Leitfaden: 6 Schritte zum juristischen Satz

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Pingu

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Da hier immer wieder die Empfehlung gegeben wird für den Schriftverkehr zum Anwalt zu gehen und dass man dies auch ja nicht selbst versuchen sollte, habe ich hier einen kleinen Leitfaden verfasst, wie man auch als Laie einen perfekten und korrekten juristischen Satz verfassen kann:

  1. Schritt: Sie nehmen einen ganzen normalen Satz:
    Vielen Dank für Ihren Brief. Wir beantworten Ihre Fragen, sobald wir mit Herrn Müller darüber gesprochen haben.
  2. Schritt: Sie reichern den Satz mit Substantiven an. Ersetzen Sie einfach alle Verben durch Hauptwörter oder Streckverben. Und vergessen Sie nicht, die Substantive mit der Endung "-ung" aufzublähen.
    Zum Beispiel:
    Vielen Dank für Ihren Brief. Wir kommen in Beantwortung Ihrer Fragen auf Sie zurück, sobald wir Rücksprache mit Herrn Müller gehalten haben.
  3. Schritt: Sie anonymisieren den Text (zur Wahrung des Anwaltsgeheimnisses):
    Vielen Dank für das vorgenannte Schreiben. Die Unterfertigten kommen in Beantwortung der darin aufgeworfenen Fragen auf diese zurück, sobald sie Rücksprache mit dem Mandanten gehalten haben.
  4. Schritt: Sie übersetzen alles ins Passiv:
    Für das vorgenannte Schreiben möchten wir uns bedanken. Die Unterfertigten werden in Beantwortung der darin aufgeworfenen Fragen auf diese zurückkommen, sobald unsererseits Rücksprache mit dem Mandanten gehalten werden konnte.
  5. Schritt: Sie würzen Ihre Arbeit mit unnötigen Adjektiven und Partizipien:
    Bezugnehmend auf das vorgenannte Schreiben möchten wir uns bedanken. Die Unterfertigten werden in alsbaldiger Beantwortung der darin aufgeworfenen rechtlichen Fragestellungen umgehend auf diese zurückkommen, sobald unsererseits die unverzichtbare Rücksprache mit dem derzeit abwesenden Mandanten gehalten werden konnte.
  6. Schritt: Wiederholen Sie abschließend unbedingt noch einmal Schritt 2 bis 5:
    Unter Bezugnahme auf das vorbezeichnete Schreiben möchten wir dankenswerterweise den Empfang durch unser Haus bestätigen. Den Unterfertigten erscheint es bezüglich der im Betreff bezeichneten Angelegenheit gegebenenfalls im Bereich des zeitnah Umsetzbaren, zu den angesprochenen rechtlichen Fragestellungen in alsbaldiger Erledigung der im vorgenannten Schriftsatz aufgeworfenen konkreten Problemkreise in schriftlicher Form Stellung zu nehmen, sobald durch unsere Kanzlei in Bezug auf die von Ihrer Seite geäußerten Anliegen die nach unserem Dafürhalten gebotene Rücksprache mit der derzeit noch auf nicht absehbare Zeit in Abwesenheit befindlichen Mandantschaft gehalten werden konnte.

Wie man sieht ist es ganz einfach den perfekten juristischen Satz zu formulieren.

Ohne Gewähr. Wer Ironie findet, darf sich glücklich schätzen.:D
 
Schön. :hehehe:

Aber gibt's dafür nicht eigentlich die Schmunzelecke? ;)
 
hehe... sehr schön.^^ wenn ich sowas in ner Klausur ins Gutachten schreibe, dann haut mich aber der Prof ;)
 
"Für das vorgenannte Schreiben möchten wir uns bedanken." Das ist kein Passiv!
Passiv wäre: Für das vorgenannte Schreiben wird gedankt.

Ansonsten aber echt gut!
 
"Für das vorgenannte Schreiben möchten wir uns bedanken." Das ist kein Passiv!
Passiv wäre: Für das vorgenannte Schreiben wird gedankt.

Ansonsten aber echt gut!

Zum Glück gibt es immer Klugscheißer ;)
 
Zum Glück gibt es immer Klugscheißer ;)

Sorry, ich studiere Germanistik und werde Deutschlehrer, da kann ich mich nicht bremsen.
Ich korrigiere ja nicht jeden Mist und erlaube mir selbst auch Fehler, aber wenn jemand behauptet etwas ins Passiv zu setzen und es nicht tut, dann kann ich das nicht so stehen lassen.

Ist ein bisschen so wie: "Kann ich mal die Butter?"
 
soll nicht böse gemeint sein, aber wer "so wie" schreibt, sollte in dieser beziehung eher kleine brötchen backen :D
 
Worum es geht, sei an einem Beispiel erläutert. Der Rechtsbegriff des Junggesellen wird herkömmlicherweise durch folgende Definition geklärt: „Ein Junggeselle ist ein Mann, dem zum Glück die Frau fehlt." Schreibt man das so hin, klingt das nackt und bloß. Ein praktizierender Zitatologe (und jeder Jurist ist ein praktizierender Zitatologe) würde den Satz wie folgt hinschreiben.

„Ein1 Junggeselle2 ist3 ein4 Mann5 dem6 zum7 Glück8 die9 Frau10 fehlt11"

Wie das Beispiel zeigt, sind selbst die auf den ersten Blick weit entwickelt erscheinenden Formen des Zitatenwesens noch beklagenswert unterentwickelt. So ist die Möglichkeit, Fußnoten zu den Fußnoten zu schreiben, noch überhaupt nicht genutzt. Auch kann man die a.a.O.-Technik noch ausbauen. Vor allem wenn der angegebene Ort mehrere hundert Seiten zurückliegt, führt dies zum erwünschten aktiven Lesen. Und schließlich ist das oberste Ziel jedes Zitatenverfassers - absolute Vollständigkeit der Nachweise - gegenwärtig außer Reichweite selbst des emsigsten Fußnotenschreibers. Sogar wenn er den eigentlichen Text ganz weglässt (was gelegentlich schon geschieht), kann er dieses Ziel nicht erreichen. Erst vom Einsatz computergestützter Rechtsdatenbanken ist hier eine grundlegende Änderung zu erwarten.

1 - Vgl. dazu den grundlegenden Beschluss des BVerfG E Bd. 1, S. 18 ff. zur Verfassungsmäßigkeit des Begriffes „Ein". Zustimmend Müller-Seibermann, NJW 58, S. 64; Seisbletza, Kritische Justiz 58, S. 458; Pott, MDR 58, S. 23. Zum Ganzen auch Wasserkopf. Das Ein und das Nicht-Ein, Neuwied, 1960 sowie Kohlrübe, die Hermeneutik des Ein-und-Allen, ein Beitrag zur Zirkelhaftigkeit im Rechtsdenken der Gegenwart, Frankfurt-Berlin-Tokio-New York-Schussenried, 1962.
2 - Zum Begriff des Junggesellen hat Schulze-Verdroß in seiner Münchener Dissertation „Der Junggeselle - eine ungelöste Herausforderung an die Rechtsordnung" (1978) die These formuliert, mit der Kennzeichnung als „unverheiratetes erwachsenes männliches menschliches Lebewesen" sei nur ein Teilaspekt des Junggesellenwesens getroffen. Kritisch und zum Teil ablehnend dazu und dagegen Rohrmoser, Das unverheiratete erwachsene männliche menschliche Lebewesen - eine ungelöste Herausforderung an die Rechtsordnung, Diss. Bremen, 1979.
3 - BGH 24, 38; RG 15, 26; AG Ditzenbach, NJW 80,1864; OLG Düsseldorf, JZ 64,67; LG Essen, MDR 49, 154. A. M. aber das BVerfg a.a.O.
4 - BVerfgG a.a.O. A. M. aber BGH 24, 38; RG 15, 26; AG Ditzenbach NJW 80,1864; OLG Düsseldorf, JZ 64, 67; LG Essen, MDR 49, 154.
5 - Das Problem „Mann" ist als ungelöstes rechtsphilosophisches Problem seit meiner grundlegenden Monographie „Der Mann - Prolegomena zu einer Vorstudie eines ersten Vorentwurfes des Versuches einer Begriffsbestimmung zur Propädeutik des Mannes - zugleich ein Beitrag zur rechtsanthropologischen Grundlagenforschung, Freiburg, 1975 anerkannt.
6 - Abweichend Poolbrath, Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie 1967, S. 514 („welchem").
7 - Die Finalität des Begriffes „zum" hat Viktor Pott, der Begründer des final-teleologischen Rechtsdenkens schon in seinem frühen Werk „Kann der Mensch vorausschauen und planen" (Leipzig, 1893) dem blind-kausalen Justizverständnis des Rechtspositivismus gegenübergestellt. Die Literatur dazu ist unübersehbar. Ich nenne nur: Müller, Der Mensch kann nicht planen, Berlin, 1902; Meier, Der Mensch kann planen, Aachen, 1904; Siebecke, Der Mensch als zugleich planendes und nicht-planendes Wesen, Göttingen, 1906; Rotzbacke, Der Mensch Siebecke als zugleich denkendes und nicht-denkendes Wesen, Frankfurt 1908; Siebecke, Nomen est omen - eine Erwiderung auf Rotzbacke, Göttingen, 1910. Aus der neueren Literatur Theodor Kaufmann, Der Zumismusstreit der Jahrhundertwende - ein Kapitel Rechtsgeschichte, wo die Frage mit Recht offengehalten und ihre Beantwortung künftiger Forschung zugewiesen wird.
8 - Abwegig der Versuch einer negativen Glücksbestimmung (Abwesenheit von Unglück) durch Kahn-Wilde in seinem auch sonst unsinnigen Aufsatz „Das Recht auf Glück - der vergessene Grundwert", Archiv für öffentliches Recht, 1960, S. 1 ff. Richtig, treffend und heute gültiger denn je dagegen meine Ausführungen in dem Beitrag „Die wohlerwogene Neutralität des Grundgesetzes in Sachen Glück" in der Festschrift für Hubert Knackebein, München, 1964.
9 - Abweichend Poolbrath a.a.O. („eine").
10 - Das Problem „Frau" ist als ungelöstes rechtsphilosophisches Grundlagenproblem seit meinem Loseblattwerk „Die Frau - ein Rätsel in jeder Hinsicht" anerkannt. Wenn Kahn-Wilde in seiner Broschüre „Das Frauenrätsel ist lösbar", Bochum, 1979 dies bestreitet, so deshalb, weil er nicht verstanden hat, was ich alles nicht verstanden habe.
11 - Abweichend Poolbrath a.a.O. („mangelt").
 
köstlich, aber leider durchaus alltäglich

wieso ist das so?
 
Im konkreten Kontext ist "so wie" aber richtig ;)

ich muss dich leider enttäuschen, " so wie" - nicht zu verwechseln mit "sowie" - ist leider in keinem kontext richtig. um grammatikalisch richtig zu sein, fehlt da noch ein wort wie "unsinnig", "sinnlos" etc.
 
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