg an einer ordentlichen Hochschule vorbei, denn selbst ein Bachelor ist nur die kleinste Eintrittkarte für das große Spiel, während Autodidakten ohne Befähigungsnachweise draußen am Zaun stehen müssen und von ihrer Eintrittkarte träumen.
Nicht für die Schule, für den Wettbewerb lernen wir!
Ein bedauerliches Szenario im Kreis meiner der Verwandtschaft zeigt, wie wichtig (und fast schon selbstverständlich) ein Hochschulabschluss ist:
Mein Vetter absolvierte nach seinem Abitur eine Ausbildung zum Bankkaufmann und war der Meinung, das würde für die "kommenden" Jahre ausreichen, um immer eine Anstellung zu finden. Doch er musste schnell die bittere Lektion lernen, das keine Bank ihn einstellen wollte, denn es gibt genügend Bewerber, die neben ihrem Abitur und einer Ausbildung als Bankkaufmann noch ein Studium absolvierten und kaum älter sind, als mein Vetter. Heute, mit 33 Jahren, hat er – im direkten Vergleich zu gleichaltrigen Mitbewerben mit Hochschulabschluss - keine Chance mehr auf einen Job bei einer Bank. So wurde er schließlich ist einen Bereich der Finanzwelt gedrückt, in dem man selbst ohne Ausbildung beruflich Fuß fassen kann – Sachgebiet Anlageberatung.
Das bittere Ende einer einst so stolzen Karriereplanung (einst angeregt durch die Wall Street), die ihr Ende an dem Tag fand, als es darum ging ein Studium zu absolvieren oder nicht. Und selbst mit Studium ist es heute verdammt schwer geworden, bei einer Bank eine Festanstellung zu erhalten. Die nehmen nur noch die besten und jüngsten Bewerber. Muttersprache plus zwei weitere Fremdsprachen? Für Banken schon fast eine Grundvoraussetzung. Mein Vetter kann "nur" fließend Englisch. Zu wenig! Inzwischen hat er eingesehen, dass ich ihn damals richtig beraten wollte, aber er lehnte das Studium ab und dachte lieber daran, das schnelle Geld zu verdienen, während die anderen an der Uni hockten.
Nun, einer von seinen ehemaligen Kollegen von der Berufsschule hat es geschafft. Er hat nach der Ausbildung studiert und damit auf 5 Jahre Einkommen verzichtet. Dafür ist er heute, mit 38 Jahren, Prokurist in eben jenem Unternehmen, das Bewerber wie meinen Vetter aus Mangel an Qualifikationen ablehnt. Wenn Autodidakten über das Potential ihrer Fähigkeiten sprechen, ist das für einen Scherz gut, aber mehr nicht. Sie lehnen Chancen und Möglichkeiten ab, bevor sie sich bieten! Sie vertrödeln ihre Zeit mit unwichtigen Dingen, statt sich der ordentlichen Ausbildung und Weiterqualifikation zu widmen und das Ende vom Lied kommt dann, wenn sie sehen, das ihre Mitbewerber nicht nur jünger sind sondern bestens qualifiziert – und trotzdem keinen Job erhalten. Niemand fragt nach Bewerbern, die in der 2. oder 3. Reihe stehen. Ein Hochschulabschluss ist für Unternehmen so selbstverständlich, wie einst das Abitur. Es gibt viele Bewerber, die darüber nicht verfügen, aber es gibt auch Interessenten, die über all das und noch viel mehr verfügen. Und selbst die Besten eines Landes haben es heute schwer im Wettbewerb zu Bewerbern aus anderen Ländern.
- Sterling