Tristam Brandy
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Geschichtsstunde
Vier Jahre hat Microsofts Mac-Abteilung an Office 2008 gearbeitet. Man muss sehr weit zurückgehen, um in der Geschichte von Office für Mac eine ähnlich lange Entwicklungsphase zu finden: Länger als Office 2004 war nur das 1994 erschienene, für seine Fehlerhaftigkeit und Hässlichkeit berühmte Office 4 auf dem Markt, das schließlich von Office 98 abgelöst wurde. Erlösung wäre das bessere Wort, denn Office 4 (das die berüchtigte Version 6 von Word enthielt) war eine schlampige Portierung der Windows-Version, mit der Microsoft seinen einst exzellenten Ruf als Mac-Entwickler so gründlich ruinierte, dass die Folgen noch heute hör- und lesbar sind - vor allem in den Legenden über die Schrecken von Office, die in endlosen Echos durch die Mac-Foren hallen.
Der Zeitraum zwischen Office 4 und Office 98 ist zugleich das historische Jammertal der Apple-Geschichte: Während Microsoft zum Giganten der Computerindustrie aufstieg und mit dem Doppelgewicht von Windows und Office alle Konkurrenten erdrückte, schrumpfte Apple zu einem verschuldeten, ziellos an der Pleite entlangbalancierenden Unternehmen zusammen. Microsoft musste sich mit der Verbesserung von Mac-Office um so weniger beeilen, weil man unzufriedene Nutzer einfach zum Systemwechsel einladen konnte. Als Mac-User war man in diesen Jahren ein trotzig-stolzer, fatalistischer, mit Conflict Catcher Systemerweiterungen sortierender, das Zen des kooperativen Multitasking verteidigender Sektierer. Wenn man zugleich Schreiber war, dann hielt man an der Vorgänger-Version von Word fest, dem ebenfalls legendären Word 5.1, das altersweisen Graubärten immer noch als eins der besten Schreibprogramme aller Zeiten in Erinnerung ist (siehe ). Oder man wechselte zu Alternativen wie ClarisWorks, WordPerfect oder dem eigenwillig-genialen Nisus Writer und nahm in Kauf, dass diese Programme mit der immer größer und weiter werdenden Welt der Windows- und Office-Nutzer kaum kompatibel waren.
Dass Office 98 überhaupt erschien, ist bekanntlich nur dem Patent- und Investment-Deal zu verdanken, den Steve Jobs nach seiner Rückkehr zu Apple mit Microsoft einfädelte. Die Weiterentwicklung von Office für den Mac war eine der Grundbedingungen dieses Deals: Vom Apple-Boss bis hinab zum "M$"-hassenden Nerd wusste jeder, dass die Mac-Plattform ohne die marktbeherrschende Bürosoftware nicht überlebensfähig war. Microsoft baute dafür seine Mac-Abteilung aus und nannte sie "Macintosh Business Unit" - mit jenem unnachahmlichen Hang zu Bürokratentiteln, der auch "Windows Vista Home Premium" oder die "Office 2008 for Mac Special Media Edition" getauft hat. (Es wird irgendwo in Redmond ein "Microsoft Product Naming Unit" geben, das sich solche Titel ausdenkt: ein graues Bürogebäude voll Bohnerwachsgeruch und welker Gummibäume, in dem älterere Herren mit Hosenträgern und über die Glatze gekämmtem Haar ihren Vorzimmer-Damen E-Mail-Memos diktieren.)
Microsoft hat sich sehr zuverlässig an den Deal gehalten: Seit Office 98 sind in regelmäßigen, durchschnittlich zwei Jahre währenden Abständen neue Mac-Versionen von Office erschienen. Den für Apple kritischen Wechsel von OS 9 auf OS X vollzog Microsofts Mac-Entwicklungsabteilung sogar in einem einzigen Jahr: Office v. X war das erste Programm der Elefantenliga, das unter OS X lief. Die überraschend schnelle Portierung wurde durch intensive Hilfestellungen von Apple beschleunigt, denn die Verfügbarkeit von Office lieferte ein Argument für OS X, das zum Erfolg des neuen Betriebssystems maßgeblich beigetragen hat.
Warum diese Geschichtsstunde? Weil die Geschichte lehrt, dass eine vierjährige Entwicklungszeit von Mac-Office auf ein Krisenverhältnis zwischen Apple und Microsoft deutet. Nur sind diesmal die Bedingungen völlig andere: Im Gegensatz zur "Pray"-Phase zwischen 1994 und 1998 hat sich Apple seit 2004 zu einem der weltweit erfolgreichsten IT-Unternehmen entwickelt, das Jahr um Jahr neue Rekordquartale meldet und mit traumwandlerischer Sicherheit immer neue Märkte erobert. In demselben Maß, in dem sich der Aktienwert von Apple erhöht hat, scheint sich aber auch die Bereitschaft verringert zu haben, mit Microsoft zu kooperieren. Mit Wired könnte man die letzte Apple-Dekade die "Evil/Genius"-Phase nennen.
Eine geniale - für einige Entwickler auch teuflische - Entscheidung von Apple war der überraschende Wechsel auf Intel-Prozessoren. Auch diese Entscheidung hat Apples Aufstieg in den Mainstream befördert, die Entwicklung von Office und anderen Programmen aber hat sie empfindlich zurückgeworfen. Der Nachfolger von Office 04 wäre genau zu der Zeit fällig gewesen, als Steve Jobs den Wechsel ankündigte und damit die komplette Umschreibung des fast vollendeten Produkts zur Intel-kompatiblen Universal Binary erzwang. Anders als vor dem Wechsel zu OS X hielt Apple diesmal statt kollegialer Zusammenarbeit nicht einmal eine verschwiegene Vorwarnung für nötig. Das prekäre Verhältnis von Konkurrenz und Vernunft-Partnerschaft, in dem Apple gegenüber Microsoft steht, macht solche Diskretionen nachvollziehbar. Auch andere Software-Elefanten wie Adobe mussten unvermittelt in die neue Richtung trotten, die Apple ihnen wies. Aber Microsofts Mac-Entwickler scheinen mit ihren langwierigen Produktplänen und ihren Schutthalden von uraltem Programmcode am wenigsten mit dieser Kursänderung zurechtgekommen zu sein.
Das Ergebnis der verzögerten Entwicklung wurde im Januar 2008 veröffentlicht - stark verspätet und trotzdem überhastet. Die meisten der ursprünglich geplanten neuen Funktionen konnten zwar in die Intel-Anpassung hinübergerettet werden, aber dafür fiel eins der wichtigsten alten Funktionsmodule weg: Visual Basic, das die Programmierung und Ausführung von Office-spezifischen Skripten ermöglicht. Auch die Performance der neuen Version war unbefriedigend: Erste Testberichte bemängelten Instabilitäten und grotesk lange Startzeiten. Viele kritische Fehler wurden in den letzten anderthalb Jahren durch nachgeschobene Updates ausgebügelt. Ein Hauptfehler, die Inkompatibilität mit der OS-X-10.5-Fensterverwaltung Spaces, ist allerdings bis heute nicht behoben.
Glaubt man den ausführlichen Erklärungen von Word-Entwickler Erik Schwieb, geht dieser Fehler allein auf das Konto von Apple und wird sich nicht beheben lassen, bis Apple sich zu einem Bugfix für die eigenen Carbon-APIs bequemt. Auch daran lässt sich erkennen, wie stark sich bei Apple seit der Einführung von OS X die Prioritäten verändert haben: Damals war die Kompatibilität von Microsoft Office noch wesentlich für den Erfolg des Betriebssystems, heute konzentriert Apple alle Kapazitäten auf Projekte wie den Office-Konkurrenten iWork und den Windows-Mobile-Killer iPhone. Mit Bugfixes, die andern helfen, gibt sich der evil genius nicht mehr ab, während er seine nächsten Züge plant.
Vier Jahre hat Microsofts Mac-Abteilung an Office 2008 gearbeitet. Man muss sehr weit zurückgehen, um in der Geschichte von Office für Mac eine ähnlich lange Entwicklungsphase zu finden: Länger als Office 2004 war nur das 1994 erschienene, für seine Fehlerhaftigkeit und Hässlichkeit berühmte Office 4 auf dem Markt, das schließlich von Office 98 abgelöst wurde. Erlösung wäre das bessere Wort, denn Office 4 (das die berüchtigte Version 6 von Word enthielt) war eine schlampige Portierung der Windows-Version, mit der Microsoft seinen einst exzellenten Ruf als Mac-Entwickler so gründlich ruinierte, dass die Folgen noch heute hör- und lesbar sind - vor allem in den Legenden über die Schrecken von Office, die in endlosen Echos durch die Mac-Foren hallen.
Der Zeitraum zwischen Office 4 und Office 98 ist zugleich das historische Jammertal der Apple-Geschichte: Während Microsoft zum Giganten der Computerindustrie aufstieg und mit dem Doppelgewicht von Windows und Office alle Konkurrenten erdrückte, schrumpfte Apple zu einem verschuldeten, ziellos an der Pleite entlangbalancierenden Unternehmen zusammen. Microsoft musste sich mit der Verbesserung von Mac-Office um so weniger beeilen, weil man unzufriedene Nutzer einfach zum Systemwechsel einladen konnte. Als Mac-User war man in diesen Jahren ein trotzig-stolzer, fatalistischer, mit Conflict Catcher Systemerweiterungen sortierender, das Zen des kooperativen Multitasking verteidigender Sektierer. Wenn man zugleich Schreiber war, dann hielt man an der Vorgänger-Version von Word fest, dem ebenfalls legendären Word 5.1, das altersweisen Graubärten immer noch als eins der besten Schreibprogramme aller Zeiten in Erinnerung ist (siehe ). Oder man wechselte zu Alternativen wie ClarisWorks, WordPerfect oder dem eigenwillig-genialen Nisus Writer und nahm in Kauf, dass diese Programme mit der immer größer und weiter werdenden Welt der Windows- und Office-Nutzer kaum kompatibel waren.
Dass Office 98 überhaupt erschien, ist bekanntlich nur dem Patent- und Investment-Deal zu verdanken, den Steve Jobs nach seiner Rückkehr zu Apple mit Microsoft einfädelte. Die Weiterentwicklung von Office für den Mac war eine der Grundbedingungen dieses Deals: Vom Apple-Boss bis hinab zum "M$"-hassenden Nerd wusste jeder, dass die Mac-Plattform ohne die marktbeherrschende Bürosoftware nicht überlebensfähig war. Microsoft baute dafür seine Mac-Abteilung aus und nannte sie "Macintosh Business Unit" - mit jenem unnachahmlichen Hang zu Bürokratentiteln, der auch "Windows Vista Home Premium" oder die "Office 2008 for Mac Special Media Edition" getauft hat. (Es wird irgendwo in Redmond ein "Microsoft Product Naming Unit" geben, das sich solche Titel ausdenkt: ein graues Bürogebäude voll Bohnerwachsgeruch und welker Gummibäume, in dem älterere Herren mit Hosenträgern und über die Glatze gekämmtem Haar ihren Vorzimmer-Damen E-Mail-Memos diktieren.)
Microsoft hat sich sehr zuverlässig an den Deal gehalten: Seit Office 98 sind in regelmäßigen, durchschnittlich zwei Jahre währenden Abständen neue Mac-Versionen von Office erschienen. Den für Apple kritischen Wechsel von OS 9 auf OS X vollzog Microsofts Mac-Entwicklungsabteilung sogar in einem einzigen Jahr: Office v. X war das erste Programm der Elefantenliga, das unter OS X lief. Die überraschend schnelle Portierung wurde durch intensive Hilfestellungen von Apple beschleunigt, denn die Verfügbarkeit von Office lieferte ein Argument für OS X, das zum Erfolg des neuen Betriebssystems maßgeblich beigetragen hat.
Warum diese Geschichtsstunde? Weil die Geschichte lehrt, dass eine vierjährige Entwicklungszeit von Mac-Office auf ein Krisenverhältnis zwischen Apple und Microsoft deutet. Nur sind diesmal die Bedingungen völlig andere: Im Gegensatz zur "Pray"-Phase zwischen 1994 und 1998 hat sich Apple seit 2004 zu einem der weltweit erfolgreichsten IT-Unternehmen entwickelt, das Jahr um Jahr neue Rekordquartale meldet und mit traumwandlerischer Sicherheit immer neue Märkte erobert. In demselben Maß, in dem sich der Aktienwert von Apple erhöht hat, scheint sich aber auch die Bereitschaft verringert zu haben, mit Microsoft zu kooperieren. Mit Wired könnte man die letzte Apple-Dekade die "Evil/Genius"-Phase nennen.
Eine geniale - für einige Entwickler auch teuflische - Entscheidung von Apple war der überraschende Wechsel auf Intel-Prozessoren. Auch diese Entscheidung hat Apples Aufstieg in den Mainstream befördert, die Entwicklung von Office und anderen Programmen aber hat sie empfindlich zurückgeworfen. Der Nachfolger von Office 04 wäre genau zu der Zeit fällig gewesen, als Steve Jobs den Wechsel ankündigte und damit die komplette Umschreibung des fast vollendeten Produkts zur Intel-kompatiblen Universal Binary erzwang. Anders als vor dem Wechsel zu OS X hielt Apple diesmal statt kollegialer Zusammenarbeit nicht einmal eine verschwiegene Vorwarnung für nötig. Das prekäre Verhältnis von Konkurrenz und Vernunft-Partnerschaft, in dem Apple gegenüber Microsoft steht, macht solche Diskretionen nachvollziehbar. Auch andere Software-Elefanten wie Adobe mussten unvermittelt in die neue Richtung trotten, die Apple ihnen wies. Aber Microsofts Mac-Entwickler scheinen mit ihren langwierigen Produktplänen und ihren Schutthalden von uraltem Programmcode am wenigsten mit dieser Kursänderung zurechtgekommen zu sein.
Das Ergebnis der verzögerten Entwicklung wurde im Januar 2008 veröffentlicht - stark verspätet und trotzdem überhastet. Die meisten der ursprünglich geplanten neuen Funktionen konnten zwar in die Intel-Anpassung hinübergerettet werden, aber dafür fiel eins der wichtigsten alten Funktionsmodule weg: Visual Basic, das die Programmierung und Ausführung von Office-spezifischen Skripten ermöglicht. Auch die Performance der neuen Version war unbefriedigend: Erste Testberichte bemängelten Instabilitäten und grotesk lange Startzeiten. Viele kritische Fehler wurden in den letzten anderthalb Jahren durch nachgeschobene Updates ausgebügelt. Ein Hauptfehler, die Inkompatibilität mit der OS-X-10.5-Fensterverwaltung Spaces, ist allerdings bis heute nicht behoben.
Glaubt man den ausführlichen Erklärungen von Word-Entwickler Erik Schwieb, geht dieser Fehler allein auf das Konto von Apple und wird sich nicht beheben lassen, bis Apple sich zu einem Bugfix für die eigenen Carbon-APIs bequemt. Auch daran lässt sich erkennen, wie stark sich bei Apple seit der Einführung von OS X die Prioritäten verändert haben: Damals war die Kompatibilität von Microsoft Office noch wesentlich für den Erfolg des Betriebssystems, heute konzentriert Apple alle Kapazitäten auf Projekte wie den Office-Konkurrenten iWork und den Windows-Mobile-Killer iPhone. Mit Bugfixes, die andern helfen, gibt sich der evil genius nicht mehr ab, während er seine nächsten Züge plant.